URI: 
       # taz.de -- Flatrate für Sportangebote: Heute Yoga, morgen Golf
       
       > Der Berliner Urban Sports Club macht es möglich, deutschlandweit über 50
       > Sportarten zu einem Festpreis zu betreiben. Was bedeutet das für den
       > Sport?
       
   IMG Bild: Einfach mal ausprobieren
       
       Berlin taz | Als Moritz Kreppel und Benjamin Roth auf diese große Idee
       kommen, die ein Stück Sportwelt verändern wird, spielen sie noch beide im
       Fußballverein. „Klassisch zwei bis drei Mal die Woche Training“, sagt
       Moritz Kreppel heute. „Und irgendwann geht es halt nicht mehr, man arbeitet
       zu viel, hat nicht mehr so viel Zeit.“ Benjamin Roth hat zu dem Zeitpunkt
       schon ein kleines Start-up, bei dem man sich frei zum Fußball verabreden
       kann. Diese Idee spinnen sie weiter. Was wäre, wenn man vereinsunabhängig
       zu einem Festpreis überall zum Sport könnte? Heute Yoga, morgen Klettern,
       am Wochenende Schwimmen oder Golf oder Wasserski? Wann immer, wo immer man
       möchte?
       
       Fragt man Kreppel, ob ihre Idee vor zwanzig Jahren funktioniert hätte,
       sagt er: Nein, wahrscheinlich nicht. Weil die Technik noch nicht so weit
       war, weil noch niemand an Apps oder Firmensport dachte. Und weil die Idee
       einen Zeitgeist trifft. „Das Leben ist hektischer geworden“, sagt er. „Man
       möchte flexibler sein, sich weniger festlegen, mehr Vielfalt.“
       
       Heute residiert der Urban Sports Club (USC), gegründet 2013, in frisch
       bezogenen Räumen in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die Zentrale ist ein
       Wimmelbild eines Start-up-Klischees, mit Tischtennisplatte und Snack-Raum,
       junger Crew, ironischen Postkarten und hektischen Konferenzen. Und in einem
       stillen Raum sitzt Moritz Kreppel, passionierter Hobbysportler, einer, der
       glaubwürdig klingt, wenn er sagt: „Das hier ist mein Traumjob.“
       
       Für 29 Euro können Mitglieder des USC einmal die Woche zu einem Sport ihrer
       Wahl gehen; 59 Euro kostet es, unbegrenzt oft fast überallhin zu gehen.
       Sie schließen einen Vertrag mit dem USC, und der USC kooperiert mit
       Sportanbietern, die einen Teil der Beiträge bekommen.
       
       ## Expansion des Anbieters
       
       Ökonomisch ist das eigentlich unsinnig: Eine Mitgliedschaft in einem
       Sportverein kostet durchschnittlich 12 bis 17 Euro; statt der 59-Euro-Flat
       wären also locker vier Vereinsmitgliedschaften parallel drin. Aber
       Flexibilität und die Chance zum Probieren zieht Menschen an. Die
       Kernklientel der Kunden sei zwischen 25 und 40 Jahre alt, erklärt Kreppel.
       „Meist testen die Leute viel und finden dann ein bis drei Sportarten, bei
       denen sie bleiben.“
       
       Die Berliner haben bereits fast alle innerdeutschen Konkurrenzmodelle mit
       ähnlicher Idee geschluckt, auch mithilfe millionenschwerer Investoren wie
       etwa Holtzbrinck Ventures, die auch in Zalando und Flixbus investierten.
       
       Aktuell kooperiert man nach eigenen Angaben mit über 2.000 Standorten aus
       über 50 Sportarten, Yoga-Studios, Kampfsportzentren, auch Vereinen wie den
       Reinickendorfer Füchsen. Seit Kurzem gibt es den USC sogar in Paris, mehr
       Ausland soll folgen, halb Berlin haben sie bereits, 593 Standorte. Was
       macht das mit dem Sport?
       
       Das Fenriz Trainingszentrum für Kampfsport liegt in Berlin-Kreuzberg. Es
       ist eine schicke Halle mit roten und grauen Matten, und der Kurs auf
       Englisch in Brazilian Jiu Jitsu (BJJ) ist auch morgens gut besucht, den
       Kreuzberger Expats sei Dank. Ulf Fritzmann, Mitgründer von Fenriz, sitzt am
       Rand und sagt: „Wir sind sehr zufrieden.“
       
       ## Mannschaftssport im Nachteil
       
       Bescheiden ging die Kooperation Anfang 2016 los, dann sei die Zahl der
       zusätzlichen Teilnehmer durch den USC rapide gestiegen. Mittlerweile seien
       es etwa fünfmal so viele Sportler wie am Anfang, mehrere hundert Besuche im
       Monat. Fenriz ist glücklich: Der USC nimmt ihnen teilweise Werbung ab,
       spült neue Sportler an. Besonders populär unter ihnen ist das reine
       Fitnessangebot mit 50 Prozent, 30 Prozent wollen zu BJJ, 20 Prozent zu
       Mixed Martial Arts und Muay Thai. Finanziell funktioniert das Konzept,
       solange die Neuen nicht überhandnehmen und Vollzahler verdrängen.
       
