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       # taz.de -- Vor dem Urteil im NSU-Prozess: Die Enttäuschung der Angehörigen
       
       > Am Mittwoch soll im NSU-Prozess das Urteil fallen. Die Hinterbliebenen
       > der Opfer fordern die Höchststrafe für Beate Zschäpe.
       
   IMG Bild: Der Fall des NSU: Viele Akten, wenig Aufklärung
       
       MÜNCHEN taz | 437 Verhandlungstage haben die Angehörigen der Opfer des NSU
       gewartet. Doch wenn am Mittwoch das Urteil über die Terrorserie des
       „Nationalsozialistischen Untergrunds“ fällt, wissen sie immer noch nicht,
       warum genau ihr Vater, Bruder oder Sohn hingerichtet wurde. „Ich hatte viel
       Hoffnung in diesen Prozess gesetzt“, sagt Gamze Kubaşık, Tochter des
       Dortmunder NSU-Mordopfers Mehmet Kubaşık, am Dienstag auf einer
       Pressekonferenz von Hinterbliebenen in München. Jetzt aber sei sie „total
       enttäuscht“. Bis heute sei für sie offen, warum gerade ihr Vater sterben
       musste und ob es weitere Helfer in Dortmund gab.
       
       Zehn Morde hatten die Rechtsterroristen verübt, neun davon an Migranten.
       Dazu kamen zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle. Angeklagt sind Beate
       Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des NSU.
       
       „Wir erwarten die Höchststrafe“, sagte Gamze Kubaşık. Wichtiger aber noch
       sei, die möglichen NSU-Helfer zu ermitteln und anzuklagen. Bis heute habe
       sie Angst, dass diese noch frei in Dortmund herumlaufen könnten. Von dem
       Aufklärungsversprechen, das Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem
       NSU-Auffliegen einst gab, sei nichts geblieben, kritisierte Kubaşık.
       
       Abdulkerim Şimşeks Vater Enver war das erste NSU-Mordopfer, erschossen im
       September 2000. „Ich frage mich oft, was mein Vater gefühlt und gedacht
       haben muss, als er schwer verletzt auf dem Boden lag“, sagte Şimşek. „Ich
       kann nicht abschließen, weil ich das Gefühl habe, dass nicht alles für die
       Aufklärung getan wurde.“ Der Verfassungsschutz schreddere Akten oder gebe
       Dokumente nicht heraus. „Da gibt es offenbar etwas zu vertuschen und ich
       würde gerne wissen, warum.“ Auch Şimşek ist enttäuscht von dem Prozess. „Es
       kommt mir vor, als wenn alles umsonst gewesen wäre.“
       
       Sebastian Scharmer, Anwalt von Gamze Kubaşık, warf den Geheimdienstlern
       einen „Gedächtnisschredder“ vor. Mitarbeiter hätten im Prozess eine
       „partielle Amnesie“ erlitten – immer dann, wenn es bei Befragungen „an die
       Substanz“ gegangen sei. Scharmer forderte die Innenminister zu einem
       weiteren Löschmoratorium für Akten mit NSU-Bezug auf. „Die Aufklärung ist
       mit dem Urteil längst noch nicht beendet.“
       
       Im Prozess hatten die Ankläger, die Bundesanwaltschaft, den NSU als
       abgeschottetes Trio um Beate Zschäpe und ihre heute toten Mitstreiter Uwe
       Mundlos und Uwe Böhnhardt bezeichnet. Dazu kämen die vier angeklagten
       Helfer und neun weitere Unterstützer, gegen die noch ermittelt wird. Einige
       Angehörige und ihre Anwälte sehen den NSU indes viel größer. „Wir wissen,
       dass der NSU ein Netzwerk war“, sagte Opferanwalt Axel Hoffmann. Im Prozess
       waren auch 93 Nebenkläger zugelassen, vertreten durch 59 Anwälte. Auch nach
       dem Prozess, versicherte Scharmer, würden die Angehörigen ihre offenen
       Fragen weiter stellen.
       
       10 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
   DIR Andreas Speit
       
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