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       # taz.de -- Gerichtsurteil zur Deutschlandfahne: Schwarz-rot-gelbe Umgangsformen
       
       > Was darf man warum mit Nationalfahnen machen – und was nicht? Nach dem
       > Urteil des Berliner Kriminalgerichts analysiert die taz die Rechtslage.
       
   IMG Bild: Der Umgang mit der Nationalfahne ist gesetzlich genau geregelt
       
       Freiburg taz | Die schwarz-rot-goldene Fahne darf nicht verunglimpft
       werden. Auf den ersten Blick ist dabei vieles strafbar. Im konkreten Fall
       muss aber immer mit den Grundrechten, vor allem der Meinungsfreiheit,
       abgewogen werden.
       
       Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hatte am Dienstag einen 38-Jährigen zu
       einer Geldstrafe von 2.500 Euro (50 Tagessätze) verurteilt ([1][siehe taz
       vom Mittwoch]). Er hatte an seinem Arbeitsplatz eine Deutschlandfahne
       aufgehängt, bei der der goldene Streifen abgeschnitten war, und Bilder
       davon ins Internet gestellt.
       
       Die „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ ist in Deutschland
       unter Strafe gestellt ([2][Paragraf 90a des Strafgesetzbuchs]). Es drohen
       Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren, wobei es in der Praxis wohl stets
       Geldstrafen gibt. Im Jahr 2016 gab es bundesweit sieben Verurteilungen
       wegen dieses Delikts.
       
       ## Schutz staatlicher Symbole
       
       Wenn es um Fahnen geht, ist verschiedenes strafbar: Öffentlich gezeigte
       Fahnen dürfen nicht zerstört und beschädigt werden. Auch darf kein
       „beschimpfender Unfug“ mit ihnen getrieben werden. Wer die Fahne öffentlich
       aufgehängt hat – der Staat oder Privatpersonen – ist dabei egal.
       
       Aber auch mit seinen eigenen Fahnen darf man nicht tun und lassen, was man
       will. Denn als staatliches Symbol sind die Flagge, das Wappen und die
       Nationalhymne davor geschützt, dass sie „verunglimpft“ werden.
       
       Das gilt sogar für die deutschen „Farben“, also das Design
       „Schwarz-Rot-Gold“. Geschützt sind damit also auch
       Autorückspiegelüberzieher in den Nationalfarben und sogar schwarz-rot-gold
       gestrickte Socken (wenn die Farbanordnung stimmt).
       
       Als „Verunglimpfung“ bezeichnet man, wenn die Flagge oder die Farben
       beschimpft oder verächtlich gemacht werden. Dies muss entweder öffentlich
       oder in einer Versammlung oder „in einer Schrift“ geschehen, wobei auch das
       Internet genügt. Wer seine Flagge im eigenen Hinterhof beschmutzt, macht
       sich also, ganz unabhängig von der Intention, nie strafbar.
       
       ## Interpretation durch das Gericht
       
       Nun hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe diese recht weite
       Strafvorschrift inzwischen einschränkend ausgelegt. So stehen die Farben
       „Schwarz-Rot-Gold“ nicht für den Staat an sich, sondern für die
       freiheitlich-demokratische Grundordnung, also für Demokratie, Rechtsstaat
       und Schutz der Menschenwürde. Wer auf der deutschen Fahne herumtrampelt,
       weil er sich über die Leistung der Fußball-Nationalmannschaft der Männer
       geärgert hat, macht sich also nicht strafbar.
       
       In einem Beschluss von 1990 hat Karlsruhe auch die Bestrafung wegen einer
       Collage verhindert, bei der ein Mann scheinbar auf eine deutsche Fahne
       uriniert. Hier sei es um die Kritik an der Militarisierung des Staates und
       den Missbrauch der Fahne bei öffentlichen Vereidigungen gegangen, nicht um
       Kritik an der Demokratie an sich.
       
       In einer Entscheidung von 2008 beanstandete das Bundesverfassungsgericht
       die Verurteilung eines Rechtsradikalen, der die Bundesflagge mit den Worten
       „Schwarz-Rot-Senf“ beschrieb. Dabei habe er zwar auf republikfeindliche
       Hetzparolen der Weimarer Republik Bezug genommen. Es sei jedoch fraglich,
       ob das heute noch jemand verstehe.
       
       Die wichtigste Einschränkung des Verfassungsgerichts ist jedoch der Verweis
       auf die Funktion der Grundrechte der Meinungs- und Kunstfreiheit.
       Machtkritik und Kritik am Staat müssten immer möglich bleiben. Der Schutz
       staatlicher Symbole dürfe nicht genutzt werden, um den Staat gegen Kritik
       zu immunisieren. Im Einzelfall müsse deshalb immer der Symbolschutz mit den
       Grundrechten abgewogen werden. Insofern kommt es also immer darauf an, was
       der jeweilige „Täter“ mit seiner Aktion ausdrücken wollte.
       
       Der verurteilte Berliner nahm auf den Aufruf „Cut out the gold“ Bezug, bei
       dem die deutsche Fahne so beschnitten werden sollte, dass am Ende die
       anarchistischen Farben Schwarz und Rot übrig bleiben sollten. Der Aufruf
       war verbunden mit Kritik am deutschen Nationalismus. Insofern ist gut
       vorstellbar, dass die Verurteilung des Berliners in höheren Instanzen,
       spätestens beim Bundesverfassungsgericht, wieder aufgehoben wird. Bei der
       Abwägung zwischen Strafgesetzen und Meinungsfreiheit prüft das
       Verfassungsgericht stets besonders penibel. Die Anwältin des Manns hat
       bereits Rechtsmittel angekündigt.
       
       1 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Strafe-fuer-Flaggen-Kuerzung/!5520585
   DIR [2] https://www.bundestag.de/blob/508880/4c55cd109ca117955badd1b4d2381e1d/verunglimpfung-des-staates----data.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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