# taz.de -- Der Videobeweis bei der Fußball-WM: Kein Elfmeter für „kleinen Messi“
> Der Videobeweis feierte bei der WM in Russland Premiere. Was
> Fifa-Präsident Infantino freut, ärgert Schiedsrichter im Amateurbereich.
IMG Bild: Schiedsrichter Björn Kuipers zeigt mit der entsprechenden Geste den Videobeweis an
Der Videobeweis, da sind sich alle Verantwortlichen einig, ist ein großer
Erfolg. Fifa-Präsident Gianni Infantino, insgesamt schon schwer begeistert
(„Beste WM seit immer“), zeigt sich auch vom VAR schwer beeindruckt. „Wir
sind sehr zufrieden, dass wir es eingeführt haben“, sagt er, weil: „Dank
des VAR ist das Spiel gerechter geworden.“
Damit hallen die Lobhudeleien pro Videobeweis wieder, die auch schon die
Bundesligaverantwortlichen angestimmt hatten. Lutz Michael Fröhlich,
Schiedsrichterchef des DFB, bilanzierte für die letzte Saison, der
Videobeweis habe rund 80 Prozent der potentiellen Fehlentscheidungen
verhindert; 64 Mal kam er zum Einsatz. Bei der WM wurde das
Kontrollzentrum, Finale ausgenommen, 19 Mal herangezogen, 16 Mal erfolgten
Korrekturen.
Bei der WM blieben obendrein die großen Diskussionen überwiegend aus. Zwar
forderten immer wieder Spieler, der Videobeweis sei bei dieser oder jener
strittigen Szene hinzuziehen, und natürlich bleibt bei der Auslegung ein
Graubereich. Aber große Pannen blieben aus; auch wenn wieder und wieder
betont wurde, dass es totale Gerechtigkeit im Fußball nicht geben könne.
Grundsätzlich aber widersprach kein Verantwortlicher Infantino, der
konstatierte: „Es ändert den Fußball nicht, sondern hilft den
Schiedsrichtern, bessere Entscheidungen zu treffen.“
Das sind abgehobene Worte, die sich nur und ausschließlich auf den
Profifußball beziehen. Der Videobeweis macht den Fußball nicht gerechter,
er spaltet ihn. Genauer: er manifestiert eine Spaltung, die latent ohnehin
schon besteht. Es ist ein weiterer Schritt, Profi- und Amateursport
voneinander zu trennen. Zum Leidwesen des Amateursports: Denn der
Videobeweis untergräbt die bedingungslose Autorität des Schiedsrichters auf
dem Platz.
Inzwischen berichten gerade Amateurschiedsrichter im Jugendbereich immer
häufiger darüber, wie Eltern wild mit ihrem Smartphone fuchteln, um diese
oder jene unparteiische Entscheidung in Frage zu stellen, weil der kein
Elfmeter für ihren kleinen Messi gepfiffen wurde. Wenn
Schiedsrichterentscheidungen als hinterfragbar inszeniert werden, schlägt
das mutmaßlich durch.
[1][Das Fernsehen hat sich dem Fußball aufgedrängt] – und es hat das
Potential, die Stimmung auf dem Platz zu verändern, gerade jetzt, da die
Stimmung gegenüber den Unparteiischen auf den Amateurplätzen immer harscher
wird. Der Studie „Die Angst pfeift immer mit“ nach ist 62 Prozent der
Amateurschiedsrichter bereits Gewalt angedroht worden.
Um den Videobeweis als Erfolg zu werten, wäre es notwendig, die
Konsequenzen auf den Amateursport und seine Schiedsrichter
mitzuuntersuchen. Das aber wird nicht gemacht. Denn natürlich passiert das
alles auf Plätzen, die Infantino und Co. niemals besuchen werden.
16 Jul 2018
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DIR Frederic Valin
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