URI: 
       # taz.de -- Nutzlose Atommüll-Verpackungsanlage: Die stille Fabrik im Gorlebener Wald
       
       > 400 Millionen Euro hat eine Verpackungsanlage für Atommüll nahe Gorleben
       > gekostet. Die sinnlose Fabrik läuft für fünf Millionen jährlich im
       > Stand-by.
       
   IMG Bild: Atomkraftgegner*innen kletterten 1997 auf die Baustelle der Pilotkonditionierungsanlage
       
       GÖTTINGEN taz | Wer von den Atomanlagen in Gorleben redet, meint meist
       [1][die beiden umstrittenen Zwischenlager] – eines für Castor-Behälter mit
       hoch radioaktivem Müll, das andere für schwach- und mittelaktive Abfälle.
       Auch Gemeint sein könnte noch [2][das Erkundungsbergwerk für das Endlager].
       
       Von der Öffentlichkeit allerdings weitgehend unbeachtet wurde im Gorlebener
       Wald vor Jahrzehnten aber noch eine weitere Fabrik hochgezogen: die
       Pilotkonditionierungsanlage (PKA). Das Bauwerk könnte, ähnlich wie der
       schnelle Brüter in Kalkar oder der Hochtemperaturreaktor in Hamm, zu einem
       weiteren Mahnmal gescheiterter Atompolitik werden.
       
       Im Frühjahr 1990 war der erste Spatenstich für die PKA erfolgt, rund 400
       Millionen Euro kostete der Bau. Zehn Jahre später erteilte das
       niedersächsische Umweltministerium die Betriebsgenehmigung. In der Fabrik
       sollten probeweise abgebrannte Brennstäbe aus den großen und schweren
       Castoren in kleinere Behälter umverpackt, also für eine direkte Endlagerung
       „konditioniert“ werden. Die PKA als Versuchs- und Erprobungsanlage zur
       Herstellung „endlagerfähiger Gebinde“ – so beschrieb die bis vor Kurzem für
       die Anlage verantwortliche Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) damals den
       Nutzungszweck.
       
       In Betrieb ging die Fabrik jedoch bis heute nicht. Zwischenzeitlich hat
       sich der Arbeitsauftrag nämlich erledigt. Er ergibt nur einen Sinn, wenn in
       Gorleben gleichzeitig das zentrale Endlager für Atommüll eingerichtet wird.
       Von dieser Festlegung hat die Bundesregierung offiziell Abstand genommen.
       Das zuletzt 2017 novellierte Standortauswahlgesetz sieht ein völlig neues
       Suchverfahren auf einer „weißen Landkarte“ vor, in dem weder das
       Wirtsgestein noch der Lagerungsort feststehen.
       
       ## Der Fleck auf der Landkarte
       
       Die Landkarte hat mit Gorleben allerdings schon einen dicken Fleck, denn
       der dortige Salzstock wurde als einziger Ort bereits ausführlich
       untersucht. Umweltschützer aus der Region sagen, dass dort unter dem
       Deckmantel der Erkundung bereits ein Endlager weitgehend fertig gebaut
       wurde.
       
       Die PKA brauchte also eine neue Daseinsberechtigung. Und so erklärten
       Politik und Betreiber die Fabrik als Service- und Reparaturstation für
       defekte Castor-Behälter aus dem benachbarten Zwischenlager für
       unverzichtbar. So steht es auch in der Betriebsgenehmigung für das Lager.
       
       ## Erhebliches Gefahrenpotenzial
       
       Die Atomgegner brachte das auf die Palme: „Wenn die Behälter unsicher sind,
       dürfen sie gar nicht benutzt werden“, erboste sich schon vor Jahren die
       Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Und wenn eine solche
       Reparatureinrichtung wirklich notwendig wäre, müssten auch an anderen
       Zwischenlagern für hoch radioaktiven Müll ähnliche Anlagen gebaut werden.
       
       Gleichzeitig machte die BI auf das ihres Erachtens erhebliche
       Gefahrenpotenzial der Anlage aufmerksam. Über den 60 Meter hohen
       Schornstein und eine spätere Pipeline zur Elbe könnten größere Mengen
       Radioaktivität in die Umwelt gelangen.
       
