URI: 
       # taz.de -- Wolfgang Gast Leuchten der Menschheit: Ein Treiben, in dem Menschen bloß Statisten sind
       
       Dunkle Machenschaften von Managern, Politikern und Geheimdiensten: In
       Dominique Manottis Roman „Kesseltreiben“ geht es um die Übernahme eines
       französischen Unternehmens durch einen US-Konzern unter, sagen wir einmal
       vorsichtig, sehr zweifelhaften Umständen. Vorlage für das Buch war die
       Übernahmeschlacht um den Turbinenhersteller und Eisenbahnbauer Alstom 2015
       – ein regelrechter Wirtschaftskrieg zwischen den Industriegiganten Siemens
       auf der einen und General Electrics auf der anderen Seite – eine vom
       Glühlampenerfinder Thomas Edison gegründete Ikone der US-Wirtschaft.
       
       Alstom heißt in Manottis Erzählung „Orstam“. Und die Frage, wie viel
       Wahrheit in „Kesseltreiben“ steckt, ist nicht wirklich wichtig. Es reicht
       die Vorstellung, dass die skrupellosen Machenschaften auf den höchsten
       Ebenen von Politik und Unternehmen so oder ähnlich tatsächlich
       stattgefunden haben könnten (einige Morde inklusive).
       
       Tatsächlich ist die Geschichte um Alstom vielschichtiger als die
       Romanhandlung. So hatten bei der Übernahme der Energiesparte von Alstom die
       Amerikaner angekündigt, 1.000 Arbeitsplätze neu zu schaffen – doch die
       Realität sah anders aus. Frankreichs Regierung drohte daraufhin mit einer
       Strafe von 50.000 Euro für jede fehlende Stelle. Die Folge: Alstom will
       sich nun von General Electrics trennen. Der französische Technologiekonzern
       steigt gegen Zahlung von 2,59 Milliarden Euro aus drei
       Gemeinschaftsunternehmen von General Electric aus, und wendet sich dann
       doch seinem Rivalen Siemens zu.
       
       Alstom soll nun bis Ende 2018 mit der Siemens-Zugsparte zusammengelegt
       werden. Bisher standen Siemens und Alstom bei Schnell-, Regional-,
       Nahverkehrszügen und Signaltechnik in hartem Wettbewerb. Aus Konzernkreisen
       heißt es, damit solle vor allem der Konkurrenz aus China die Stirn geboten
       werden, der deutsche Siemens-Konzern übernimmt die Mehrheit an dem neuen
       Branchenschwergewicht.
       
       Und hier kommt noch ein Deutscher ins Spiel: Der frühere Wirtschafts- und
       Außenminister Sigmar Gabriel soll im Frühjahr 2019 in den Verwaltungsrat
       des neuen Zugkonzerns von Siemens und Alstom wechseln. Davon ist in
       Manottis „Kesseltreiben“ (Ariadne im Argument Verlag) natürlich nicht die
       Rede. Festzuhalten bleibt: Die Autorin hat mit Mitte 70 nichts von ihrer
       Wut verloren. Die Machenschaften von Managern, Politikern und
       Geheimdiensten, amerikanischen wie französischen, die sich gegenseitig die
       Taschen füllen und für die Menschen bloß Statisten sind, treiben die
       Autorin ganz offensichtlich zur Weißglut. Gut so.
       
       Der Autor ist Redakteur der taz.
       
       11 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolfgang Gast
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA