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       # taz.de -- Was kann die Gentechnik Crispr-Cas: Gemüse der anderen Art​
       
       > Mais, der Dürren übersteht? Mit Crispr-Cas lässt sich das Erbgut gezielt
       > verändern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur neuen Gentechnik.
       
   IMG Bild: Abwägungssache: Mit Crispr-Cas könnte Gemüse und Obst länger haltbar bleiben
       
       Was ändert die neue Gentechnik? 
       
       Kühe oben ohne, also ohne Hörner. Weizen, dem der Mehltau nichts anhaben
       kann, Kartoffeln, die sich länger lagern lassen – große Zuchtfirmen
       investieren längst in die neue Technologie. Die britische Firma Genus, der
       größte Viehzüchter der Welt etwa. Oder: die US-amerikanischen Agrar- und
       Saatgutkonzerne Calyxt und DowDuPont sowie Forscher der chinesischen
       Akademie der Wissenschaften. Auch die Biotechnologen hierzulande, etwa jene
       des Leverkusener Bayer-Konzerns entdecken das Werkzeug für sich. Vor dem
       EuGH geht es nun zunächst um Pflanzen in der Landwirtschaft.
       
       Was soll der EuGH entscheiden? 
       
       Dürfen Kartoffeln und andere Lebensmittel einfach so auf Höfen und Feldern
       produziert und dann im Supermarkt verkauft werden, wenn sie mit der neuen
       Zuchtmethode entstanden sind? Oder ist das eine klassische Variante der
       grünen Gentechnik? In dem Fall müssten die Hersteller eine spezielle
       Zulassung beantragen und die Produkte gekennzeichnet werden. Das müssen die
       Richter entscheiden. Französische Tier- und Naturschutzorganisationen
       hatten geklagt, weil die bisherigen Regeln unklar sind. Im Januar
       veröffentlichte der [1][Generalanwalt des EuGH, Michael Bobek, dazu bereits
       eine Stellungnahme]. Sie ist nicht bindend, aber oft folgen die Richter
       ihr. Demnach können die neuen Techniken von einer Extra-Regulierung
       ausgenommen werden, wenn deren Ergebnis auch auf „natürliche Weise“
       entstehen könnte.
       
       Wie funktioniert Crispr-Cas? 
       
       Crispr-Cas ist eine Art Werkzeugkasten für das Erbgut, die DNA.
       Biotechnologen können Erbinformationen punktgenau ausschneiden, ausschalten
       und austauschen. Im Prinzip – aber darum geht es vor Gericht nicht – können
       so auch artfremde Gene eingefügt werden. Der Unterschied zur „alten“
       Gentechnik: Der Eingriff gilt als präzise und relativ simpel zugleich,
       ähnlich der „Suchen und Ersetzen Funktion“ auf dem Computer. Experten
       sprechen auch vom Genom Editing: Das Erbgut wird redigiert, umgeschrieben
       wie ein Text. In der Regel geht das fix, binnen Monaten statt Jahrzehnten
       in der herkömmlichen Züchtung. Nur tobt ein Streit, ob das Genom Editing
       quasi natürlich ist, die Veränderungen also auch durch bereits akzeptierte
       Methoden entstehen könnten.
       
       Was soll an Crispr-Cas unnatürlich sein? 
       
       Christoph Then leitet Testbiotech, ein Institut für die Risikoabschätzung
       von Gentechnik. Der frühere Greenpeace-Experte sagt, Crispr-Cas sei „eine
       Modernisierung, bleibe aber Gentechnik“, die sich, anders als bisher oft
       behauptet, durch „spezifische Muster“ im Erbgut von der konventionellen
       Züchtung „deutlich“ unterscheide. Denn die Biotechnologen gäben „der Zelle
       den Befehl, an einer bestimmten Stelle des Erbgutes eine Veränderung
       vorzunehmen“. Das sei „methodisch etwa ganz anderes, als die Pflanzen
       klassisch zu kreuzen,“ und zudem „fehleranfällig“: „Crispr-Cas setzt nicht
       immer an dem Genabschnitt an, wo es geplant ist.“ Then meint: „Die Risiken
       der neuen Verfahren sind bislang zu wenig erforscht, sie sollten nicht
       einfach so auf den Markt.“
       
       Was sagen die Biotechnologen? 
       
