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       # taz.de -- Ehrengrab für Benno Ohnesorg: Späte Ehre
       
       > Der Bezirksrat Hannover-Bothfeld will ein Ehrengrab für Benno Ohnesorg.
       > Die Linke im Stadtrat fordert zugleich, dass das Ehrengrab von Gustav
       > Noske aufgegeben wird.
       
   IMG Bild: Noch fehlt die Ehre: Das Grab von Benno Ohnesorg
       
       BREMEN taz | Die Grabstelle von Benno Ohnesorg auf dem Hannoveraner
       Stadtteilfriedhof Bothfeld soll zum Ehrengrab erklärt werden. Das hat der
       Bezirksrat Bothfeld auf Antrag der SPD-Fraktion einstimmig beschlossen. Die
       endgültige Entscheidung darüber muss allerdings der Stadtrat fällen. Dessen
       Linksfraktion hat sich bereits zu Wort gemeldet: Sie begrüße einhellig den
       Plan, Ohnesorg auf diese Weise zu würdigen, fordere die Stadtverwaltung
       aber gleichzeitig auf, das Ehrengrab für Gustav Noske aufzugeben.
       
       Noske war 1919 als SPD-Volksbeauftragter für Heer und Marine verantwortlich
       für die Niederschlagung des sogenannten „Spartakusaufstandes“, bei der auch
       Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden. Außerdem verantwortet
       er die Niederschlagung der Berliner Märzkämpfe, bei denen viele
       Spartakisten getötet wurden. Noskes Weisung lautete: „Jede Person, die mit
       der Waffe in der Hand, gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird,
       ist sofort zu erschießen.“
       
       Noske unterstützte die deutsche Kolonialpolitik, teilte den
       Antibolschewismus der Militärs und ließ den von der Reichswehr
       unterstützten Freikorps weitgehend freie Hand bei ihren brutalen
       Niederschlagungen von Streiks und kommunistischen Aufständen. Von
       politischen Gegnern bekam er den Beinamen „Bluthund“ oder „Blutnoske“.
       
       Nachdem er nach dem „Kapp-Putsch“ 1920 zum Rücktritt gezwungen wurde, bekam
       Noske bei der SPD kein Bein mehr auf die Erde. Auch nach dem Krieg nicht,
       den er trotz mehrmonatiger Inhaftierung wegen Verbindungen zu Beteiligten
       des Hitler-Attentats am 20. Juli 1944 in einer Außenstelle des
       Konzentrationslagers Ravensbrück überlebte. Bis zu seinem Tod im Jahr 1946
       blieb Noske innerhalb der SPD umstritten – und ist es bei vielen
       GenossInnen im linken Parteiflügel bis heute.
       
       „Wir haben bereits im Februar den Vorschlag eingebracht, das Ehrengrab für
       Noske aufzugeben“, sagt Dirk Machentanz, Vorsitzender der linken
       Stadtratsfraktion. „Aber das wurde im Umweltausschuss von allen
       Ampel-Abgeordneten abgelehnt.“ Ein Piraten-Abgeordneter sei von Seiten der
       SPD sogar „in sehr aggressivem Ton als Kommunist beschimpft worden.“
       
       Es sei ihm wichtig, sagt Machentanz, dass Ohnesorg ein Ehrengrab erhalte:
       „Ich gehe auch davon aus, dass der Stadtrat dem zustimmen wird – aber wir
       wollen in Form eines Änderungsantrags die Debatte nutzen, um auch unsere
       Forderung noch einmal vorzubringen.“
       
       Vom Vorstoß der Linken weiß Claudia Heinrich, Fraktionsvorsitzende der SPD
       im Bezirksrat Bothenfeld, nichts. „Hier sollte nicht einer gegen den
       anderen ausgespielt werden“, sagt sie: „Hier geht es ausschließlich um das
       Grab Benno Ohnesorgs.“
       
       ## Wichtige Würdigung
       
       Die Erschießung des 1940 in Hannover geborenen Ohnesorgs durch den
       Polizisten Karl-Heinz Kurras bei einer Demonstration gegen den Schah-Besuch
       in Berlin am 2. Juli 1967 wurde bis heute nicht angemessen aufgearbeitet.
       Es gab nie eine Entschädigung für die Familie, nie eine Entschuldigung des
       Berliner Senats. Der 2014 verstorbene Todesschütze Kurras gilt bis heute
       als unschuldig. Ohnesorgs Sohn Lukas hatte der Berliner Polizei 2017 die
       Ermordung seines Vaters und die Vertuschung der Tat vorgeworfen.
       
       „Gerade für die Familie Ohnesorgs wäre deswegen die Würdigung in Form eines
       Ehrengrabs sehr wichtig“, sagt Heinrich. Daneben will sie verhindern, dass
       sein Grab eines Tages eingeebnet wird: „Das geht nicht, denn hier ist ein
       Ort, an dem man sich an ein sehr wichtiges Stück deutscher Geschichte
       erinnern kann“, sagt sie.
       
       ## Wohlwollende Betrachtung
       
       Das sieht auch die SPD-Ratsherrin Christine Kastening so: „Der Tod
       Ohnesorgs hat die Studentenbewegung der 68er maßgeblich geprägt – das ist
       historisch eine wichtige Zeit.“ Deswegen werde man sich „den Antrag
       wohlwollend anschauen“. Mehr könne sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen,
       da die Ratsperiode erst in der übernächsten Woche wieder beginne. Auch zum
       Linken-Vorschlag sagt sie nur: „Ich kenne ihn nicht und muss mich da erst
       einarbeiten.“
       
       Zur Zeit gibt es in Hannover 70 Ehrengräber, deren Pflege von der Stadt
       übernommen wird. Mit der Aufnahme in die Liste der Ehrengräber stünde Benno
       Ohnesorg in einer Linie mit Kurt Schumacher und Kurt Schwitters – und mit
       Gustav Noske. Zumindest noch.
       
       2 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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