# taz.de -- Kolumne Minority Report: Rassismus ist kein Sommerlochthema
> Viele Linke sehen in Rassismuskritik nur Gejammer auf hohem Niveau und
> diskreditieren #MeTwo als Elitendiskurs. Eine Erwiderung.
IMG Bild: Schönwetter-Antirassimus kann gerne mit den Flip-Flops im Karton verstaut werden
Der Zenit des Sommers ist überstanden, sagen Meteorolog*innen. Das Wetter
wird kühler, die Ferien gehen zu Ende und wir können endlich aufhören, über
diesen Rassismus-Quatsch zu reden. War sowieso nur ein willkommenes
Sommerlochthema für deutschen Medien, die ansonsten zu dieser Jahreszeit
über Australien berichten – weil da Winter ist und was passiert.
Mal ehrlich: Dieses ganze Mimimi-[1][#MeTwo-Thema,] wegen dem jeden Tag
irgendwelche Kanaken von ihren persönlichen Rassismuserfahrungen erzählen,
geht Ihnen ganz schön auf die Nerven, nicht wahr? Dann sage ich Ihnen mal
etwas: Das soll es auch. Es macht nie Spaß, sich mit struktureller Gewalt
auseinanderzusetzen. Nicht für die, die davon betroffen sind, und nicht für
die, die dafür mitverantwortlich, weil Teil der Mehrheitsgesellschaft sind
– ob sie es wollen oder nicht. Letztere hätten zwar theoretisch die
Möglichkeit, ihre Verantwortung anzuerkennen und sich gegen
institutionellen Rassismus zu positionieren. In der Praxis aber neigen sie
eher dazu, jede Äußerung als Lappalie abzuwerten und zu relativieren.
Nicht nur FDP-Chef Christian Lindner ist der Ansicht, dass die
Diskriminierungsanklagen bei #MeTwo zu „einseitig“ sind. Auch viele Linke
sehen in Rassismuskritik nur Gejammer auf hohem Niveau. So beschrieb die
Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kurz vor #MeTwo in einem
Artikel für die Welt Antirassismus und Minderheitenschutz als
„Wohlfühl-Labels, um rüde Umverteilung von unten nach oben zu kaschieren“.
Und [2][taz-Kollege Jörg Wimalasena] folgte vergangene Woche einer
ähnlichen Argumentation, um #MeTwo als Elitendiskurs zu diskreditieren, der
sich nicht für Verteilungsfragen interessiere.
Die große Resonanz der Leser*innenschaft zeigt: Viele Linke halluzinieren
einen Konkurrenzkampf zwischen Kapitalismus und Rassismus, der natürlich
längst entschieden ist. Woher der Drang kommt, das eine Problem gegen das
andere auszuspielen, kann ich mir nicht erklären. Zumal jenen, die so
argumentieren, klar sein dürfte, dass beide -ismen eng miteinander
verknüpft sind.
Die Behauptung, dass sich im Zuge von #MeTwo bloß „privilegierte“
Migrant*innen zu Wort melden, die schon mal eine Uni von innen gesehen
haben, ändert nichts an dieser Realität. Wenn wir heute endlich die Chance
haben, dieser pseudo-weltoffenen Gesellschaft für ein paar Minuten den
Spiegel vorzuhalten, dann tun wir das auch im Namen unserer seit
Jahrzehnten putzenden und am Band schuftenden Großeltern und Eltern und
Geschwister. Ich weiß, Antirassismus macht Deutschen nur Spaß, wenn
Betroffene möglichst bedürftig und ungefährlich für die eigene Position
sind. Aber dieser Schönwetter-Antirassimus kann gerne zum Sommerende mit
den Flip-Flops im Karton verstaut werden. Denn: Den braucht kein Mensch.
12 Aug 2018
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