# taz.de -- Flüchtlingsaktive in Berlin: Mehr als nur Seenotrettung
> Ein neues Bündnis will flüchtlingspolitische Initiativen stärker
> vernetzen. Eine Kundgebung im Görlitzer Park gab den Auftakt.
IMG Bild: Die Farbe der Seenotrettung weht am Görlitzer Park
Berlin taz | Orange Fahnen flattern im Wind, immer wieder ertönen
Sprechchöre – „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here!“ Am
Samstagnachmittag versammelten sich etwas über hundert Menschen unter dem
Motto „Let’s get united against Racism and War“ im Görlitzer Park in
Kreuzberg.
Sie wollen ein Zeichen setzen gegen Rassismus, Krieg, die Abschottung
Europas und das Ertrinken Geflüchteter im Mittelmeer. Organisiert wurde die
Kundgebung vom neuen Berliner Bündnis „Let’s get united!“. Dessen
Initiator*innen wollen eine offene Plattform bieten, auf der sich
Geflüchtete und in der Flüchtlingshilfe aktive Gruppen vernetzen können.
Mitbegründer Tom erklärt: „Wir wollen den Widerstand gegen Rassismus und
Fluchtursachen zusammenfassen.“ Es solle dabei keine Gruppe oder Person im
Vordergrund stehen, sondern um die Sache gehen – weshalb Tom auch seinen
Nachnamen nicht nennen will.
Ein breites Spektrum an zivilgesellschaftlichen Organisationen ist mit
Redebeiträgen und Infoständen beteiligt. Zwischendurch gibt es
Musikprogramm und ein offenes Mikrofon, an dem Geflüchtete ihre Erfahrungen
teilen.
## Gegen die Verrohung des Diskurses
Mit dabei sind auch die Aktivist*innen der Aktion Seebrücke, die mit
mehreren Großdemonstrationen in deutschen Städten gegen das Ende der
zivilen Seenotrettung im Mittelmeer bundesweit für Aufsehen gesorgt hat.
Ehrenamtliche von der Rettungsorganisation Seawatch fordern auf der Bühne:
„Es kann nicht sein, dass unsere Schiffe ohne rechtliche Grundlage in den
Häfen festgehalten werden, während auf See Menschen sterben.“ Die Situation
sei untragbar, so Florian Schulte, der selbst an mehreren Rettungsmissionen
des Rettungsschiffs „Lifeline“ beteiligt war: „Es ist, als würde man
Rettungskräfte behindern.“
Für die Aktivist*innen geht es nicht nur darum, die zivile Seenotrettung
wieder zu ermöglichen, sondern sich einer zunehmenden Verrohung des
öffentlichen Diskurses entgegenzustellen: „Erst redet man über Flüchtlinge,
entmenschlicht sie, und jetzt sind die Retter dran“, so Jörg, Aktivist der
Seebrücke. Ali Ahmed, Mitglied von Lampedusa Hamburg, einer selbst
organisierten Gruppe von Geflüchteten, sieht die Verantwortung für diese
Entwicklung auch bei den Medien: „Flüchtlinge werden in den Medien sehr
negativ dargestellt. Dabei wird vergessen, wie stark Deutschland von der
Migration profitiert.“
Zwar sind weniger Teilnehmer*innen als erhofft an diesem sonnigen
Nachmittag zur Kundgebung gekommen, doch die Botschaft kommt an: „Es ist
wichtig, sich den Rechten entgegenzusetzen und zu sagen: Hier gibt es
Leute, die eine andere Meinung haben“, erklärt ein Besucher, warum er heute
hier ist.
Den Beteiligten ist wichtig, nicht nur die aktuelle Debatte um die
Seenotrettung in den Mittelpunkt zu stellen: „Der Fokus liegt gerade auf
den Ertrinkenden im Mittelmeer, das ist richtig. Aber man muss auch sehen,
was mit den Leuten passiert, die es hierher geschafft haben“, so Christoph
Brandl von Neukölln Hilft, einem Verein, der praktische Hilfe für
Flüchtlinge anbietet. Gerade Geflüchtete aus Afrika hätten in Deutschland
wenig Perspektiven.
Tom betont, dass die derzeitige Situation auf dem Mittelmeer nicht
losgelöst von den Fluchtursachen gesehen werden könne, für die Deutschland
maßgeblich mitverantwortlich sei. Deshalb hält er es auch für wichtig, sich
für den Stopp von Rüstungsexporten und Militäreinsätzen stark zu machen.
Das vor Kurzem gegründete Bündnis soll daher der Beginn einer breiteren
Bewegung werden: „Nur durch den Druck der Straße werden die Regierenden zum
Handeln bewegt.“
12 Aug 2018
## AUTOREN
DIR Jonas Wahmkow
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