# taz.de -- Der Anwalt von Sami A. über den Fall: „Das wurde heimlich vorbereitet“
> Der Anwalt des abgeschobenen Tunesiers Sami A. erhebt schwere Vorwürfe
> gegen Deutschland. Es gebe inoffizielle Absprachen mit Tunesien, vermutet
> Seif Eddine Makhluf.
IMG Bild: Der Flughafen von Tunies – hier sollte Sami A. bald wieder in ein Flugzeug steigen
taz: Herr Makhluf, was halten Sie von den Vorwürfen gegen Ihren Mandanten
Sami A.?
Seif Eddine Makhluf: Die Anklage in Deutschland ergibt für mich keinen
Sinn. Das Verfahren in Deutschland wurde eingestellt. [1][Dennoch wollte
man Sami loswerden]. Mich überrascht es, dass deutsche Behörden mit
Methoden vorgehen, gegen die ich hier in Tunesien seit Jahren kämpfe. Wäre
ich deutscher Bürger, hätte ich den Innenminister bereits angezeigt, da der
klare Beschluss des Gerichts nicht umgesetzt wurde. Mein Mandant konnte vor
der Abschiebung mit einem für 33.000 Euro gecharterten Privatjet
nachweisen, dass die Gerichtsentscheidung am nächsten Tag ansteht. Doch man
glaubte ihm nicht. Die Abschiebung wurde heimlich und zusammen mit den
tunesischen Behörden vorbereitet, da die Vorwürfe des Terrorismus nicht
bewiesen werden konnten.
Wie wurde Ihr Mandant während der Verhöre in dem Gurjani-Gefängnis
behandelt?
Mein Mandant ist von seinen vier Kindern getrennt. Das allein ist psychisch
belastend. In den Verhören musste mein Mandant bis zu 48 Stunden
stillsitzen, hat nur selten etwas zu essen bekommen, kaum geschlafen und
wurde bedroht. Das alles zusammen erfüllt die Definition von Folter. Die
Unterbringung in dem Gefängnis Gurjani ist auch unter hygienischen
Gesichtspunkten eine Katastrophe. In Gurjani ist körperliche Gewalt gegen
Gefangene an der Tagesordnung.
Was wirft man Sami A. in Tunesien vor?
Die Ermittlungen laufen noch, aber die Behörden haben meines Wissens nichts
gegen ihn in der Hand. Schon dass man meinen Mandanten in Deutschland als
ehemaligen Leibwächter von Osama bin Laden bezeichnet, ist ein Skandal.
Hätte Sami A. tatsächlich persönlich Zugang zu bin Laden gehabt, hätten ihn
die deutschen oder amerikanischen Behörden nicht nach Tunesien abgeschoben,
sondern weiter verhört. Er war in seinem Leben nur insgesamt vier Monate
lang außerhalb Tunesiens und Deutschlands. Wie kann er Leibwächter bin
Ladens gewesen sein?
Können Sie ausschließen, dass sich Sami A. im engen Umfeld bin Ladens
bewegte?
Nein, das alles ist lange her und ich kannte meinen Mandanten damals nicht.
Hundertprozentig kann ich persönlich es nicht beweisen. Aber ich habe alle
mir vorliegenden Details des Ermittlungsverfahrens angeschaut, zum Beispiel
seine Reisen der letzten Jahre. Das passt nicht zusammen und daher wurde
das Verfahren in Deutschland vor vier Jahren eingestellt. In der
Anklageschrift steht auch nichts von bin Laden. Auch der Vorwurf der
Gründung einer terroristischen Vereinigung hat sich nicht bestätigt.
Was erwarten Sie jetzt von den deutschen Behörden?
Der tunesische Pass meines Mandanten ist abgelaufen. Wir werden nun einen
neuen Pass für ihn beantragen. Die deutsche Botschaft muss ihm dann ein
Visum oder ein anderes Dokument ausstellen, mit dem er nach Deutschland
einreisen kann. [2][Noch hat sich aber niemand in Deutschland für seine
Rückkehr eingesetzt]. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass die deutschen
Behörden derart klar außerhalb des Gesetzes agieren. Hier in Tunesien
gelten deutsche Institutionen als beispielhaft.
Arbeiten die deutschen und tunesischen Behörden zusammen?
Das Innenministerium in Berlin hat ganz offensichtlich schon lange vor der
eigentlichen Abschiebung Informationen an die tunesischen Kollegen
geschickt. Das war auch bei anderen meiner Mandanten der Fall. Von
deutscher Seite wird darüber geschwiegen. Es gibt wohl ein heimliches
Abkommen zwischen den Innenministerien beider Länder. 2017 sind 254
Tunesier wegen aus meiner Sicht oft unbewiesenen Anschuldigungen
ausgeflogen worden. 2018 sind es 255 Fälle, Dutzende Familien wurden
getrennt. Bei denen hätte man zumindest kompromissbereit sein können.
1 Aug 2018
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## AUTOREN
DIR Mirco Keilberth
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