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       # taz.de -- Geschichtsrevisionismus in Rumänien: Skandalöser Auschwitz-Vergleich
       
       > Landwirtschaftsminister Petre Daea nennt das Töten von erkrankten
       > Schweinen und den Holocaust in einem Atemzug. Das löst Empörung aus.
       
   IMG Bild: Zum Rücktritt aufgefordert: Landwirtschaftsminister Petre Daea
       
       Berlin taz | Der rumänische Landwirtschaftsminister Petre Daea hat die
       Verbrennung von erkrankten Schweinen mit den Verbrechen in Auschwitz
       verglichen. In einem Fernsehinterview erläuterte der Minister die
       wirtschaftlichen Folgen für die rumänische Landwirtschaft, nachdem
       Zehntausende von der Schweinepest befallene Tiere getötet und verbrannt
       werden mussten.
       
       Der Auschwitzvergleich des sozialdemokratischen Ministers wurde in Rumänien
       mit Entrüstung aufgenommen. Die Opposition forderte seinen Rücktritt.
       Auffallend unter den lautstarken verbalen Empörungsrhetorikern aus dem
       Lager der Opposition waren jene, die in den letzten Jahren mit ähnlichen
       Vorfällen in ihren eigenen Reihen konfrontiert waren.
       
       Allen voran die Nationalliberale Partei (PNL), die 2016 nichts gegen die
       politischen Entgleisungen des Senators Puiu Haşotti einzuwenden hatte, der
       im Parlament die Verse des faschistischen Poeten Radu Gyr deklamierte.
       
       In Rumänien, das seit 2007 Mitglied der Europäischen Union ist, gelten
       solche Entgleisungen als Kavaliersdelikt. In ihrer geheuchelten Empörung
       über den ungeheuerlichen Auschwitzvergleich des Landwirtschaftministers
       vergaß gerade die liberale Partei, dass sie vor Kurzem den
       ultrakonservativen Mihail Neamţu aufgenommen hatte. Der Verfasser einer
       apologetischen Schrift auf Donald Trump hatte bei einer
       Wahlkampfveranstaltung 2012 ebenfalls mit Versen von Radu Gyr agitiert.
       
       ## Wieder salonfähig
       
       In den 1990er Jahren fiel er als Mitarbeiter einer rechtsextremen
       Zeitschrift auf, die darauf spezialisiert war, die in den Zeit zwischen den
       Weltkriegen gegründete faschistische Legion des Erzengels Michael in der
       Nachwendeöffentlichkeit wieder salonfähig zu machen.
       
       Mit geheuchelter Betroffenheit meldete sich auch Ex-Präsident Traian
       Băsescu zu Wort. Er forderte ebenfalls den Rücktritt von Petre Daea, vergaß
       aber, dass er selber wegen ähnlicher Behauptungen ins Kreuzfeuer der
       öffentlichen Kritik geraten war.
       
       2011 bezeichnete Băsescu den früheren König Mihai als „Verräter“ und
       „Russenknecht“. Durch diesen derben Angriff versuchte er die Schlüsselrolle
       des 2017 verstorbenen Königs bei der Entmachtung des militär-faschistischen
       Diktators und Hitlerverbündeten Ion Antonescu 1944 zu relativieren.
       
       Die Verharmlosung der Verantwortung Antonescus für die Ermordung von über
       300.000 rumänischen und ukrainischen Juden in KZ-ähnlichen Einrichtungen
       gehörte nach 1990 zum Standardrepertoire von Politikern fast aller
       Parteien.
       
       ## Minister hat sich entschuldigt
       
       In diesem Zusammenhang ist die Zahl sozialdemokratischer Politiker
       auffallend hoch. Dan Şova, 2012 sozialdemokratischer Senator und später
       Minister, leugnete öffentlich nicht nur den von Antonescu angezettelten
       Holocaust, sondern erklärte, in Rumänien sei den Juden nichts zugestoßen.
       
       Der rumänische Landwirtschaftsminister hat sich mittlerweile für seinen
       Auschwitzvergleich entschuldigt. Er habe niemanden beleidigen wollen,
       erklärte er, sondern nur „den Schmerz der rumänischen Farmer“ zum Ausdruck
       bringen wollen. Von Rücktritt war nicht die Rede.
       
       31 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR William Totok
       
       ## TAGS
       
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