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       # taz.de -- Flüchtlinge auf dem Mittelmeer: Erneut Rettungsschiff blockiert
       
       > Kein Hafen will die Sarost V einlaufen lassen. Jetzt liegt sie vor dem
       > tunesischen Zarzis, doch die dortige Regierung will einen Präzedenzfall
       > vermeiden.
       
   IMG Bild: Immer seltener sind Staaten bereit, Gerettete an Land gehen zu lassen
       
       Berlin taz | [1][Wieder] darf im Mittelmeer ein Schiff mit Geretteten
       keinen Hafen anlaufen. Seit Montagnacht um ein Uhr liegt die Sarost V mit
       40 Menschen etwa drei Seemeilen vor der Hafenstadt Zarzis, im Süden von
       Tunesien. Die Behörden des Landes verweigern dem Schiff die Erlaubnis,
       anzulegen – ebenso [2][wie zuvor] Malta und Italien.
       
       Am vergangenen Freitag war ein Holzboot mit 40 Menschen etwa 140 Kilometer
       nördlich der libyschen Stadt Zuwara in Seenot geraten. Das Boot hatte
       einige Tage zuvor in Libyen abgelegt, dann setzte der Motor aus. Wie die
       taz aus zuverlässiger Quelle erfuhr, soll es sich um Menschen aus Ägypten,
       Bangladesch, Kamerun, Senegal, Guinea, Elfenbeinküste und Sierra Leone
       handeln. An Bord sind laut tunesischem Roten Halbmond auch zwei Schwangere.
       
       Es ist derzeit sehr ungewöhnlich, dass Flüchtlingsboote so weit kommen –
       meist werden die Menschen in Libyen auf Schwimmkörper gesetzt, die nur
       wenige Kilometer fahren können. Der Ort, an dem das Boot am Freitag in
       Seenot geriet, liegt in internationalen Gewässern in der maltesischen
       Rettungszone. Der Inselstaat ist für den Einsatz zuständig, auch wenn die
       tunesische Küste nur etwa 100 Kilometer entfernt liegt. In dem Gebiet gibt
       es eine Reihe von Öl- und Gas-Bohrinseln.
       
       Die maltesische Leitstelle beorderte das Versorgungsschiff Caroline Tide
       III, das gerade in der Nähe war, zum Unglücksort. Das bat bei den
       Rettungsleitstellen von Malta, Italien und Frankreich um Erlaubnis, die
       Menschen auszuschiffen. Doch die Leitstellen entschieden, sie sollten nach
       Tunesien gebracht werden.
       
       ## Die Menschen sitzen fest
       
       Die Caroline Tide III brachte sie daraufhin zunächst zu einer nahe
       gelegenen Bohrinsel, nach Angaben der Initiative Alarm-Phone handelt es
       sich dabei um eine Plattform im Ashgart-Ölfeld, das von dem tunesischen
       Unternehmen Serept betrieben wird. Am Samstag um 14 Uhr nahm dann ein
       weiteres Ölplattform-Versorgungsschiff, die Sarost V, die Geretteten zum
       Weitertransport auf.
       
       Die tunesische NGO Forum für Bürgerliche und Soziale Rechte (FTDES)
       berichtet, die tunesischen Behörden hätten den Kapitän der Sarost V
       zunächst angewiesen, zum nächstgelegenen Hafen, dem des tunesischen Sfax,
       zu fahren. Auf dem Weg dorthin habe er jedoch die Order bekommen, Zarzis im
       äußersten Südwesten Tunesiens, direkt an der Grenze zu Libyen anzusteuern.
       
       Die Sarost V kam dort Montagnacht um ein Uhr an. In den Hafen einlaufen
       durfte sie auch dort nicht. Seither sitzt sie fest. Das bestätigt auch
       Maurice Stierl von der Initiative Alarm-Phone, der mit der Crew der Sarost
       V in Telefonkontakt steht.
       
       Die Betreiberfirma Sarost Group und der tunesische Rote Halbmond haben nach
       Angaben des FTDES Proviant und medizinische Hilfe zu dem Schiff gebracht.
       Doch für einen längeren Aufenthalt der völlig entkräfteten Menschen ist das
       Schiff nicht ausgelegt. „Tunesien weigert sich, diese Migranten willkommen
       zu heißen, weil es kein sicherer Hafen für europäische Staaten werden
       will“, heißt es in einer Erklärung des FTDES.
       
       ## Tunesier wollen keine Lager
       
       Im Juni hatte Italiens neue Regierung ihre Häfen für Schiffbrüchige
       weitgehend geschlossen. Drei Schiffe hatten seither Gerettete aufgenommen,
       die erst nach mehrtägigen Odysseen unter mehreren EU-Staaten aufgeteilt
       wurden. Die Sarost V ist nun der erste Fall, in dem ein Rettungsschiff nach
       Tunesien geschickt wird.
       
       Die dortige Regierung will einen Präzedenzfall unbedingt vermeiden.
       Tunesien war eines der nordafrikanischen Länder, die in den vergangenen
       Woche immer wieder als Sitz vorgeschlagen wurden für die Asylcenter, die
       Politiker mehrerer europäischer Staaten sowie die EU vorgebracht hatten.
       Doch derartige Lager, in denen über das weitere Schicksal auf See
       Geretteten entschieden würde, stoßen in der Bevölkerung auf Ablehnung. „Wir
       sind nicht der Mülleimer Europas“, hatten hunderte Demonstranten vor zwei
       Wochen auf den Straßen von Tunis skandiert, nachdem erste Gerüchte über die
       EU-Pläne an die Öffentlichkeit kamen.
       
       Immer wieder steigen aufgrund der andauernde Wirtschaftskrise auch
       [3][junge Tunesier in Fischerboote] nach Italien. Lokale Politiker
       fürchten, dass der Arbeitsmarkt rund um die Camps zusammenbrechen könnte,
       schon jetzt hat jeder zweite Jugendliche in Tunesiens Süden kein
       regelmäßiges Einkommen. Premierminister Youssef Chahed verhandelt dennoch
       klammheimlich mit der EU-Kommission über provisorische Camps mit der EU.
       Die wiederum will Tunesien, Marokko und Libyen mit einem 90,5 Millionen
       Euro Hilfs-Programm überzeugen.
       
       Im Staatsfernsehen Wathania wurde indes gefordert, die Sarost V nach Malta
       zurück zu schicken, da nach der Genfer Flüchtlingskonvention das Land
       zuständig sei, in dessen Hoheitsgewässer der Notruf abgesetzt wurde. „Die
       europäische Küstenwache hat die Verantwortung für die Einsätze in ihren
       Such- und Rettungszonen. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben“, sagt
       Maurice Stierl vom Alarmphone. Malta habe sich „verantwortungslos“
       verhalten. Es brauche dringend eine „langfristige Lösung, die es den in
       Seenot geratenen Menschen ermöglicht, in europäischen Häfen schnell
       auszusteigen, statt dass die Geretteten in jedem Einzelfall aufs Neue hin-
       und hergeschoben werden und sich ihr Leid unnötig verlängert“, so Stierl.
       
       18 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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