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       # taz.de -- Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Sommer der Abschottung
       
       > Noch vor dem Treffen der EU-Innenminister machen die Vertreter von
       > Deutschland, Österreich und Italien klar: Geflüchtete sind nicht
       > willkommen.
       
   IMG Bild: Salvini und Seehofer fahren beide den Kurs der Abschottung
       
       Wenn 2015 der Sommer der Migration war, dann ist 2018 der Sommer der
       Abschottung. Die Zeit veröffentlicht ein „Pro und Contra“ mit der
       Überschrift „Oder soll man es lassen? Private Helfer retten Flüchtlinge und
       Migranten aus Seenot. Ist das legitim?“. Diese Frage in einer der
       seriösesten Zeitungen des Kontinents ist symptomatisch für den Punkt, an
       den die Debatte gerutscht ist.
       
       Zur gleichen Zeit sitzen am Mittwochabend in Innsbruck die Innenminister
       Seehofer, Matteo Salvini aus Italien und Herbert Kickl aus Österreich
       zusammen, es ist ein Warm-Up für den [1][am Donnerstag beginnenden
       EU-Innenministergipfel]. Sie diskutieren Dinge, die noch vor kurzem
       schlechterdings nicht möglich gewesen wären: Österreich will, dass auf
       europäischem Boden überhaupt keine Asylanträge mehr gestellt werden können.
       [2][Italien will Schiffe mit Geretteten auch dann abweisen, wenn es sich um
       Einheiten internationaler Missionen wie der NATO, Frontex oder der EU
       handelt.] Und sie alle wollen, auch wenn sie das Gegenteil behaupten, die
       Grenzen innerhalb Europas wieder hochziehen.
       
       Die EU hat ein Abkommen mit Italien, dass es die Geretteten etwa der
       Anti-Schlepper-Marinemission EUNAVFOR MED/Sophie aufzunehmen hat. Doch für
       die italienische Regierung hat dies offenbar keinerlei Bedeutung mehr. Das
       wichtigste Ziel sei „die Ankünfte zu verringern und die Zahl der
       Abschiebungen zu erhöhen“, sagte Salvini beim Treffen mit Seehofer und
       Kickl am Mittwochabend. Nur das zählt jetzt noch.
       
       Salvinis Ideen sind in Italien nichts Neues: Vor genau einem Jahr hatte das
       – damals sozialdemokratisch regierte – Land angedroht, die Verlängerung des
       EUNAVFOR MED/Sophia-Mandats zu blockieren, weil die anderen EU-Staaten
       Italien die geretteten Flüchtlinge nicht abnehmen wollten. Wie ging die
       Sache aus? Die EU-Kommission hat, wie es ihre Aufgabe ist, Italien mit
       Nachdruck klargemacht, dass es europäische Verpflichtungen hat. Italien hat
       nachgegeben.
       
       ## Vor einem Jahr hat Italien noch nachgegeben
       
       Ebenfalls vor einem Jahr hat Italien angedroht, seine Häfen für
       Rettungsschiffe zu schließen. Wie ging es aus? Die Kommission hat, wie es
       ihre Aufgabe ist, Italien mit Nachdruck klargemacht, dass es europäische
       Verpflichtungen hat. Italien hat nachgegeben. Ihre andere Aufgabe aber,
       Italien Unterstützung zu gewähren, erfüllte die Kommission nicht, denn es
       gab niemanden, der Italien ernsthaft helfen wollte.
       
       Und weil das so war, weil es keine Hilfe für Italien gab, sondern nur
       Druck, haben sich die Kräfteverhältnisse geändert. Jetzt ist ein
       Rechtsextremer in Rom an der Macht, und es gibt eine ganze Reihe ebenfalls
       mächtiger Akteure in der EU, die den Kurs von Salvini, der Abschottung über
       alles stellt, über Menschenleben und über europäisches Recht, ganz richtig
       finden: Seehofer und Kurz, die osteuropäischen Staaten, die
       Rechtspopulisten in allen Ecken die Kontinents sowieso.
       
       Die Kommission wäre auch jetzt der Akteur, der sagen müsste: Das, was ihr
       wollt – Asyl verbannen, Häfen schließen, europäische Schiffe abweisen,
       ertrinken lassen – verbietet sich. Aber die Kommission ist schwach, viel
       schwächer als vor einem Jahr. Dass sie versagte, als sie europäische
       Solidarität hätte schaffen müssen, hat ihre Autorität untergraben. Gut
       möglich, dass sie zu dem, was am Donnerstag in Innsbruck beschlossen werden
       soll, nur noch schweigt.
       
       12 Jul 2018
       
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