       So weit kam es allerdings nicht. Die PKA nahm nie den sogenannten „heißen
       Betrieb“ auf, offiziell aufgegeben wurde aber auch das Reparaturkonzept
       nicht. Der ursprüngliche Konditionierungsbetrieb in der PKA sei allerdings
       nicht mehr vorgesehen, sagt Tobias Schmidt von der bundeseigenen
       Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) der taz. Sie übernahm die PKA vor
       einem Jahr im Zuge der Neuordnung der Verantwortlichkeiten in der
       Atommüllpolitik: Für eine mögliche Behälterreparatur sei die PKA aber
       „weiterhin im Stand-by-Betrieb“.
       
       ## Veraltete Technik
       
       Gleichzeitig, so Schmidt, prüfe die BGZ Alternativen für die Wartung und
       Inspektion der Gorlebener Castoren. Ein Indiz, dass der Betreiber die
       Anlage möglichst bald loswerden oder stilllegen möchte. Denn alleine der
       Stand-by-Betrieb der PKA verursacht jedes Jahr Kosten von fünf Millionen
       Euro.
       
       Die BI verweist zudem darauf, dass die Technik der vor fast 30 Jahren
       gebauten Fabrik inzwischen völlig veraltet ist. Die PKA, sagt ein Sprecher
       der Initiative, „hat sich erledigt.“
       
       3 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zwischenlagerung-von-Atommuell/!5433494
   DIR [2] /Atommuell-Endlager-in-Gorleben/!5471674
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Fischer
       
       ## TAGS
       
   DIR Gorleben
   DIR Atommüll
   DIR Endlagersuchkommission
   DIR Endlagersuchgesetz
   DIR Endlagersuche
   DIR Endlagerfrage
   DIR Atommüllendlager
   DIR Atommüll
   DIR Anti-Atom-Bewegung
   DIR Gorleben
   DIR Atommüllendlager
   DIR Atommüllentsorgung
   DIR Atommüll
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Anti-Atom-Bewegung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Endlager für Atommüll: Scheitert die Suche am Datenschutz?
       
       Die Suche nach einem Atommüllendlager stockt, weil private Firmen auf der
       Geheimhaltung von Geodaten bestehen. Abhilfe soll ein Gesetz schaffen.
       
   DIR 40 Jahre taz: Rebecca Harms und Gorleben: „Ein Riesenerfolg für den Widerstand“
       
       Rebecca Harms, langjährige Europa-Abgeordnete der Grünen aus
       Lüchow-Dannenberg, blickt auf über 40 Jahre politische Arbeit zurück.
       
   DIR Atommüll in Deutschland: Das Endlager ist nicht vom Tisch
       
       In Gorleben ist es ruhig geworden. Geschlossen werden die Erkundungschächte
       aber nicht – der Bund sucht einen Standort.
       
   DIR Finanzierung der Atommüll-Endlager: Fonds schrumpft um Millionen
       
       Eigentlich sollte das Vermögen des Fonds Überschüsse für die Finanzierung
       der Atomlagerung abwerfen. Dank Negativzinsen verringert es sich aber.
       
   DIR Protest von AKW-Gegnern: Lieber Schacht Asse als Konrad
       
       AKW-Gegner wollen gegen Schacht Konrad protestieren. Sie nennen die Pläne
       für das Atomlager „absurd“ und fordern einen Neubau in der Asse.
       
   DIR Atommüll-Endlager in Gorleben: Schlafen gelegt, nicht beerdigt
       
       In Gorleben sind die Lichter aus. Nach 40-jähriger Erkundung ist der
       Betrieb heruntergefahren worden – in den Stand-by-Modus.
       
   DIR Suche nach Atommüll-Endlager: Jobs für die Ewigkeit
       
       Um ein Atommüll-Endlager zu suchen, wurden neue Behörden und Unternehmen
       geschaffen. Die kämpfen jetzt um Einfluss und Mitarbeiter.
       
   DIR Schlechtes Zeugnis für Rot-Grün: Enttäuschte Initiativen
       
       Niedersachsens Anti-Atom-Initiativen vermissen Fortschritte bei der
       Atomaufsicht und bei der Endlagersuche.