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       # taz.de -- ThyssenKrupp-Investor Cevian: Wie man ein Unternehmen zerschlägt
       
       > ThyssenKrupp steckt in einer tiefen Krise. Schuld daran soll auch der
       > schwedische Finanzinvestor Cevian sein. Eine Analyse in sechs Schritten.
       
   IMG Bild: Dieser Mann in Peking weiß, wie man Schrott zerschlägt. ThyssenKrupp weiß, wie man sich selbst zerschlägt
       
       ## 1 Auf Einkaufstour gehen
       
       Das Spiel beginnt stets mit dem Ankauf großer Aktienpakete. 2010 steigt
       Cevian beim Düsseldorfer Kranhersteller Demag Cranes ein. Ein Jahr später
       folgt eine 12,6-Prozent-Beteiligung beim deutschen Baukonzern Bilfinger,
       die mittlerweile auf fast 30 Prozent aufgestockt wurde. Bei ThyssenKrupp
       steigt Cevian 2013 ein. Warum ausgerechnet diese Konzerne? – „Aktivistische
       Investoren suchen nach Unternehmen, die ihrer Meinung nach nicht gut
       gemanagt werden“, sagt Jo Seldeslachts vom Wirtschaftsforschungsinstitut
       DIW. „ThyssenKrupp ist ein Unternehmen, von dem Cevian möglicherweise
       glaubt, dass es nicht so groß sein muss, wie es ist“, so der Ökonom.
       
       Beim Essener Stahlriesen erwirbt Cevian erst 5 Prozent der Aktien und
       erhöht seinen Anteil in den folgenden Jahren auf 18 Prozent. Auch das ist
       typisch. Aktivistische Investoren versuchen selten, Mehrheitsaktionär zu
       werden. Der Anteil muss groß genug sein, um Einfluss auf das Unternehmen
       auszuüben. Zu viele Aktien wollen diese Investoren aber nicht besitzen, um
       im Falle des Scheiterns der Investmentstrategie die Verluste gering zu
       halten. Oft folgt auf den Einstieg eines aktiven Investors bereits ein
       Anstieg des Aktienkurses, weil andere Anleger – wie der Investor selbst –
       auf hohe Kursgewinne hoffen.
       
       ## 2 Talk, talk, talk
       
       Im Gegensatz zu „passiven“ Aktionären versuchen aktive Investoren Einfluss
       auf die Ausrichtung des Unternehmens zu nehmen. Vor allem Vorstand und
       Aufsichtsrat haben sie im Blick. In einer im April veröffentlichten Studie
       über Finanzinvestoren schreibt die gewerkschaftsnahe
       Hans-Böckler-Stiftung: „Charakteristisch für aktivistische Investoren ist
       der häufige Versuch, den direkten Einfluss […] auf die Unternehmensorgane
       zu hebeln“, das heißt: den Einfluss nutzen und vergrößern. Am besten direkt
       über das Management. Die typischen Forderungen: Kosten senken,
       Aktienrückkäufe, nicht profitable Unternehmensteile abstoßen. Deutsche
       Industrieunternehmen sind für aktive Investoren besonders interessant, weil
       sie sich traditionell durch Zukäufe in breit gefächerten Geschäftsfeldern
       bewegen. ThyssenKrupp baut zum Beispiel U-Boote, Zementfabriken und
       Aufzüge. Dieses Geschäftsmodell hat den Vorteil, dass Verluste in einer
       Sparte durch Gewinne in einer anderen ausgeglichen werden können.
       Aktivistische Investoren vertreten dagegen die Haltung, dass die
       Unternehmensteile im Einzelnen profitabler seien. Cevian dringt zum
       Beispiel auf die Ablösung der gewinnträchtigen Aufzug-Sparte von
       ThyssenKrupp. Die Folge: Das Unternehmen wird zerschlagen, die Belegschaft
       muss oft gehen.
       
