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       # taz.de -- Veränderungen beim Davis Cup: Dicke Geldpakete gegen die Zweifel
       
       > Der Tennis-Weltverband will den Davis Cup radikal reformieren. Profis und
       > Landesverbände halten nichts davon. Am Donnerstag wird abgestimmt.
       
   IMG Bild: Der Australier Lleyton Hewitt ist auch gegen die Reform des Davis Cup
       
       Wenn John McEnroe beim Spartensender Eurosport als Tennisexperte im Einsatz
       ist, hat er gelegentlich auch spaßig-provokative Auftritte als sogenannter
       Commissioner. McEnroe spielt seine Lieblingsrolle als kompromissloser
       Alleinentscheider dann mit Grandezza, er wettert gegen alles, was im Tennis
       faul ist, was verändert und reformiert werden müsste.
       
       Auch die Stars kommen mit ihren Mätzchen und Marotten nicht gut weg, mit
       ewigen Zeitverschleppungen oder Verletzungstricksereien. Manch einer in der
       Tennisbranche schaut mit Amüsement, aber auch mit Wehmut auf die Tiraden
       des früheren Superflegels, es schwingt die Sehnsucht nach einem starken
       Mann oder einer starken Frau mit – inmitten des üblichen Hierarchiechaos in
       diesem Sport.
       
       Die Realität im Welttennis ist nämlich eine andere als in McEnroes
       Shownummer. Es wird gerade in diesen Tagen wieder offensichtlich, da der
       schwächelnde Weltverband unter der Leitung seines Präsidenten David
       Haggerty eine Radikalreform des Davis Cup vornehmen will – des ältesten
       Teamwettbewerbs der Welt. Rund um das Umwälzungsprojekt hat sich ein
       Machtkampf entwickelt, in dem sich die verschiedensten Verbände und
       Organisationen bekriegen und heftig um Stimmen kämpfen. Eine Entscheidung
       ist nun allerdings nahe: Am Donnerstag stimmt die Generalversammlung des
       Weltverbands ITF in Orlando (Florida) über den „neuen Davis Cup“ ab,
       benötigt wird dabei eine Zweidrittelmehrheit der Delegierten.
       
       Nach allem, was man bisher weiß, dürfte das Votum äußerst knapp ausfallen.
       Entweder gegen die Kahlschlagreform – oder dafür. Haggerty, der umstrittene
       ITF-Häuptling, zeigte sich zuletzt zuversichtlich, die nötigen Stimmen
       zusammenzubekommen. Aber ebenso optimistisch präsentierten sich auch die
       Gegner des ewig lächelnden Amerikaners, jene Opposition, die vor allem vom
       australischen und deutschen Verband angeführt wird.
       
       ## Keine Transparenz
       
       Haggerty und seine Parteigänger wedelten in den letzten Wochen und Monaten
       vor allem mit dem großen Geld, das der geplante Deal mit dem Konsortium
       „Kosmos“ bringe – einer Investorentruppe, die vom spanischen Fußballprofi
       Gerard Piqué und vom japanischen Internetmilliardär Hiroshi Mikitani
       (Rakuten) repräsentiert wird. Gerade kleinere und kleinste Nationen wurden
       nach Fifa-Vorbild mit dem erwarteten Dollarregen und -segen umworben, den
       der Dreimilliardendeal über die nächsten 25 Jahre bringen soll.
       
       Die dicken Geldpakete sollen die Skepsis und die Zweifel vertreiben, die
       viele gegenüber Haggertys Reform hegen – schließlich hat der neue Davis Cup
       mit dem alten Davis Cup nichts mehr gemein. Wobei nicht wenige Bedenken
       äußern, ob die Dollars überhaupt ein Vierteljahrhundert lang fließen werden
       – angeblich gibt es nur wirkliche Garantien für zwei Jahre. „Transparenz“
       habe die ITF-Spitze um Haggerty überhaupt nicht geliefert, die
       Entscheidungsgrundlage sei mehr als dürftig, monierte zuletzt Tennis
       Europe, das viele Verbände des Kontinents vertritt.
       
       Geht es nach Haggerty, dem ITF-Chef, und seinen Verbündeten, gibt es ab der
       nächsten Saison zwar noch eine Qualifikationsrunde zu Jahresbeginn, bei der
       sich die Nationen über Heim- und Auswärtsspiele für das Finalturnier
       durchsetzen können. Doch die Endrunde soll dann in einer Wettbewerbswoche
       im November an einem einzigen Ort ausgetragen werden, zum Schluss einer
       strapaziösen und mit Terminen mehr als überfrachteten Saison, ohne die
       typische Heimspielatmosphäre.
       
       Viele Profis haben bereits deutlich ihren Unwillen bekundet, im Spätherbst,
       eigentlich schon in der Urlaubszeit zwischen den Spielserien, noch einmal
       zu diesem Turnier anzutreten. „Die Pläne zerstören die Seele des Davis
       Cup“, sagt beispielsweise der einstige französische Superstar Yannick Noah,
       „viele Fans werden ihre eigenen Topleute nicht mehr daheim bei den
       Länderspielen sehen können.“
       
       ## Eigentlich braucht es eher weniger Wettbewerbe
       
       Auch der Spielerrat der Profivereinigung ATP sprach sich jüngst gegen das
       November-Finalturnier aus, kein Wunder allerdings, denn vor wenigen Wochen
       etablierte die ATP selbst eine Neuauflage des World Team Cup – er soll
       künftig zu Jahresbeginn in Australien ausgetragen werden. Piqué und seine
       Kosmos-Geldgeber hatten auch schon mit der ATP über eine Partnerschaft
       verhandelt, ehe sie sich dem Weltverband ITF zuwandten. Nun sind die ATP
       und die ITF sogar zu Gegnern geworden, das letzte Paradox in der
       zersplitterten Tennislandschaft, die eigentlich weniger statt mehr
       Wettbewerbe brauchte.
       
       Immerhin gibt es neben den Grand-Slam-Turnieren und allen
       ATP-Veranstaltungen mittlerweile auch noch den sogenannten Laver Cup, zu
       dem sich die meisten Szenegrößen einmal jährlich für eine Woche
       verpflichtet haben: Federer, Nadal, Đoković, Zverev und Co. Gerade die
       absoluten Asse dürften so aller Voraussicht nach auch einen Bogen um den
       „neuen Davis Cup“ machen, schließlich sind die Besten zuvor im November
       auch noch bei der ATP-WM in London im harten Arbeitseinsatz.
       
       Haggerty, ehemals Präsident des amerikanischen Landesverbands, hat mit
       seinem erhofften Kosmos-Deal auch viele im Frauentennis gegen sich
       aufgebracht. Denn für den ohnehin oft im Schatten des Davis Cup stehenden
       Fed Cup hat der machtbewusste Boss keinerlei zukunftsweisende Ideen
       aufgezeigt. Allein eine Abmachung für den Davis Cup zu treffen und keine
       Vorschläge für den Teamwettbewerb der Frauen zu unterbreiten, sei „total
       respektlos“, zürnt beispielsweise Barbara Rittner, die langjährige
       Kapitänin der deutschen Frauenauswahl.
       
       15 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Allmeroth
       
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