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       # taz.de -- Fananwalt über vermeintliche Gewalttäter: „Das ist abenteuerlich“
       
       > 95 Fußball-Fans von Werder Bremen gelten derzeit als gewalttätig.
       > Fan-Anwalt Torsten Kellermann kritisiert die Polizeidatei „Gewalttäter
       > Sport“ als zu restriktiv.
       
   IMG Bild: Die Bezeichnung „Datei Gewalttäter Sport“ ist bestenfalls nebulös
       
       taz: Herr Kellermann, was muss ich wenigstens tun, um für die Polizei als
       Gewalttäter Sport zu gelten? 
       
       Torsten Kellermann: Sie müssen irgendwie in Kontakt mit der Polizei
       geraten. Für eine Speicherung in der „Datei Gewalttäter Sport“ reicht es,
       wenn ein Beamter sich am Rande eines Fußballspiels veranlasst fühlt, Ihre
       Personalien zu kontrollieren oder Sie sich in einer Gruppe mit verdächtigen
       Personen befinden. Auch als Unschuldiger können Sie als Gewalttäter gelten,
       wenn Sie am falschen Ort sind.
       
       Sie sind Strafrechtler und haben bereits viele Fans vor Gericht vertreten.
       Was ist Ihnen dabei alles untergekommen? 
       
       Es gab mal den Fall, dass eine Gruppe Fußballfans mit einem Reisebus auf
       einer Autobahnraststätte Halt machte. Irgendjemand beschmierte mit einem
       Edding das Toilettenhäuschen – die Polizei nahm sämtliche Personalien von
       allen auf und leitete gegen alle 27 ein Verfahren wegen Sachbeschädigung
       ein. Das wurde eingestellt, aber alle waren danach als Gewalttäter Sport
       gespeichert.
       
       Gelten Bürgerrechte nicht für Fußballfans? 
       
       Die Eingriffsschwelle ist extrem niedrig bei gravierenden Konsequenzen:
       Gegen diese Personen, deren einziges Vergehen es war, mit einem Reisebus
       auf einer Autobahnraststätte zu sein, könnte das Betreten anderer Städte
       bei Fußballspielen verboten werden. Im Polizei- und Gefahrenabwehrrecht
       reicht schon ein so gerechtfertigter Verdacht.
       
       Womit müssen die Betroffenen noch rechnen? 
       
       Schlimmstenfalls können Personen an der Ausreise gehindert werden. Es gab
       etwa eine Person, die für ein Spiel in die Niederlande reisen wollte, die
       keine Straftat begangen hat, aber aufgrund eines Eintrags nicht ausreisen
       durfte. Das ein Verwaltungsgericht nachträglich die Rechtswidrigkeit
       festgestellt hatte, half ihm auch nicht weiter. Und bei privaten Ausreisen
       schauen Grenzbeamte zumindest besonders genau hin.
       
       [1][Derzeit sind 95 Werder-Fans auf der Liste, bundesweit sind es rund
       10.000]. Wie viele davon wurden nach Ihrer Einschätzung wirklich für
       Straftaten verurteilt? 
       
       Mich würde es sehr wundern, wenn es mehr als zehn Prozent wären. Für eine
       Anklage muss ein hinreichender Tatverdacht bestehen. Den gibt es aber bei
       gruppendynamischen Delikten wie Landfriedensbruch selten. Nehmen Sie etwa
       die Auseinandersetzung vor der Schänke in Bremen vergangenen Dezember nach
       dem Mainz-Spiel: Da wirft die Polizei 70 bis 80 Personen vor,
       Landfriedensbruch begangen zu haben – sie alle gelten nun als Gewalttäter.
       
       Dort gab es allerdings doch wirklich Gewalt. 
       
       Aber doch nicht von 80 Leuten!
       
       Vertreten Sie Ultras, gegen die ermittelt wird? 
       
       Ja. Für die Einleitung von Verfahren reichte es dort, Teil des Fanmarsches
       zu sein, der wie nach jedem Spiel durch das Viertel zog. Dort wird Leuten
       vorgeworfen, Landfriedensbruch begangen zu haben, nur weil sie – im Winter
       wohlgemerkt – einen Schal vor dem Gesicht trugen und sich durch die
       „Vermummung“ angeblich mit Gewalttätern solidarisiert haben sollen. Das ist
       abstrus und abenteuerlich.
       
       Was müsste sich ändern? 
       
       Man darf durch eine Personalienfeststellung oder aus vagen Verdachtsgründen
       nicht in einer Datei landen, die „Gewalttäter Sport“ heißt – ohne Chancen,
       sich dagegen zur Wehr zu setzen. Für einen Eintrag bräuchte man einen
       dringenden Tatverdacht. In der Praxis reicht oft schon ein Anfangsverdacht
       aus. Mindestens müsste die Datei differenzierter sein bezüglich der
       Verdachtsgrade. Auch das Wort Gewalt impliziert viel. Man wird aber auch
       schon für Beleidigungen oder Sachbeschädigungen gespeichert. Die
       Betroffenen werden in Bremen, im Gegensatz zu anderen Ländern, informiert,
       aber ein Löschungsantrag hat auch hier wenig Erfolgsaussicht.
       
       22 Aug 2018
       
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