       „Die Präzision muss sich verbessern, aber das tut sie auch“, sagt Ricardo
       Gent, Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie.
       Die Fortschritte seien „enorm“. Befürworter wie er warnen, dass die Technik
       in Europa keine Chance habe, wenn sie als Gentechnik gelabelt wird. Was
       dann verloren ginge? Gent: „Wir würden die Chance verpassen, gegen Pilze
       resistentere oder allergikerfreundlichere Sorten zu züchten. Aber nicht nur
       das. Es geht auch um klimatolerantere Pflanzen, die Dürren wie die jetzige
       überstehen. Das kriegt man so ohne Weiteres nicht hin.“
       
       Wer sind die größten Kritiker? 
       
       „Gentechnik bleibt Gentechnik. Auch neue Verfahren und Produkte müssen
       entsprechend reguliert und gekennzeichnet werden.“ Das forderten erst vor
       wenigen Tagen 21 Verbände von Biobauern, Umwelt- und Verbraucherschützern.
       Auch unter Politikern rumort es. CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner
       warnte vor einer „reflexartigen“ Ablehnung der neuen Gentechnik. Svenja
       Schulze, ihre SPD-Kabinettskollegin aus dem Umweltressort, hingegen will
       „oberste Priorität für den Schutz der Umwelt und die Gesundheit des
       Menschen, also ein umfassendes Zulassungsverfahren und die
       Produktkennzeichnung“.
       
       Sehen Bauern Vorteile? 
       
       Die US-Firma Recombinetics hat ein Patent auf Tiere angemeldet, die sich
       nicht mehr fortpflanzen und vom Bauern nicht mehr zur Zucht genutzt werden
       können. Er muss dann immer neue Jungtiere kaufen. Das ist die eine Seite.
       Die andere: Forscher wollen die DNA von Schweinen so ändern, dass ihnen die
       afrikanische Schweinepest nichts mehr anhaben kann. Der Deutsche
       Bauernverband jedenfalls betont die Chancen. Präsident Joachim Rukwied:
       „Die derzeitige Dürre zeigt uns, dass wir neuen Züchtungsmethoden gegenüber
       aufgeschlossen sein müssen, um beispielsweise hitzebeständigere Sorten
       anbauen zu können.“
       
       Was kommt in den Supermarkt? 
       
       Lebensmittelketten wie Edeka, Lidl und Rewe wollen eine Kennzeichnung für
       die neue Gentechnik. Das haben sie der EU-Kommission in einem Brief
       geschrieben. Im Grunde wollen sie Crispr und Co aus dem Laden raus halten.
       Denn für den Handel rentiert sich die Gentechnik nicht, Verbrauchern
       schmeckt sie nicht: Rund zwei Drittel der Deutschen halten es laut einer
       Umfrage des Bundesumweltministeriums eher für problematisch, gentechnisch
       veränderte Lebensmittel zu essen. Vor allem aber fordern Verbraucher eine
       Kennzeichnung, damit sie selbst entscheiden können, was sie bekommen.
       
       Den Artikel zum Urteil finden Sie hier: [2][Neue Gentechnik vor dem EuGH:
       Crispr-Cas unterliegt Auflagen]
       
       24 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d2dc30ddfd22f00a1f434b6995ce82f47cbbd0b2.e34KaxiLc3qMb40Rch0SaxyOahf0?text=&docid=198532&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=507310
   DIR [2] /Neue-Gentechnik-vor-dem-EuGH/!5523461
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Gersmann
       
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