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       # taz.de -- Journalisten in Zentralafrika getötet: Gefährliche kremlkritische Recherchen
       
       > Drei russische Journalisten wurden in Zentralafrika erschossen. Sie
       > recherchierten über dubiose Geschäfte einer russischen Sicherheitsfirma.
       
   IMG Bild: Nicht mehr am Leben: die drei russischen Rechercheure
       
       Kampala taz | Ihre Oberkörper sind gespickt mit Einschusswunden. Zwei
       direkt ins Herz, die andere etwas tiefer. Die Fotos auf
       Nachrichtenwebseiten aus der Zentralafrikanischen Republik zeigen
       schmutzige Leichen weißer Männer in Jeans, die auf einen Pick-up geladen
       werden. Es soll sich dabei um drei russische Journalisten handeln.
       
       In der Tasche hatten sie Pressekarten der russischen Zeitung
       [1][Isvestija], meldete das Außenministerium in Moskau. Sonst wäre es wohl
       schwierig gewesen, sie zu identifizieren. Die drei Russen wurden am Montag
       im Norden des kriegsgeplagten Landes tot aufgefunden, so die
       Pressemitteilung. „Leider war die russische Botschaft in der
       Zentralafrikanischen Republik nicht über den Aufenthalt der russischen
       Journalisten informiert“, heißt es weiter. Die Leichen wurden in die
       Hauptstadt Bangui gebracht und identifiziert.
       
       Journalist Orchan Dschemal, Kameramann Kirill Radtschenko und Regisseur
       Alexander Rastorgujew gelten als erfahrene Kriegsreporter. Sie hatten
       bereits in Tschetschenien, in Georgien sowie in der Ost-Ukraine gearbeitet,
       meist für regierungskritische russische Medien. Nach Zentralafrika kamen
       sie im Auftrag des Zentrums für Recherchemanagement (ZUR) in Moskau, eines
       Medien-Start-up des Kreml-kritischen Oligarchen Michael Chodorkowski. „Sie
       sammelten Material für eine gemeinsame Recherche über die Tätigkeiten von
       PMC Wagner in diesem Land“, heißt es in der ZUR-Erklärung zum Tod ihrer
       Journalisten. ZUR kündigt an, die Ermordung aufklären zu wollen.
       
       ## Getötet vor Abschluss der Recherchen
       
       PMC Wagner ist eine dubiose private Sicherheitsfirma aus Russland, die in
       Argentinien registriert ist und von dem russischen vom Oligarchen Jewgeni
       Prigoschin finanziert wird, einem engen Vertrauten von Russlands Präsident
       Wladimir Putin. Wagner-Gründer Dimitri Utkin war bis 2013 Oberstleutnant im
       russischen Auslandsgeheimdienst (GRU) und befehligte eine Spezialeinheit im
       Syrienkrieg. Wagner unterhält eine Söldnerarmee, die bereits in Syrien und
       in der Ost-Ukraine auf russischer Seite mitmischte.
       
       Seit Beginn des Jahres sind [2][Wagner-Söldner auch in der
       Zentralafrikanischen Republik tätig]. Sie haben vom dortigen Präsidenten
       Faustin Touadéra in direkter Absprache mit Putin den Auftrag erhalten, die
       zentralafrikanischen Streitkräfte zu trainieren. Dafür wurden auch Waffen
       geliefert.
       
       Am Sonntagmorgen hatten sich die drei Journalisten nach Berengo aufgemacht,
       rund 70 Kilometer von der Hauptstadt Bangui, so Anastasia Gorschkowa,
       stellvertretende Chefredakteurin von ZUR. Im dortigen alten Palast des
       ehemaligen zentralafrikanischen „Kaisers“ Jean-Bédel Bokassa, seit dessen
       Sturz 1979 verfallen, sind neuerdings Hunderte russischer Soldaten und
       Wagner-Söldner stationiert. Die Journalisten seien dort abgewiesen worden,
       da sie keine Genehmigung des Verteidigungsministeriums hatten, so ZUR.
       Daraufhin fuhren sie gen Norden. Ihr Ziel: die 400 Kilometer von Bangui
       entfernte Kleinstadt Bambari, wo sie einen Termin mit einem UN-Mitarbeiter
       hatten. Doch bis dahin kamen sie nicht.
       
       ## Dubiose Verbindungen zum Goldabbau
       
       Laut zentralafrikanischen Quellen trafen die drei Russen kurz nach Anbruch
       der Dunkelheit in der 200 Kilometer von Bangui entfernten Kleinstadt Sibut
       ein. Sie entschieden, im Dunkeln weiterzufahren. Doch nicht direkt nach
       Bambari, sondern auf einem Umweg über Dekoa. In dieser Gegend liegt die
       lukrative Goldmine Ndassima, die offiziell der kanadischen Firma Axmin
       gehört. Seit 2013 steht Ndassima unter Kontrolle muslimischer Rebellen, die
       2013/14 in der Allianz „Seleka“ kurzzeitig das Land regierten und heute, in
       verschiedene Splittergruppen geteilt, im Norden der Zentralafrikanischen
       Republik herrschen.
       
       Berichten zufolge hatte die russische Mineralienfirma M-Invest zu Beginn
       des Jahres die Konzession Ndassima zugesprochen bekommen, als „Belohnung“
       für das russische Militarengagement in der Zentralafrikanischen Republik.
       M-Invest gehört ebenfalls dem Oligarchen Prigoschin, ebenso wie Wagner.
       Wagner-Söldner sollen angeheuert worden sein, um dort den Goldabbau zu
       sichern. Dem wollten die russischen Journalisten nachgehen.
       
       23 Kilometer hinter Sibut, kurz vor Mitternacht, gerieten sie in einen
       Hinterhalt. „Bewaffnete Männer kamen aus dem Busch und eröffneten das Feuer
       auf das Auto, die drei Männer waren sofort tot“, so Henry Depele,
       Bürgermeister von Sibut, gegenüber Reuters. Der Fahrer habe die Attacke
       überlebt. In anderen Berichten werden die Angreifer als Männer in Turbanen
       beschrieben, die weder Französisch noch die Landessprache Sango sprachen.
       
       Zentralafrikanische Quellen nennen Raub als Motiv: Die Journalisten hatten
       neben teurer Kameraausrüstung auch 8.500 US-Dollar in bar dabei, bestätigt
       ZUR. Kreml-kritische russische Journalisten mutmaßen aber in sozialen
       Medien, die Kollegen seien eventuell gezielt getötet worden, um ihre
       Recherchen zu verhindern.
       
       Klar ist: Sie hatten sich im Dunkeln einer Frontlinie zwischen
       verschiedenen Milizen genähert. Wie gefährlich das ist, zeigte sich bereits
       2014, als die [3][französische Fotografin Camille Lepage in derselben
       Region umgebracht] wurde.
       
       2 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://iz.ru/
   DIR [2] /Russlands-Griff-nach-Afrika/!5509166
   DIR [3] /Erinnerung-an-Camille-Lepage/!5042305
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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