       Der USC schafft Sportarten neue Möglichkeiten, sich zu präsentieren. Es
       kommen Neugierige, die sonst nicht gekommen wären, und oft bleiben sie.
       Manchmal steigen sie sogar um. „Wenn sich jemand ernster für Kampfsport
       interessiert, wird er bei uns Mitglied, weil er mehr Training haben will“,
       sagt Ulf Fritzmann. Eine Symbiose, von der beide Seiten profitieren. Nur
       eine Gruppe macht sich Sorgen: die der traditionellen
       Mannschaftssportvereine.
       
       Laut jüngster Studien ist Deutschland der stärkste Fitnessmarkt Europas,
       mit über 10 Millionen Mitgliedern, und der mit dem größten Wachstum. Ende
       2016 waren erstmals die Mehrheit dieser Mitglieder in Fitnessketten
       organisiert. Sportvereine tun sich mit dieser Zukunft bislang schwer.
       Mannschaftssport im normalen Ligasystem lässt sich für Akteure wie den
       Urban Sports Club kaum integrieren. „Wir leben von der Flexibilität“, sagt
       Moritz Kreppel. Feste Wochenendspiele, Teambuilding, gemeinsame
       Weiterentwicklung passen nicht ins Konzept.
       
       „Der Landessportbund, die Verbände und Vereine wissen natürlich, dass
       außerhalb des organisierten Sports viel passiert. Der Urban Sports Club ist
       ein Beispiel von vielen anderen“, sagt Angela Baufeld, Pressesprecherin
       beim Landessportbund (LSB). „Die Vereine stellen sich selbstbewusst auf den
       gesellschaftlichen Wandel ein.“ Kürzlich hat der LSB die Diskussionsreihe
       „Sport, Vereine, Zukunft: Berlin“ initiiert und selbst gefragt, wie
       zukunftsfähig das Modell Sportverein noch ist. Von den neuen Anbietern
       wollen sie lernen: mehr Flexibilität, mehr Trendsport, neue
       Mitgliedschaftsmodelle. Vielleicht profitieren am Ende alle.
       
       „Durch die große Bedeutung des informellen und auch des kommerziellen
       Sports muss der Verein nicht zwangsläufig leiden“, bilanzierte bei der
       Diskussionsreihe des LSB zumindest der Sportwissenschaftler Christoph
       Breuer. „Wir sehen heute hybride Sportkonsumenten.“ Der Urban Sports Club
       betont nach außen friedliche Koexistenz. Kreppel sagt: „Wir wollen und
       werden den Verein nicht ersetzen. Er hat weiter eine klare Klientel: Leute,
       die eine Sportart intensiv betreiben möchten. Daran wird sich nichts groß
       ändern.“
       
       Moritz Kreppel freut sich auf die Zukunft. Nur für eins hat er durch den
       USC irgendwie nur noch wenig Zeit: Sport. Also geht er zum Functional
       Training in der Nähe des Büros, am Wochenende zum Fitness, ab und zu
       Schwimmen, ab und zu Yoga. „Es ist nicht einfach“, sagt Moritz Kreppel und
       lächelt. „Aber ohne den Urban Sports Club wäre es noch viel schwieriger.“
       
       3 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
       ## TAGS
       
   DIR Sportverein
   DIR Flatrate
   DIR Selbstoptimierung
   DIR Fitnessstudio
   DIR Sport
   DIR Kolumne Eingelocht
   DIR Yoga
   DIR Geflüchtete
   DIR Frauen-WM 2019 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neoliberale Fitnessangebote: Dehnen ist nichts für Gewinner
       
       Das Fitness-Startup Beat81 bietet maximal effizientes Zirkeltraining. Im
       Zentrum stehen Quantifizierung, Selbstoptimierung und Anonymität.
       
   DIR Urban Sports Club und Co.: Viel Andrang, wenig Einnahmen
       
       Der Trend zu Abomodellen verändert den Sportmarkt und bedroht die Existenz
       von Studios. Vermittlungsplattformen locken mit extrem günstigen Angeboten.
       
   DIR Hamburger Verein Sportspaß in der Krise: Zu wenig App, Look and Feel
       
       Hamburgs großer Freizeitsportverein „Sportspaß“ schreibt rote Zahlen. Der
       Klub kommt bei jungen Menschen nicht an – die greift ein Berliner Start-up
       ab.
       
   DIR Eine Golf-Kolumne? In der taz!?: Eben drum!
       
       Das ist ja schlimmer als Bundeswehranzeigen oder ein einzig lobend Wort für
       die Klimamörder von RWE. Ist Golf Schnöselsport, nur für Reiche?
       
   DIR 40 Jahre taz: Konflikte entschärfen: Yoga kann politisch sein
       
       Yoga fängt mit simpler Gelenkgymnastik an. Doch wenn wir loslassen können,
       hilft das auch bei der Lösung von Konflikten – nicht nur im Privaten.
       
   DIR Sport als Integrationshilfe: Treffpunkt Hoffnung
       
       Auf dem Indoor-Sportplatz Tentaja im ehemaligen Flughafen Tempelhof
       trainieren neben Alteingesessenen vor allem Geflüchtete.
       
   DIR Generationswechsel im Fußball: Jugend allein macht keinen Titel
       
       Fußballmannschaften müssen sich verjüngen. Für einen Erfolg braucht es
       allerdings mehr – eine sinnvolle Anpassung der Taktik an das Alter.
       
   DIR Frauenfußball in Berlin: Mädels, ran an den Ball!
       
       Dem Frauen- und Mädchenfußball wurde ein großer Boom prophezeit. Aber die
       Entwicklung an der Basis stockt. Es fehlen die Vorbilder.