URI: 
       # taz.de -- Abschiebungen von Asylbewerbern: Fachkräftemangel – made by Union
       
       > Ist es sinnvoll, gut integrierte Asylbewerber abzuschieben? Nein, findet
       > der CDUler Daniel Günther – und stößt damit eine Debatte an.
       
   IMG Bild: Lange ausgebildet – und dann abgeschoben? Der Syrer Aloua A. in seiner Ausbildung zum Busfahrer
       
       BERLIN taz | Da wäre zum Beispiel die Firma Vaude, die Outdoor-Kleidung,
       Rucksäcke und Schuhe herstellt. Der Bergsportausrüster mit Sitz in
       Tettnang, Baden-Württemberg, hat seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015
       zwölf Geflüchtete eingestellt, weil er für die Schweißerei und Näherei kaum
       noch Mitarbeiter fand.
       
       Inzwischen seien die Menschen voll integriert, [1][schreibt
       Geschäftsführerin Antje von Dewitz in einer Pressemitteilung.] Eine
       Erfolgsstory, eigentlich. Doch nun droht sieben von ihnen die Abschiebung.
       Von Dewitz hat dafür kein Verständnis. „Das wäre für uns ein hoher
       wirtschaftlicher Schaden, ganz zu schweigen von der menschlichen
       Katastrophe.“
       
       Solche Fälle kommen immer wieder vor. Deutsche Behörden schieben gut
       integrierte AsylbewerberInnen nach Jahren ab, weil ihr Asylgesuch abgelehnt
       wurde. Die Union sperrt sich bisher gegen ein Gesetz, das einen Spurwechsel
       ermöglicht, also einen Zugang für abgelehnte AsylbewerberInnen in den
       deutschen Arbeitsmarkt. Doch seitdem sich Schleswig-Holsteins
       Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für einen solchen Zugang
       ausgesprochen hat, kommt Bewegung in die Debatte.
       
       Die SPD zeigte sich erfreut über Günthers Vorstoß. „In den
       Koalitionsverhandlungen hat die Union den Spurwechsel abgelehnt, es ist
       gern gesehen, wenn sie da zur Vernunft kommen sollte“, sagte SPD-Vize
       Thorsten Schäfer-Gümbel am Mittwoch der taz. Die Union verweigere seit
       Jahrzehnten eine Haltung in Migrationsfragen. „Weil Einwanderung für die
       Union ein Tabuthema ist, haben sie zentrale Fragen nie für sich geklärt.“
       
       ## Kauder will keinen Spurwechsel
       
       Man müsse legale, transparente und kontrollierte Wege abseits des
       Asylsystems öffnen, betonte Schäfer-Gümbel. „Der Spurwechsel ist ein Weg
       zum Beispiel für Menschen, die sich gut integriert haben, deren Asylantrag
       aber scheitert, hier eine Perspektive zu bekommen.“ Ähnlich äußerten sich
       SPD-Fraktionsvize Eva Högl und der Innenpolitiker Burkhard Lischka.
       
       Auch aus der Opposition kam Zustimmung. FDP-Generalsekretärin [2][Nicola
       Beer schrieb auf Twitter,] gut integrierte und straffrei gebliebene
       Asylbewerber, Flüchtlinge und Geduldete müssten in Deutschland bleiben
       dürfen, wenn sie ihren Lebensunterhalt verdienten und ausreichend Deutsch
       sprächen. Linken-Fraktionsvize Jan Korte sagte, der Vorstoß von Günther sei
       „zur Abwechslung mal ein positives Zeichen aus den Reihen der Union“, auch
       wenn die Motive wohl vor allem wirtschaftlicher Art seien.
       
       „Es ist unsinnig, gut integrierte Menschen abzuschieben und gleichzeitig
       über den Fachkräftemangel zu schimpfen.“ Die Grünen sind ebenfalls für den
       Spurwechsel. Doch es ist offen, ob es zu einer Reform kommt. In der Union
       stieß Günthers Vorstoß auf wenig Gegenliebe. Er halte wenig davon, „den
       sogenannten Spurwechsel stärker zu erlauben“, [3][sagte
       Unions-Fraktionschef Volker Kauder der Passauer Neuen Presse.]
       
       Werde die Möglichkeit ausgeweitet, dann „wäre das ein Anreiz für die
       Migration einzig aus wirtschaftlichen Gründen“, sagte Kauder. [4][Der
       CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg sagte der Welt,] ein Spurwechsel vom
       Asyl- in das Einwanderungsverfahren „würde falsche Anreize setzen und noch
       mehr Asylbewerber anlocken, die dann auf solche Wechseloptionen setzen“.
       
