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       # taz.de -- Zweifelhafte Praxis bei der Polizei: Windige Geschenke
       
       > Eigentlich dürfen Polizist*innen keine Spenden annehmen. Aber nach dem
       > G20-Gipfel gab es Geschenkaktionen im großen Stil. Stiftungen machen es
       > möglich.
       
   IMG Bild: Strandurlaub für lau? Aus Dank für den G20-Einsatz für einige Polizist*innen möglich
       
       Hamburg taz | Ist es verwerflich, wenn Polizist*innen aus Dank einiger
       großzügiger Spender*innen für den G20-Einsatz kostenlos am Strand abhängen?
       Eigentlich schon: Für Beamt*innen und andere Beschäftigte des öffentlichen
       Dienstes gelten strenge Regeln um Korruption zu vermeiden: „Ein Amtsträger
       oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die
       Dienstausübung einen Vorteil annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei
       Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ So regelt es Paragraf 331 im
       Strafgesetz, der „Vorteilsannahme“ verbietet. Auch Polizist*innen dürfen
       sich nichts schenken lassen.
       
       Aber es gibt Ausnahmen und Wege, wie Geschenke oder Spenden doch an die
       Polizist*innen gelangen – im Nachgang des G20-Gipfels ist das im großen
       Stil geschehen. Tageszeitungen wie das Hamburger Abendblatt und die Bild
       hatten zu [1][Spendenaktionen] aufgerufen um sich für den G20-Einsatz zu
       bedanken. Dabei waren tausende Euro zusammengekommen, außerdem Gutscheine
       für freie Übernachtungen in Hamburger Luxushotels, freier Eintritt in
       Museen und Eventlocations sowie freie Bahnfahrten zu beliebigen Zielen in
       der ersten Klasse. Auch der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)
       hatte kostenlose Übernachtungen in Ferienwohnungen im Wert von 10.000 Euro
       springen lassen.
       
       Um dieses zweifelhafte Vorgehen zu legalisieren, müssen Spenden und
       Geschenke aber einen Umweg gehen: Über die Polizeigewerkschaften werden sie
       an Stiftungen gegeben, die extra für solche Zwecke existieren und den
       Gewerkschaften angehören. Die Bundespolizei etwa nutzt dafür die
       Bundespolizei-Stiftung, die Polizei in Schleswig-Holstein den „Hilfs- und
       Unterstützungsfonds für Polizeibeschäftigte und deren Familien in Not“.
       
       Diesen Zweck verfolgt auch die [2][Volker-Reitz-Stiftung] der Gewerkschaft
       der Polizei (GdP) in Berlin. Über die lief zum Beispiel die
       10.000-Euro-Spende des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. Der
       Verbandsdirektor Andreas Breitner, selbst Ex-Polizist und ehemaliger
       Innenminister Schleswig-Holsteins, hatte den Spendenscheck medienwirksam,
       also mit Fototermin vor der Hamburger Davidwache, den Vorsitzenden der
       Gewerkschaft überreicht. Diese leitete den Betrag an die Stiftung weiter.
       Beim G20-Gipfel verletzte Polizist*innen sollten sich damit in
       Ferienwohnungen in Mecklenburg-Vorpommern von dem strapaziösen Einsatz
       erholen können.
       
       Aber warum sind die Spenden erlaubt, nur weil sie den Umweg über eine
       gewerkschaftseigene Stiftung nehmen? „Die Stiftung stellt sicher, dass die
       Zuwendung nicht an eine bestimmte Diensthandlung geknüpft ist“, erklärt der
       Hamburger Strafrechtsanwalt Sascha Böttner. Einrichtungen wie die
       Volker-Reitz-Stiftung haben den Zweck, Beamt*innen in Not zu unterstützen
       und eben nicht für bestimmte Dienstleistungen zu belohnen.
       
       Der Polizist, der die Spende empfange, wisse im Normalfall nicht, von wem
       sie komme, könne also nicht in Versuchung geraten, eine Gegenleistung zu
       erbringen. Da er die Zuwendung nicht direkt vom Geber empfange, mache er
       sich nicht strafbar. Heikel sei das aber trotzdem, sagt Böttner, „ein
       Graubereich“,
       
       Die Nichtregierungsorganisation Transparency International, die sich
       weltweit gegen Korruption engagiert, bewertet legale Spenden an
       Polizist*innen ebenfalls kritisch. „Das bekommt sehr schnell ein
       Geschmäckle“, sagt Gisela Rüß, Vorstandsmitglied der NGO. „Man sollte sich
       immer klar darüber sein, dass unter Umständen eine Gegenleistung erwartet
       wird, auch wenn das nicht sofort ersichtlich ist.“
       
       Im öffentlichen Leben seien Geschenke aus reiner Nettigkeit die absolute
       Ausnahmen – „beziehungsweise kommen eigentlich nicht vor.“ Als „Missbrauch“
       oder „klassische Korruption“ möchte sie solche Vorgänge nicht bewerten,
       wohl aber als „schwieriges Feld“, wo man bei jedem Einzelfall genau
       hingucken müsse.
       
       ## Hamburg hat eine Vorgeschichte
       
       Die Hamburger Innenbehörde hatte kurz nach dem G20-Gipfel außerdem eine
       „Generalzustimmung“ erlassen. Damit war es Polizist*innen erlaubt, bis Ende
       Juli 2017 Geschenke im Wert von bis zu 100 Euro anzunehmen. Darunter fielen
       auch die Freikarten für ein Konzert in der Elbphilharmonie, das das
       Hamburger Abendblatt veranstaltete.
       
       Auch mit solchen Ausnahmen müsse man vorsichtig sein, so Rüß. „Vor allem in
       Hamburg“: 2003 ließ der damalige Innensenator Ronald Schill die Polizei
       blau einkleiden. Den Entwurf für die neue Uniform spendierte der Designer
       Luigi Colani, die Umsetzung ging an den Klamottenhersteller Tom Tailor.
       „Sowas geht überhaupt nicht“, sagt Rüß, man müsse sich nur vorstellen, es
       solle eine Hausdurchsuchung bei Tom Tailor stattfinden – ob die dann
       wirklich durchgeführt werde, sei fraglich.
       
       15 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bild.de/news/inland/g20-gipfel/bild-hilft-g-20-polizisten-52499084.bild.html
   DIR [2] https://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/reitz_1
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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