       ## 3 Zum Lautsprecher werden
       
       Kommt das Management den Empfehlungen des Investors nicht nach, gehen
       aktive Investoren an die Öffentlichkeit und setzen die Unternehmensführung
       mithilfe der Wirtschaftspresse unter Druck. Bei Cevian macht das der Chef
       persönlich. 2016 sagt Unternehmensgründer Lars Förberg während einer
       Sitzung des ThyssenKrupp-Aufsichtsratsrats, er lehne angesichts der
       finanziellen Lage des Unternehmens eine Dividende für die Aktionäre ab. Die
       Nachrichtenagentur Reuters verbreitet diese Botschaft umgehend. Am 19.
       Januar dieses Jahres gibt Förberg dann dem TV-Sender Bloomberg ein
       Interview – es geht um ThyssenKrupp. Der Moment ist erneut sorgfältig
       gewählt, denn der Industriegigant hält gleichzeitig in Bochum seine
       Hauptversammlung ab. Förberg kommt schnell zum Punkt. „Die Struktur des
       Unternehmens ist viel zu kompliziert“, findet der Investor. „Die Aktien
       müssten eigentlich doppelt so viel wert sein.“ Größtmögliche Aufmerksamkeit
       ist Förberg damit sicher. Vorstand und Aufsichtsrat verlieren an Rückhalt.
       Anfang Juli tritt Vorstandschef Heinrich Hiesinger zurück, vergangene Woche
       folgt Aufsichtsratschef Ulrich Lehner.
       
       ## 4 Köpfe rollen lassen
       
       Als Minderheitenaktionär versuchen aktive Investoren hauptsächlich über
       Lobbying und Öffentlichkeitsarbeit ihre Ziele zu erreichen. Im Zweifel
       treiben sie aber auch den Austausch von Vorständen und Aufsichtsräten
       voran. Cevian hat damit Erfahrung. Zuletzt bei Bilfinger. Ende 2014
       entsendet Cevian den ehemaligen Metro-Chef Eckhard Cordes in den
       Aufsichtsrat des Baukonzerns, kurz darauf übernimmt er den Vorsitz. Cordes
       ist auch Partner bei Cevian Capital.
       
       An den jüngsten Rücktritten bei ThyssenKrupp sollen ebenfalls aktivistische
       Anteilseigner mitgewirkt haben. Kurz vor seinem eigenen Rückzug sagt
       Aufsichtsratschef Ulrich Lehner in einem Interview mit der Zeit – ohne
       Namen zu nennen –, einige Investoren würden Wege beschreiten, „die
       teilweise schon als Psychoterror bezeichnet werden können“. Es würden
       Unwahrheiten in der Öffentlichkeit platziert, es gebe unberechtigte
       Rücktrittsforderungen „bis hin zum Belästigen von Nachbarn und
       Familienmitgliedern“.
       
       ## 5 Aus eins mach viele
       
       Ziel aktivistischer Investoren ist die Abtrennung profitabler
       Geschäftsbereiche. Im Fall Bilfinger ist Cevian das gelungen. 2016 trennt
       sich der Konzern von seinem umsatzstarken Bau- und Immobiliengeschäft, das
       vom schwedischen Finanzinvestor EQT unter dem Namen Apleona weitergeführt
       wurde. Mehrere Medien berichteten damals, dass sich Cevian für die
       Abspaltung eingesetzt habe. Auch bei ThyssenKrupp macht der schwedische
       Investor keinen Hehl aus seinen Plänen für das Unternehmen. Im Januar
       drängt Förberg im Gespräch mit der Börsen-Zeitung auf eine zügige
       Zerschlagung des Essener Konglomerats: „Ob das am besten durch Joint
       Ventures, Spin-offs oder den Börsengang einer Tochter zu erreichen ist,
       müssen Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam entscheiden“, sagte der
       Cevian-Co-Chef damals.
       
       ## 6 Klingelnde Kassen
       
       Aktive Investoren hoffen auf einen hohen Kursgewinn durch die Neuordnung
       der Zielunternehmen, um dann zum richtigen Zeitpunkt die eigenen Anteile zu
       verkaufen. Besonders gut ist Cevian das beim Düsseldorfer Kranhersteller
       Demag Cranes gelungen. 2010 kaufte der Investor 10 Prozent der Aktien für
       knapp 24 Euro pro Aktie und begleitete die Sanierung des Unternehmens. Ein
       Jahr später wurde Demag vom US-amerikanischen Konkurrenten Terex gekauft –
       für mehr als 46 Euro pro Aktie. Innerhalb eines Jahres konnte Cevian seinen
       Einsatz fast verdoppeln.
       
       Bei Bilfinger funktionierte das weniger gut. Trotz der Abspaltung der
       Bausparte ist der Aktienkurs niedriger als beim Einstieg Cevians 2011. Das
       zeigt: Aktive Investoren haben mit ihrer Anlagestrategie nicht immer
       Erfolg. Das sieht auch Jo Seldeslachts so: „Aktivistische Investoren
       gewinnen nicht immer. Wenn sie feststellen, dass sie das Unternehmen nicht
       in ihrem Sinne beeinflussen können, verkaufen sie möglicherweise ihre
       Anteile und sind weg.“
       
       23 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Wimalasena
       
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