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       # taz.de -- Kolumne Mithulogie: Ein kleines 1 x 1 des Rassismus
       
       > Wir müssen weiterhin über die #MeTwo-Debatte reden, schließlich geht es
       > um Rassismus. Genauer gesagt um O – wie Othering.
       
   IMG Bild: #MeTwo-Initiator Ali Can bekommt einen Oscar – das hat die Autorin zumindest geträumt
       
       Heute Nacht habe ich geträumt, dass #MeTwo vom Time Magazine zur Person des
       Jahres 2018 gekürt wurde und der Initiator Ali Can im schwarzen Ballkleid
       den Oscar entgegennahm.
       
       Ich habe auch geträumt, dass die Blumen auf meiner Fensterbank geklont
       worden sind, aber das tut hier nichts zur Sache. Denn die Sache ist #MeTwo.
       Und an dieser Sache beißen sich zurzeit eine Menge Menschen eine Menge
       Zähne aus. Ich habe lange nicht mehr so viel Kritik zu einem Text bekommen,
       in dem es nicht um Sex ging, wie zu meiner [1][#metwologie Kolumne]. Die
       Fantasievollste war: „Mithu muss immer so tun, als ginge es um sie
       persönlich.“
       
       Ja, was denn? Soll ich lieber schreiben: Als letztens einer Freundin,
       Korrektur: Person, die ich nicht kenne, was geschehen ist, was ich nicht
       mitbekommen habe? Schließlich geht es hier um Rassismus. Okay, meistens
       geht es [2][streng genommen um Othering], also um die bewusste und häufig,
       na klar, vollkommen unbewusste Einteilung von Menschen in Hier&Da oder
       Wir&Die. Und Wir, das sind nicht wir.
       
       Das Problem mit Othering ist, dass es von außen ziemlich banal aussieht.
       Was macht es schon mit mir, wenn ich ständig „Wo kommst du her / Kannst du
       Indisch sprechen / tempeltanzen / Kamasutra?“ gefragt werde? Nun, in den
       meisten Fällen nicht viel. Wenn ich jedes Mal tot umgefallen wäre, würde
       hier eine weiße Person darüber schreiben, dass sie Yoga toll findet. Und
       hey, Yoga ist ja auch toll.
       
       ## Othering wirkt zu Beginn ziemlich banal
       
       Das Problem ist, dass ich bis #MeTwo mit niemandem darüber sprechen konnte,
       außer mit Menschen mit Hautfarben ab Pantone 2431 U, und dadurch diese
       Hautfarben mit Eigenschaften aufgeladen werden, die sie echt nicht haben,
       wie der, ein Rassismusdetektor zu sein.
       
       Das Problem ist, dass wir – wer auch immer wir sind – dadurch große Teile
       unseres Alltags nicht teilen können und von daher wir – und damit meine ich
       uns alle – nicht daraus lernen und daran wachsen können. Spoiler:
       Rassistisch sind nicht nur die anderen. Natürlich bin ich auch rassistisch,
       will sagen: genauso in einem Land aufgewachsen, das Deutschsein mit einer
       Farbe versieht, die sich auf dieselbe Palette beschränkt wie Hautfarben im
       Schminkregal.
       
       Ja, [3][#MeTwo] ist ein Zeichen dafür, dass Integration ganz schön weit
       gekommen ist, da hat Alladin El-Mafalani schon recht. Das Problem ist, dass
       das Wort „Integration“ bereits impliziert, dass eine Seite sich anpassen
       muss und die andere das großzügig zulässt. Dabei sind das Vorstellungen aus
       dem 19. Jahrhundert. Indem wir diese erweitern, befreien wir auch Weiße aus
       dem Korsett des Kartoffelseins. Wenn wir ihr sein dürfen, dürft ihr auch
       wir sein.
       
       Es gibt bei Deutschsein nicht Entweder-oder. Deutschsein ist ja nicht
       Marmite, das für die einen Ambrosia und für die anderen das Zeug des
       Teufels ist. Deutschsein ist vielfältig und widersprüchlich, so wie
       Menschsein.
       
       20 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Mithu Sanyal
       
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