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       # taz.de -- Übertragungsrechte von Fußballspielen: Rein in die Nische
       
       > Vor zehn Jahren startete 90elf, das erste Fußballradio in Deutschland.
       > Damals waren die Übertragungsrechte noch nicht so umkämpft wie heute.
       
   IMG Bild: Hertha-Trainer Pal Dardai (links) im Interview mit Ulli Potofski für Sky – das auch nicht mehr alles live übertragen darf
       
       Wenn heute Abend zum Bundesliga-Start der Meister der vergangenen sechs
       Spielzeiten FC Bayern München gegen die TSG Hoffenheim antritt, steht schon
       jetzt fest, dass es eines der beiden meist gesehenen Saisonspiele sein
       wird. Denn es läuft live und vor allem frei empfangbar im ZDF.
       
       Das trifft auf sämtliche anderen Spiele von nationaler Bedeutung nicht zu,
       zumal das ZDF auch erstmals keine Rechte mehr für die Champions League
       besitzt. Neben dem Pay-TV-Sender Sky überträgt der ebenso per Abo zu
       beziehende Online-Streamingdienst DAZN.
       
       Der Sportblogger Kai Pahl, der sich mit Sportübertragungsrechten
       beschäftigt und seit mittlerweile 15 Jahren eine tägliche Übersicht über
       den in Deutschland übertragenen Sport liefert, beobachtet weltweit ein
       „Rechtewirrwarr“ und zunehmende Intransparenz: Nur noch der gut informierte
       Nutzer weiß, wo was läuft, so Pahl.
       
       Auch in der Bundesliga ist es aufwendiger geworden, die Spiele live zu
       sehen oder zu hören. Seit der abgelaufenen Saison überträgt Sky nicht mehr
       alle Spiele live, obwohl der Pay-TV-Sender den mit Abstand größten Teil der
       jährlich 1,16 Milliarden Euro bezahlt – fast 900 Millionen Euro. Doch wegen
       der erstmalig von der Deutschen Fußball-Liga genutzten
       „No-Single-Buyer-Rule“ muss sich Sky die Livespiele mit Eurosport teilen,
       das zu den Randzeiten überträgt.
       
       Wie schnell sich die laut Pahl „völlig wilde Szene“ verändert, lässt sich
       auch gut bei den vermeintlich unspektakulären digitalen Audiorechten
       ausmachen. Die hat nämlich mittlerweile der eigentlich für Online-Einkäufe
       und Musikstreaming bekannte Anbieter Amazon inne.
       
       Vor zehn Jahren startete mit 90elf das erste Fußballradio Deutschlands. Der
       Privatsender aus Leipzig sendete rund um die Uhr ausschließlich
       Fußballinhalte. Er übertrug alle Spiele der 1. und 2. Bundesliga und
       beschäftigte sich in den Spielpausen mit den aktuellsten Nachrichten aus
       dem Sport. Die Radiogruppe Regiocast hatte sich die Rechte für die
       Übertragungsstandards DBV-H & DVB-T gesichert. Als DBV-H scheiterte, bekam
       er als Zugeständnis die bis dahin noch nicht ausgeschriebenen
       Internetrechte, für eine sechsstellige Summe.
       
       ## „Das war noch die grüne Wiese“
       
       Doch genauso schnell wie sich 90elf als Anlaufpunkt für fußball- und
       audioaffine Hörer etablierte, verlor der Sender die Rechte auch wieder, zum
       Unmut vieler Fans. Beim Nachfolger Sport1 wurde man mit den Audiorechten
       nie wirklich warm. Nach erneut nur einer Periode stieg Amazon erstmals als
       Anbieter von sportlichen Livestreams ein. Da war der Aufschrei längst nicht
       so groß wie beim Ende von 90elf. Zumal viele Fußballfans realisierten, dass
       sich zwar die Verpackung ändert, das Konzept und die Leute aber weitgehend
       bleiben, wie Pahl ausführt.
       
       Das sieht Florian Fritsche, Sportchef bei Amazon und schon vor zehn Jahren
       bei 90elf federführend, anders: „90elf, das war noch die grüne Wiese, die
       Möglichkeiten waren aber begrenzt.“ Zwar speist sich das Kommentatoren-,
       Moderatoren und Redaktionsteam fast zur Hälfte aus Leuten, die schon in
       Leipzig dabei waren, allerdings spiele Amazon in Sachen Technik und Umfeld
       „in einer ganz anderen Liga“. In Fußballsprache führt er fort, dass man
       nach der ersten Saison „auch ein Sommertrainingslager abgehalten“ habe.
       Zwei Podcasts werden eingestampft, darunter der „Bolzplatz“, den es schon
       bei 90elf gab, sowie der „Audiobeweis“ mit dem ehemaligen
       Bundesligaschiedsrichter Knut Kircher. Bleiben wird der Podcast
       „Zweierkette“, mit Benjamin Zander und Markus Herwig, der laut Fritsche zu
       den beliebtesten Sportpodcasts in Deutschland gehört, auch auf anderen
       Plattformen, wo er angeboten wird. Zahlen will Amazon dazu nicht nennen.
       
       ## Amazon hat beste Chancen
       
       Verzichtet hat Amazon darauf, sich um die Rechte für die Europa League zu
       bemühen. Dagegen ist die Champions League sogar noch interessanter
       geworden, weil die nicht mehr frei empfangbar ist: „Wir sind natürlich in
       einer Nische, aber wenn man mal überlegt, wie bestimmend und umfassend
       mittlerweile Audioangebote sind und wie viele Menschen in Deutschland noch
       keine Bezahlkunden sind, ist die Nische plötzlich gar nicht mehr so klein“,
       sagt Fritsche.
       
       Im Gegensatz zum Vorgänger nimmt Amazon seine Rechte ernst. Es wird
       investiert. Etwa in Experten aus der Bundesliga, nicht nur ehemalige
       Akteure sondern auch aktuelle Entscheider. Fritsche spricht von einem
       „langfristig angelegten Projekt mit innovativem und experimentierendem
       Charakter“. Tatsächlich kauft Amazon genauso wie die großen sozialen
       Netzwerke Facebook oder Twitter sowie die Perform Group, zu der DAZN
       gehört, immer mehr klassische Sportrechte ein.
       
       Insofern wird die nächste Rechtevergabe für die Bundesliga-Spielzeiten ab
       2021/22 interessant, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender und Sky
       zunehmend unter Druck geraten. Zumindest Amazon hat beste Chancen, als
       erster Onlinebieter seine Audiorechte zu behalten. Die beiden Vorgänger
       fallen als Konkurrenten weg – beide existieren nicht einmal mehr.
       
       24 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR John Hennig
       
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