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       # taz.de -- Lidokino 1 – Politische Filme in Venedig: Kino gegen Rechtspopulisten
       
       > Lidokino 1: Die 75. Filmfestspiele von Venedig sind in diesem Jahr
       > bemerkenswert „politisch“ aufgestellt. Ryan Gosling ist auch da
       
   IMG Bild: Claire Foy, Ryan Gosling und Jason Clarke (von links) posieren mit einem vierten Mann
       
       Mond macht Laune. Ist schön anzusehen, bietet sich als Projektionsfläche in
       vielerlei Hinsicht an und sorgt nicht erst seit dem erfolgreichen Besuch
       von Menschen auf ihm immer wieder für Geschichten auch fürs Kino. Perfekt
       für die [1][Eröffnung der 75. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig] am
       Donnerstag, wie es scheint.
       
       Die Regie bei „First Man“, so der Titel des Films über die erste bemannte
       Mondlandung, führte der US-Amerikaner Damien Chazelle. Vor zwei Jahren
       schon setzte er mit seinem Kinohit „La La Land“ einen leichtfüßigen Auftakt
       für die Filmfestspiele. Erneut hat er Ryan Gosling als Hauptdarsteller,
       diesmal in der Rolle des Astronauten Neil Armstrong.
       
       Welt- und Zeitgeschichte bilden eines der großen übergreifenden Themen des
       Programms dieser „Mostra“, wie sie im Italienischen kurz für „Mostra
       internazionale d’arte cinematografica di Venezia“ genannt wird. Fast, als
       habe man für die erste Ausgabe des Festivals seit der
       [2][populistisch-rechten Regierungskoalition Italiens von Cinque Stelle und
       Lega] einen Gegenakzent mit engagierten Themen wählen wollen, ist dieser
       Jahrgang bemerkenswert „politisch“ aufgestellt.
       
       Allen voran der Wettbewerb: „Napszállta“ (Sunset) von László Nemes,
       Regisseur des Holocaust-Films „Son of Saul“, erzählt aus dem Budapest des
       Jahrs 1913 am Vorabend des Ersten Weltkriegs, während „Capri-Revolution“
       von Mario Martone in seiner Erzählung ein Jahr später ansetzt, unmittelbar
       vor dem Kriegseintritt Italiens. „Roma“ des mexikanischen Regisseurs
       Alfonso Cuarón zeichnet aus der jüngeren Vergangenheit ein Bild der
       politischen Unruhen in Mexiko während der siebziger Jahre.
       
       ## Noch ein Film über Breivik
       
       Ganz gegenwärtig präsentiert sich „What You Gonna Do When the World’s on
       Fire?“ des italienischen Regisseurs Roberto Minervini über die
       wiedererstarkte rassistische Gewalt gegen Afroamerikaner in den USA,
       während „22 July“ von Paul Greengrass – unter anderem verantwortlich für
       die „Jason Bourne“-Actionfilme – sich dem norwegischen Massaker von Anders
       Breivik widmet – der zweite Spielfilm über den Massenmord nach Erik Poppes
       „Utøya 22. Juli“.
       
       Mit „Hafat“ (Screwdriver) von Bassam Jarbawi nimmt sogar zum ersten Mal ein
       Film aus Palästina in Venedig am Wettbewerb teil. Und „Peterloo“ vom
       britischen Altmeister Mike Leigh schließlich erinnert an das
       Peterloo-Massaker auf dem St. Peter’s Field nahe Manchester 1819, bei dem
       15 Teilnehmer eines friedlichen Protests gegen Getreidezölle von der
       Kavallerie getötet und 400 verletzt wurden.
       
       ## Der weibliche Boxer
       
       Was politische Themen betrifft, kann man ansonsten außer Konkurrenz
       gespannt sein auf den Dokumentarfilm „Verlorene Seelen – Die Kinder der
       ISIS“ von Francesca Mannocchi und Alessio Romenzi. Die Filmemacher gehen
       dem Schicksal der halben Million Kinder und Teenager nach, die in Mossul in
       den vom IS kontrollierten Schulen und Camps während der Besetzung durch die
       Terrormiliz zu Märtyrern ausgebildet wurden.
       
       Die Nebenreihe „Giornate degli autori“ hat unterdessen einen „weiblichen
       Boxer“ als eigenes Plakatmotiv gewählt, um auf die Kritik an der geringen
       Repräsentanz weiblicher Filmemacher beim Festival zu reagieren – im
       „großen“ Wettbewerb etwa ist die Australierin Jennifer Kent mit „The
       Nightingale“ als einzige Frau weit und breit angetreten. Aus Deutschland
       wird Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem von Gerhard Richters Leben
       inspirierten fiktiven Künstlerfilm „Werk ohne Autor“ als „Löwen“-Kandidat
       dabei sein.
       
       Inhaltlich klingt das durchaus spannend. Welche Filme dann am stärksten zu
       überzeugen wissen, etwa in ihrer Haltung – Populismus gibt es immerhin auch
       im Kino –, wird sich erweisen.
       
       30 Aug 2018
       
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   DIR Tim Caspar Boehme
       
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