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       # taz.de -- Die Wahrheit: Und er hat sich stets bemüht
       
       > Wenn es doch so einfach wäre: Trotz bräsiger Faulheit kriegt es der Homo
       > erectus nicht gebacken, von heute auf morgen auszusterben.
       
   IMG Bild: Ein einziges Häufchen Faulheit: Der hier präsentierte Homo-erectus-Schädel zeigt eindeutig, wie hohl unsere Vorfahren waren
       
       Der Frühmensch Homo erectus starb angeblich aus, weil er zu faul war. So
       schlicht lässt sich ein Bericht kürzlich auf Spiegel Online zusammenfassen.
       Ausgrabungen zeigen, dass der Homo erectus minderwertiges Gestein zur
       Herstellung von Waffen und Werkzeugen verwendete, das direkt vor seine
       Höhle rollte. Ganz in der Nähe hätte es deutlich geeigneteres Material
       gegeben.
       
       Für dessen Gewinnung hätte er jedoch einen kleinen Abhang erklimmen müssen.
       Halbwegs adäquate Mühe gab er sich allenfalls mit primitiv verfertigten
       Liegestühlen, Betten und sogar Sonnenbrillen. Druckspuren an untersuchten
       Knochen legen nahe, dass der Homo erectus meist gelegen haben muss.
       
       Überdies machten ihm Krankheiten zu schaffen, weil er stets in dieselbe
       Höhle schiss, in der er wohnte, aß und vor allem eben schlief. „Zu dumm zum
       Scheißen“, war denn auch eine Redewendung, die wohl dem emsigen und
       gewieften Homo sapiens zuzuschreiben ist. Der hatte nämlich längst ein
       simples Wasserklosett mit Bachanschluss konstruiert und einen
       Erste-Hilfe-Kurs absolviert.
       
       Auch vor Feinden war Homo erectus kaum geschützt. Kam ein
       Riesensägezahnfuchs oder gar der Homo brachialis mit seiner Keule vorbei,
       blieb er reglos im offenen Höhleneingang sitzen und hoffte, nicht gesehen
       zu werden. Doch Brachialis war zwar brutal, aber nicht blind. Der clevere
       und fleißige Homo studens hätte hier an dieser Stelle einfach nur die
       stabil und hübsch geschmackvoll gezimmerte Tür zugemacht, und Ruhe war.
       
       Unser kleiner Faulpelz hingegen schrie stattdessen laut um Hilfe, sobald
       der Angreifer den ersten die Ömme einschlug. Leider verstand den Erectus
       noch nicht einmal die eigene Sippe – schließlich hatte keiner auch nur
       irgendeine Sprache erlernt, und sei es nur die eigene.
       
       Das war natürlich sehr dumm. Denn nicht nur ein faules Aas soll der Homo
       erectus gewesen sein, sondern bei ihm brannten auch nicht alle Kerzen auf
       dem Kuchen. Sein Gehirn wies ein deutlich kleineres Volumen auf als das
       seiner Konkurrenten sowie des heutigen Menschen. Nicht die besten
       Voraussetzungen also, um sich im evolutionären Wettstreit gegen Streber und
       Überflieger durchzusetzen.
       
       ## „Eräktus is dof“
       
       Das verdeutlichen auch seine an Höhlenwänden aufgefundenen Zeugnisse.
       Jagen, Fallenstellen, Feuermachen, Materialkunde – in allen Fächern
       ausnahmslos ein „ungenügend“. Die Urheber der Zeugnisse waren natürlich die
       anderen: Homo sciens, Homo genialis und Homo schlaubergensis. Selbst ein
       arger Dummbatz wie der einfältige Neandertaler – hier zeigt sich, was schon
       allein ein Minimum an Fleiß vermag – brachte wenigstens irgendein Gekrakel
       hin: „Eräktus is dof.“
       
       Nur der Homo erectus konnte weder lesen noch schreiben, noch höhlenmalen,
       aber auch das stand ja schon in seinem Zeugnis. Das Einzige, was er 1a
       beherrschte, war das Aufrichten und Stehen. Das langte zwar eine Weile
       perfekt für die Fortpflanzung (oder, wie es der Paläontologe Ceri Shipton
       von der Australian National University in Canberra ausdrückt: „Erectus war
       ein guter Ficker“), aber damit hatten sich seine Skills bereits erschöpft.
       
       Und der Nachwuchs wollte ja auch ernährt und gekleidet, die Frau
       intellektuell gefordert und das Feuer geschürt werden. Scheidungsraten
       erreichten immense Höhen. Es war zwar wirklich toll, dass er praktisch
       immer konnte, aber auf lange Sicht wäre ein bisschen Grips auch gar nicht
       so übel gewesen.
       
       Am schlimmsten waren die Winter. Denn Jagd war jetzt nicht so super sein
       Ding. Oft verhungerten ganze Gruppen, sobald ihnen die Früchte nicht mehr
       direkt in den Mund wuchsen. Auch zogen gemeinerweise die Tiere ihre Felle
       nicht freiwillig aus und lieferten sie beim Homo erectus ab wie an der
       Garderobe. Während also der rührige und patente Homo magister in seiner
       Pelzjacke aus Riesenwollhamster schwitzend durch den Schnee stiefelte,
       drängten sich die nackten Nichtstuer frierend aneinander und zeugten bei
       der Gelegenheit gleich noch mehr arbeitsscheue Vollidioten.
       
       Aber er hat es immerhin fast zwei Millionen Jahre lang versucht, und zwar
       jeden Tag aufs Neue. Wenn ihm auf der Jagd schon nach wenigen Metern die
       schlecht befestigte Speerspitze vom Schaft bröselte, dachte er erleichtert:
       Na, hat ja sowieso keinen Zweck – ich leg mich besser noch mal hin. Zurück
       in der Höhle drehte er sich noch weitere viele tausend Male um, und ehe er
       sich versah, war er auch fast schon ausgestorben.
       
       Nur einer Handvoll unserer trägen und unterbelichteten Ahnen ist es
       gelungen, ihre Gene durch den selbst geschaffenen Engpass zu schleusen. Ob
       Kim Kardashian oder Karl-Heinz Rummenigge, ob Europapolitiker oder
       Fifa-Funktionäre – wenn wir heute auf Menschenähnliche stoßen, denen es an
       jeglicher Aufgabe, Befähigung und Nützlichkeit gebricht, wissen wir: Hier
       hat ein Homo erectus seine Nische gefunden. Unkraut vergeht eben nicht.
       
       24 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uli Hannemann
       
       ## TAGS
       
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