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       # taz.de -- G20-Sonderausschuss in Hamburg endet: Ein Jahr nach G20 ist noch nichts klar
       
       > Der G20-Sonderausschuss tagte am Donnerstag zum letzten Mal. Die Bilanz
       > folgt Ende September, aber das Zwischenfazit ist ernüchternd.
       
   IMG Bild: Erkenntnis am Rande: Im schwarzen Block liefen Zivilpolizisten mit
       
       Hamburg taz | Die meisten Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft blieben
       am Donnerstagabend unzufrieden zurück. Der G20-Sonderausschuss hatte zum
       15. und letzten Mal getagt.
       
       Einzig die SPD feierte in ihrem Abschlussstatement den Ausschuss als
       „gelungen“. Ihr Koalitionspartner, die Grünen, zogen ein eher gemischtes
       Fazit. Eine richtige Bilanz wollen die Ausschussmitglieder aber erst in den
       kommenden Wochen ziehen, Ende September sollen die Abschlussstatements in
       der Bürgerschaft debattiert werden. Schon jetzt ist klar: Viele
       Erkenntnisse hat der Ausschuss nicht gebracht.
       
       Die schärfste Kritik kam in der letzten Sitzung von der Linksfraktion und
       der CDU. Beide warfen dem Senat vor, die Aufklärung aktiv verhindert zu
       haben. „Lückenlose Aufklärung der G20-Chaostage war und ist unser
       Interesse, bei Rot-Grün ist es das leider nicht“, sagte der Obmann der
       CDU-Fraktion, Dennis Gladiator. „Der Bürgermeister und der Innensenator
       haben versucht, mit ellenlangen Vorträgen über allgemein Bekanntes die
       Aufklärung zu behindern.“
       
       Dabei war die CDU selbst davor zurückgeschreckt, einen Parlamentarischen
       Untersuchungsausschuss einzurichten. Der hätte erheblich mehr Rechte
       gegenüber der Exekutive gehabt, war aber gegen die rot-grüne
       Regierungsmehrheit ohne die CDU nicht durchzusetzen.
       
       ## Keine Aufklärung, keine Verantwortung
       
       Die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider kritisierte, die Sitzungen
       hätten viel Zeit und Kraft verschlungen, aber wenig zur Klärung
       beigetragen: „Politische Verantwortung hat niemand übernommen.“ Zudem habe
       der Ausschuss ein Problem mit der Gewaltenteilung. „Es ist ein Ausschuss
       der Legislative. De facto hatte aber die Exekutive in Gestalt der
       Innenbehörde die Hoheit über die Informationen, auf deren Basis wir
       gearbeitet haben“, sagte sie. Die FDP und die AfD reihten sich in die
       Kritik ein und lamentierten zudem über gewalttätige Linksextremist*innen,
       vor denen der Senat die Stadt nicht ausreichend geschützt habe.
       
       Die Aufgabe des vor einem Jahr gestarteten Sonderausschusses war es
       gewesen, in 15 Sitzungen die „gewalttätigen Ausschreitungen rund um den
       G20-Gipfel in Hamburg“ aufzuklären. Die Themenschwerpunkte der oft zähen
       Sitzungen im Rathaus waren das Sicherheitskonzept des Senats, die
       Ausschreitungen und die Auflösung der „Welcome to Hell“-Demo, die Krawalle
       in der Schanze und der Elbchaussee sowie eine Demonstration am Rondenbarg.
       
       Ausgesagt hatten unter anderem der ehemalige Bürgermeister Olaf Scholz
       (SPD), Vertreter*innen des Bundeskriminalamts und des Verfassungsschutzes
       und immer wieder ausführlich Vertreter der Hamburger Innenbehörde. Aus dem
       Rahmen fiel nur eine Sitzung in der Altonaer Kulturkirche, wo
       Anwohner*innen ihrem Ärger Luft machten.
       
       Fakten, die vorher nicht bekannt waren, hat der Ausschuss kaum zutage
       gefördert. Neuigkeiten waren immer eher am Rande aufgetaucht. So hatte
       beispielsweise Christiane Schneider im Mai in einer Sitzung öffentlich
       gemacht, dass vermummte Polizist*innen undercover im Schwarzen Block der
       „Welcome to Hell“-Demo gewesen waren. Im Juli war dem Soko-Chef Jan Hieber
       herausgeplatzt, dass die Polizei jetzt dauerhaft eine
       Gesichtserkennungssoftware zur Strafverfolgung einsetzen will.
       
       ## Zivis im schwarzen Block
       
       Ansonsten dominierten Ausführungen der Innenbehörde über die
       „Lageeinschätzung aufgrund polizeilicher Erkenntnisse“ und die enorme
       Gewaltbereitschaft linker Gewalttäter*innen. Anfangs und zwischendurch
       hatte es Skandale um geschwärzte Akten und versprochenes Videomaterial
       gegeben, das die Innenbehörde bereits zugesagt und dann nicht herausgerückt
       hatte.
       
       Die Verantwortlichen ließen keinen Zweifel an ihrer Deutung, sie hätten
       alles richtig gemacht. Die Entscheidung, den Gipfel in Hamburg stattfinden
       zu lassen, sei gut gewesen. Die Polizei habe sich im Großen und Ganzen
       vorbildlich verhalten. Lediglich die Gewaltbereitschaft international
       organisierter Linksextremist*innen habe man unterschätzt, aber mit einem
       solchen Ausmaß habe auch niemand rechnen können.
       
       So geht nun die Arbeit eines Gremiums unspektakulär zu Ende, das sich viel
       vorgenommen hatte. Aufzuklären bleibt noch viel.
       
       16 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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