       Im Koalitionsvertrag ist zwar von einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die
       Rede – eine Regelung für den Spurwechsel fehlt aber.
       Vaude-Geschäftsführerin von Dewitz wandte sich schon im September 2017 in
       einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel, um für ihr Anliegen zu
       werben. Eine Antwort steht bis heute aus.
       
       15 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.vaude.com/de-DE/Unternehmen/Presse/Pressemitteilungen/VAUDE-setzt-sich-bei-Innenminister-Strobl-fuer-gefluechtete-Mitarbeiter-ein
   DIR [2] https://twitter.com/nicolabeerfdp/status/1029651938814709760
   DIR [3] https://www.pnp.de/nachrichten/politik/3041444_Zuwanderung-Kauder-lehnt-Ausweitung-des-Spurwechsels-ab.html
   DIR [4] https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article181184800/Wuerde-noch-mehr-Asylbewerber-anlocken.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
   DIR Daniel Günther
   DIR Volker Kauder
   DIR Nicola Beer
   DIR Abschiebung
   DIR Asylpolitik
   DIR Jan Korte
   DIR Eva Högl
   DIR Thorsten Schäfer-Gümbel
   DIR Fachkräftemangel
   DIR Fachkräftemangel
   DIR Sozialgesetzbuch
   DIR Geflüchtete
   DIR Asylrecht
   DIR Abschiebung
   DIR Migration
   DIR Österreich
   DIR Kirchenasyl
   DIR Abschiebung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Der Check: Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
       
       Ein Tweet der AfD prangert die Zuwanderung von Fachkräften an – und
       impliziert Wohlstandsverlust.
       
   DIR FAQ Fachkräftemangel in Deutschland: Wir. Dienen. Deutschland.
       
       Weil Fachkräfte fehlen, will sich die GroKo auf ein neues Gesetz geeinigen,
       das Arbeitsmigration künftig erleichtern soll. Was man darüber wissen
       sollte.
       
   DIR Asylbewerber in Ausbildung: Auf Almosen angewiesen
       
       Infolge einer Gesetzeslücke erhalten Geflüchtete, deren Asylverfahren noch
       läuft, keine zusätzliche Unterstützung während ihrer Ausbildung.
       Niedersachsen will das ändern.
       
   DIR Unternehmer kritisieren Abschiebepraxis: Jede Hand wird benötigt
       
       Überall im Land fehlen Arbeitskräfte – und doch werden viele Geflüchtete,
       die einen Job haben, abgeschoben. Dagegen regt sich nun Widerstand.
       
   DIR Seehofers Eckpunkte: Einwanderung ohne Spurwechsel
       
       Jahrzehntelang hat sich die Union gegen ein Einwanderungsgesetz gewehrt.
       Nun geht Seehofer in die Offensive. Die aktuelle Debatte kommt darin nicht
       vor.
       
   DIR Rechtswidrige Abschiebungen: Mehr Fälle seit Jahresbeginn
       
       In diesem Jahr sind mehr Personen rechtswidrig abgeschoben worden als in
       den Vorjahren. Einige sind schon wieder zurück in Deutschland – aber nicht
       alle.
       
   DIR Kommentar CDU und AsylbewerberInnen: Bemerkenswert gestrig
       
       Behörden schieben AsylbewerberInnen ab, die die Zukunft des Landes sein
       könnten. Das sagt viel aus über das konservative Deutschlandbild.
       
   DIR Flüchtlinge in Österreich: Abschiebung während der Ausbildung
       
       In Österreich sind Hunderte Auszubildende von einer Abschiebung bedroht.
       Die Rechtsregierung verteidigt sich mit der Durchsetzung des Rechtsstaats.
       
   DIR Seehofer erschwert Flüchtlingshilfe: Kreuzzug gegen das Kirchenasyl
       
       Flüchtlinge müssen jetzt dreimal länger in Kirchen ausharren, bevor ein
       Asylverfahren in Deutschland erkämpft werden kann: bis zu 18 Monate.
       
   DIR Rechtswidrige Abschiebung aus Bayern: Uigure illegal ins Flugzeug gesetzt
       
       Bayern hat rechtswidrig einen 22-jährigen Uiguren nach China abgeschoben.
       Seit der Ankunft des Mannes gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm.