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       # taz.de -- Berliner Grünen-Fraktion: Träume an der Motorhaube
       
       > Die Grünen-Fraktion staunt bei der Fraktionsklausur Hamburg über einen
       > Autobahn-Überbau – und überlegt, ob das auf Berlin übertragbar wäre.
       
   IMG Bild: Von Hamburg beim Autobahnbau lernen? Grünen-Chefin Antje Kapek auf der Baustelle der A7
       
       Berlins Zukunft entsteht an diesem nieseligen Donnerstagmorgen auf der
       Motorhaube eines zufällig am Wegesrand parkenden BMW-Kombis. So wirkt es
       jedenfalls, als führende Köpfe der Grünen-Fraktion sich dort drängen, um
       auf sechs Farbkopien zu gucken, wo sich auch in Berlin die Autobahn so
       überbauen lässt wie in Hamburg. Es ist der zweite Tag ihrer dortigen
       Fraktionsklausur, und die Grünen sind sichtlich beeindruckt von dem gerade
       besichtigten Großprojekt, das Schneisen unter einem grünen Deckel
       verschwinden lässt und zugleich noch Platz für neue Wohnungen schafft.
       
       Im Nordwesten der Stadt ist die Fraktion bei ihrer Klausur unterwegs, an
       der Autobahn 7 in Stellingen. Dort entsteht auf fast einem Kilometer Länge
       ein Deckel über die dort künftig achtspurige Autobahn, mit zwei weiteren
       Abschnitten werden fast vier Kilometer Autobahn so gestaltet. Wohnungen
       sollen nicht darauf – wie über der Berliner Stadtautobahn Ende der 70er
       Jahre an der Schlangenbader Straße –, sondern daneben entstehen. Die
       Kleingärten, die jetzt noch dort sind, sollen auf den Deckel umsiedeln und
       Teil eines Grünzugs werden.
       
       An der BMW-Motorhaube beginnen die Spekulationen. „Jetzt treibt uns
       natürlich die Frage um: Ist das auch in Berlin möglich?“, sagt
       Staatssekretär Stefan Tidow von der grün-geführten Senatsveraltung für
       Verkehr und Umwelt. Für eine Antwort sei es zu früh, aber das schaffe nun
       Denkanstöße. Ins Blickfeld fällt auf den Kopien der tiefer liegende
       Abschnitt nahe dem ICC an der Neuen Kantstraße.
       
       Die Grünen haben an diesem Morgen passenderweise schon lesen können, was
       aktuell Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher vom
       Koalitionspartner Linkspartei zum Thema vorgeschlagen hat: [1][Straßenbäume
       schneller fällen] zu können, als Teil des „Handlungsprogramms zur
       Beschleunigung des Wohnungsbaus“.
       
       ## „Das ist Kahlschlag“
       
       Das kommt bei den Grünen gar nicht gut an. „Es ist selbstverständlich eine
       Aufgabe der gesamten Koalition, beim Wohnungsbau zu liefern, und darum
       finde ich es unfair, Frau Lompscher im Regen stehen zu lassen“, sagt
       Fraktionschefin Antje Kapek, „aber was sie jetzt vorschlägt, ist
       Kahlschlag.“ Wohnungsbaubeschleunigung bekomme man nicht so, sondern durch
       mehr Personal in den zuständigen Behörden hin, meint sie.
       
       Und so gibt es wieder eine handfeste Grundlage, um über das Klima in der
       rot-rot-grünen Koalition zu reden, nicht nur am Rande wie am Vorabend am
       Elbufer in St. Pauli. Beim dortigen Abendessen war zu hören, dass die
       Grünen wenig Lust auf eine Vermittlerrolle zwischen SPD und Linkspartei
       haben, konkreter: zwischen Regierungschef Michael Müller und Lompscher. Das
       passe nicht, weil die Grünen auch eigene Interessen hätten, sagt ein
       führendes Fraktionsmitglied.
       
       Allgemein gibt es die Erwartung, dass SPD und Linkspartei zügig miteinander
       ins Reine kommen müssen. Auch an einem weiteren Kriseln der SPD scheint
       keiner interessiert, weil das den Koalitionspartner noch nervöser machen
       würde.
       
       Zurück von der Autobahn in Stellingen, schaut die Fraktion noch am
       Hafenterminal vorbei, einem Vorreiter von Automatisierung und
       Computersteuerung. Es ist aber nicht so, dass die Grünen am Abend nur mit
       sehnsuchtsvollen Erinnerungen aus Hamburg heimfahren werden. Denn tags
       zuvor zeigte sich, dass Hamburg zumindest beim Fußverkehr hintendran ist:
       Dafür gibt es, anders als in Berlin, keine übergreifende Strategie.
       
       Wie ein Stoßseufzer klingt, was eine Abgeordnete dazu kommentiert: „Es ist
       doch schön zu merken, dass wir in Berlin auch mal weiter sind.“
       
       30 Aug 2018
       
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