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       # taz.de -- Die Wahrheit: Techniker-Tracking
       
       > Es hätte alles so schön enden können. Doch dann bog der rote Punkt auf
       > dem Computer falsch ab… Ging der Techniker jetzt erstmal Biertrinken?
       
   IMG Bild: Vor den Galapagosinseln ist schon so mancher Kahn mit seinen Passagieren auf Grund gelaufen
       
       Mir war von Anfang an klar, dass es ein Himmelfahrtskommando werden würde.
       Never touch a running system, und ich tat es doch. Der schnöde Mammon hatte
       mich verführt, und jetzt sollte der neue Internet-Anschluss installiert
       werden, nachdem ich den alten, reibungslos funktionierenden so leichtfertig
       aufgegeben hatte. Ob ich je wieder ins Netz kommen würde? Entsprechend
       nervös schluckte ich, als die Nachricht vom neuen Internet-Anbieter
       verkündete, der Techniker käme am Mittwoch zwischen 15 und 18 Uhr, um
       meinen Anschluss umzuschalten. Das klappt doch nie!
       
       Am Mittwoch setzte ich mich an den Rechner, um bis zum schicksalhaften
       Moment noch so viele Leserkommentare bei Welt Online wie möglich zu lesen.
       Ich wollte mir den Abschied aus dem Netz etwas leichter machen. Da traf
       eine E-Mail ein. Ich las: „Lieber Herr Werning, unser Techniker macht sich
       jetzt auf den Weg zu Ihnen. Verfolgen Sie hier live, wo er gerade ist und
       wann er bei Ihnen ankommt.“
       
       Ich war baff. Ein Live-Tracking des Technikers auf dem Weg zu mir? Ich
       klickte auf den angegebenen Link und landete auf dem Stadtplan von Berlin,
       auf dem ein rotes Pünktchen hektisch blinkte. Der Techniker! Er nahte
       heran! Langsam schob das Pünktchen sich über die Chausseestraße. In meine
       Richtung!
       
       Aufgeregt fieberte ich mit. An der Kreuzung Müller-/Triftstraße bog der
       rote Punkt links ab. Was machte er denn da? Das ist doch gar nicht der
       richtige Weg! Jetzt stoppte der Punkt an der Ecke Trift/Genter. Direkt vorm
       Biergarten Eschenbräu. Der wird doch nicht … Dann passierte lange Zeit
       nichts.
       
       Nach einer halben Stunde machte sich der Punkt offenbar frisch gestärkt
       wieder auf den Weg. Jetzt war es nicht mehr weit! Aber schon bog er wieder
       falsch ab und ruckelte über die Amrumer Richtung Plötzensee. Irritiert
       starrte ich auf den Plan. Geht der jetzt erst mal eine Runde schwimmen,
       oder was?
       
       Ganz offensichtlich tat er das. Der Punkt bewegte sich in den nächsten
       anderthalb Stunden nicht mehr vom Fleck. Inzwischen war es kurz vor sechs.
       Das angekündigte Zeitfenster drohte sich zu schließen. Endlich kam wieder
       Bewegung in den Punkt, er fuhr zurück auf die Seestraße, diesmal in die
       richtige Richtung. Mit klopfendem Herzen verfolgte ich, wie er näher und
       immer näher kam. Gleich war er da! Jetzt musste er nur noch einen
       Parkplatz finden …
       
       Aber warum suchte der denn gar nicht? Warum fuhr er einfach weiter über die
       Seestraße? Und weiter? Entsetzt schaute ich auf den Plan, auf dem sich der
       blinkende rote Punkt allmählich Richtung Prenzlauer Berg bewegte – und dann
       war er plötzlich verschwunden. Einfach weg. Öde und leer lag der Stadtplan
       vor mir.
       
       Eine E-Mail traf ein. Vom Internet-Anbieter. Ich las: „Es tut uns leid,
       aber unser Techniker konnte Sie heute leider nicht erreichen. Wir melden
       uns wieder bei Ihnen, sobald wir einen neuen Termin gefunden haben.“
       Fassungslos schaute ich auf den Bildschirm. Dann ging das Internet aus.
       
       10 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
       ## TAGS
       
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