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       # taz.de -- Gerichtsverfahren nach zehn Jahren: Armeniens Ex-Präsident in U-Haft
       
       > Im Jahr 2008 ließ Robert Kotscharjan mehrtägige Proteste gegen
       > Wahlfälschung brutal niederschlagen. Nun wird er zur Verantwortung
       > gezogen.
       
   IMG Bild: Ex-Präsident Robert Kotscharjan bezeichnet die Vorwürfe gegen ihn als „Rachefeldzug“
       
       ## Das Neue 
       
       Armeniens früherer Staatspräsident Robert Kotscharjan befindet sich seit
       einigen Tagen in Untersuchungshaft. Ihm wird ein versuchter Umsturz der
       verfassungsmäßigen Ordnung in Armenien vorgeworfen. Die Anschuldigungen
       beziehen sich auf den Februar 2008. Damals hatten [1][Menschen nach der
       Präsidentschaftswahl zehn Tage lang gegen Wahlbetrug protestiert].
       Kotscharjan, der nach zehnjähriger Amtszeit nicht mehr selbst hatte
       antreten können, ließ diese Proteste von Sicherheitskräften brutal
       niederschlagen. Dabei wurden zehn Menschen getötet und mehr als 200
       verletzt.
       
       ## Der Kontext 
       
       Dass die Vorfälle nun, zehn Jahre später, ein juristisches Nachspiel haben,
       hat wohl mit dem jüngsten Machtwechsel in Armenien zu tun: Im vergangenen
       Mai trat der weithin als korrupt geltende Regierungschef Sersch Sargsjan
       nach wochenlangen Protesten zurück. [2][Sein Nachfolger ist Nikol
       Paschinian]. Der frühere Aktivist war 2010 im Zusammenhang mit den
       Ereignissen von 2008 wegen Aufwiegelung zu Massenunruhen zu sieben Jahren
       Haft verurteilt worden, von denen er 24 Monate absaß.
       
       Kotscharjan ist nicht der Einzige, dem nun ein Gerichtsverfahren droht:
       Seit Juli liegt ein Haftbefehl gegen den ehemaligen General Mikael
       Harutiunian, der 2008 Verteidigungsminister war und sich derzeit in
       Russland aufhält, vor. Ihm werden illegaler Einsatz der Armee sowie Umsturz
       der verfassungsmäßigen Ordnung vorgeworfen. Wegen „Untergrabung der
       öffentlichen Ordnung“ wurde auch Juri Chachaturow festgenommen. Der
       damalige Befehlshaber der Truppen in der Hauptstadt Jerewan ist derzeit
       Armeniens Vertreter in dem von Russland geführten Militärbündnis
       Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS).
       
       ## Die Reaktionen 
       
       Kotscharjan bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als „politische
       Verfolgung“ und „Rachefeldzug“. Das Ziel sei, ihn von den bevorstehenden
       Parlamentswahlen fernzuhalten. – Auch Russland meldete sich zu Wort.
       Außenminister [3][Sergej Lawrow] zeigte sich beunruhigt über die „politisch
       motivierten Schritte“ der armenischen Führung gegenüber ehemaligen
       führenden Vertretern des Staates. Das entspreche nicht den Ankündigungen
       der neuen Machthaber.
       
       ## Die Konsequenz 
       
       Seit dem [4][Machtantritt Paschinians] ist viel zu wenig Zeit vergangen, um
       das Justizwesen reformieren zu können. Die bevorstehenden Prozesse könnten
       daher in der Gesellschaft eher als eine Art Siegerjustiz wahrgenommen
       werden, anstatt zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit beizutragen.
       Aufhorchen lassen auch die Reaktionen Russlands. Bisher hat sich Moskau
       nach dem armenischen Machtwechsel auffallend zurückgehalten. Ob das so
       bleibt, ist fraglich. Mehrere Tausend russische Soldaten sind in Armenien
       stationiert. Auch in zentralen Wirtschaftszweigen ist das Land nahezu
       vollständig von Russland abhängig.
       
       2 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.welt.de/politik/article1745804/In-Armenien-herrscht-jetzt-Ausnahmezustand.html
   DIR [2] /!t5504461/
   DIR [3] /!5504875/
   DIR [4] /!5504247/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
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