URI: 
       # taz.de -- Plädoyer im Berliner Prozess: Vietnam-Entführer soll ins Gefängnis
       
       > Der Prozess um die Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh geht zu
       > Ende. Verteidigung und Anklage fordern Haft.
       
   IMG Bild: Laut Propaganda in Vietnam ist Trinh Xuan Than nicht entführt, sondern freiwillig in sein Land zurückgekehrt
       
       Berlin taz | Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind sich einig: Der
       Vietnamese Long N. H. soll für mindestens dreieinhalb Jahre ins Gefängnis.
       Der Inhaber eines Geldstransferbüros in Prag soll [1][an der Entführung des
       vietnamesischen Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh] im vergangenen Juli in
       Berlin beteiligt gewesen sein – nicht als Kopf des Entführungskommandos,
       aber als Helfer.
       
       Im Prozess vor dem Berliner Kammergericht sprachen am Dienstag nach drei
       Monaten Verhandlung die Bundesanwaltschaft, die Nebenklage und die
       Verteidigung ihre Plädoyers. Während die Anklagebehörde vier Jahre
       forderte, votierten die Verteidiger auf drei Jahre und sechs Monate und
       baten das Gericht, [2][das umfassende Geständnis des Angeklagten] zu
       würdigen.
       
       Dieses sei viel wert, weil der Angeklagte darin den vietnamesischen
       Geheimdienst und konkret einen der mutmaßlich Tatbeteiligten belastet
       hatte, so Verteidiger Alexander Sättele. Seine Eltern und Geschwister
       müssten darum in Vietnam mit Repressalien rechnen. Allerdings war das
       Geständnis zu einem Zeitpunkt gekommen, als die Beweislast gegen den
       Angeklagten durch Aussagen zahlreicher Zeugen bereits erdrückend war.
       
       Trinh Xuan Thanh, ein ehemaliger hoher Funktionär und Chef eines
       staatseigenen Unternehmens, wurde letztes Jahr von Berlin nach Hanoi
       entführt. Er war zuvor nach Berlin geflüchtet, weil Vietnam ihm
       Misswirtschaft im dreistelligen Millionenbereich vorwarf und ihn dafür mit
       Haftbefehl suchte. Er selbst sah seine Verfolgung als Teil einer
       politischen Säuberungsaktion innerhalb der Kommunistischen Partei, der
       einzigen legalen Partei in Vietnam. Im Januar wurde Thanh in Hanoi wegen
       Korruption und Misswirtschaft zweimal zu einer lebenslangen Haftstrafe
       verurteilt.
       
       ## Wie im Kalten Krieg
       
       Die Entführung erinnere an Zeiten des Kalten Krieges, sagte Dirk Hackler
       von der Bundesanwaltschaft am Dienstag in seinem Plädoyer. Diese „eklatante
       Verletzung des Völkerrechtes“ habe sich zugetragen wie in einem
       Spionageroman. Die Entführung war nach seiner Überzeugung vom
       vietnamesischen Geheimdienst und der vietnamesischen Botschaft in Berlin
       generalstabsmäßig organisiert worden.
       
       Der Angeklagte habe drei tatrelevante Fahrzeuge angemietet und
       Dienstleistungen für Vietnams stellvertretenden Geheimdienstchef Duong Minh
       Hung ausgeführt, der die Operation in Berlin mutmaßlich geleitet hatte. Er
       sei aber, was er auch gestanden hatte, von Beginn an in den Tatplan
       eingeweiht gewesen und habe ihn gebilligt.
       
       ## Anwalt war gegen das Geständnis
       
       Einer der Verteidiger, Stephan Bonell hatte bis zur letzten Minute
       versucht, seinen Mandanten zur Rücknahme des aus seiner Sicht
       „unglaubwürdigen“ Geständnisses zu bewegen. Als Bonell bei seinem Mandanten
       keinen Erfolg hatte, gab er sein Mandat zurück, was das Gericht auch
       akzeptierte.
       
       Bonells Verteidigungsstrategie lief auf eine Kriminalisierung des
       Entführungsopfers hinaus, ähnlich wie sie die Regierung in Vietnam
       betreibt. Er stellte immer neue entsprechende Beweisanträge, denn, so
       Bonell: „Für das Strafmaß meines Mandanten ist es relevant, wer entführt
       wird.“ Bonell hatte sogar angeregt, die Bundeskanzlerin in den Zeugenstand
       zu rufen. Sie sollte erläutern, warum Trinh Xuan Thanh nicht nach Vietnam
       ausgeliefert wurde, obwohl ihr vietnamesischer Amtskollege das von ihr
       gefordert hatte.
       
       Prozessbeteiligte warfen Bonell vor, propagandistisch für den
       vietnamesischen Staat zu arbeiten. „Wen verteidigen Sie eigentlich: Ihren
       Mandanten oder den Staat Vietnam?“, hatte Nebenklagevertreterin Petra
       Schlagenhauf ihn gefragt. Mitverteidiger Alexander Sättele unterstellte ihm
       „mutmaßlich verfahrensfremde Interessen zu vertreten. Die Verteidigung hat
       aber nur die Interessen ihres Mandanten zu vertreten.“
       
       Während Long N. H. wahrscheinlich für lange Zeit hinter Gitter muss, haben
       sich die Rädelsführer der Entführung rechtzeitig nach Vietnam abgesetzt
       oder sie genießen diplomatische Immunität. Allerdings wird gegen mehrere
       vietnamesische Migranten aus Berlin und anderen Städten wegen einer
       möglichen Tatbeteiligung ermittelt.
       
       24 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5518571/
   DIR [2] /!5522510/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
   DIR Christina Schmidt
   DIR Sebastian Erb
       
       ## TAGS
       
   DIR Entführung
   DIR Vietnam
   DIR Prozess
   DIR Bundesanwaltschaft
   DIR Vietnam
   DIR Trinh Xuan Thanh
   DIR Entführung
   DIR Vietnam
   DIR Trinh Xuan Thanh
   DIR Trinh Xuan Thanh
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Entführter Vietnamese Trinh Xuan Thanh: Verhandlungen über Rückkehr
       
       Seit der Entführung des Exilanten kriselt es zwischen Deutschland und
       Vietnam. Die Regierungen bemühen sich nun um Annäherung.
       
   DIR In Berlin entführter Vietnamese: Angeblich hat keiner etwas gewusst
       
       Die Bundesregierung bezieht Stellung zu offenen Fragen im Entführungsfall
       Trinh Xuan Thanh. Ganz schlüssig sind ihre Angaben nicht.
       
   DIR Urteil gegen Vietnamesen in Berlin: Vier Jahre Haft für die Entführung
       
       Ein Vietnamese aus Prag hat dabei geholfen, Trinh Xuan Thanh zu entführen.
       Dafür muss er jetzt ins Gefängnis.
       
   DIR Entführter Vietnamese Trinh Xuan Thanh: Liebesgrüße aus Hanoi
       
       Ein Jahr nach der Entführung ist immer noch nicht alles geklärt. Die
       Geschichte liest sich wie ein Agentenkrimi.
       
   DIR Entführter Vietnamese Trinh Xuan Thanh: Deutschland hat Entführer ausgebildet
       
       Taz-Recherchen zeigen, dass mindestens zwei der mutmaßlichen Täter von BND
       und BKA geschult wurden.
       
   DIR Entführung von Trinh Xuan Thanh: Vietnamese gesteht Mittäterschaft
       
       Fast ein Jahr nach der Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmanns in
       Berlin hat ein mutmaßlicher Mittäter gestanden. Das ist Teil eines Deals.