# taz.de -- Wirtschaftsreformen in Venezuela: Facelifting für den Bolívar
> Experten vergleichen die Reformen von Präsident Nicolás Maduros bereits
> mit einer Schönheitsoperation: außen Änderung, aber kein Wandel im
> Inneren.
IMG Bild: Ein Petro, Venezuelas neue Kryptowährung, wird zukünftig mit 3.600 Bolivar bemessen
Caracas ap | Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat seinem krisengeplagten
Land dramatische Reformen verordnet, um die Wirtschaft aus dem Tief zu
holen. Dazu zählen neue Banknoten, bei denen fünf Nullen von den
Geldscheinen gestrichen wurden, und die Anhebung des Mindestlohns ab
September um mehr als 3000 Prozent. Außerdem will Maduro die Benzinpreise
auf internationales Niveau heben. Nach Ansicht von Kritikern werden solche
Maßnahmen die Situation aber nur verschlimmern.
Erste Änderungen traten am Montag in Kraft, darunter die Einführung neuer
Bolívar-Geldscheine. Banken blieben am Montagmorgen allerdings geschlossen,
während sie sich darauf vorbereiteten, den neuen „souveränen Bolívar“
auszugeben.
„Ihr müsst Geduld haben“, sagte ein Ladenbesitzer am Wochenende den
wartenden Kunden, die sein Getreide kaufen wollten. Viele andere Geschäfte
blieben geschlossen – zu unklar war zunächst, welche Preise sie für ihre
Waren setzen sollten.
Oppositionspolitiker haben für Dienstag zu landesweiten Streiks und
Protesten gegen die sozialistische Regierung aufgerufen. Falls die Massen
tatsächlich auf die Straßen strömen sollten, wäre dies die erste große
Demonstration [1][seit mehr als einem Jahr].
## Eine Tasse Kaffee für zwei Millionen Bolivar
Die Hyperinflation macht es schwer, im Land derzeit überhaupt noch
Papiergeld zu finden: Bisher war die größte Note der 100
000-Bolívar-Schein, der auf dem Schwarzmarkt derzeit weniger als drei Cent
wert ist. Eine Tasse Kaffee kostet aktuell mehr als zwei Millionen Bolívar.
Die neuen Scheine sollen die Werte zwei bis 500 umfassen und entsprechen
derzeit 200 000 bis 50 Millionen Bolívar.
Im Kampf gegen die Inflation entschied sich die Regierung 2008 unter dem
damaligen Präsidenten Hugo Chávez schon einmal, drei Nullen aus der Währung
zu streichen. Unter Experten gilt die Währungsreform als Aktion ohne gute
Aussichten. „Die Redenominierung des Bolívar wird wohl so sein, als ob er
unter dem Messer eines berühmten Schönheitschirurgen von Caracas läge“,
schrieb Wirtschaftswissenschaftler Steve Hanke von der Johns Hopkins
University in einem Gastbeitrag für das Magazin „Forbes“. „Die Optik ändert
sich, aber in der Realität ändert sich nichts. Was den Bolívar erwartet ist
ein Facelifting.“
Die Regierung schmiedet indes eifrig Pläne. Maduro will die Benzinpreise
Ende September auf internationales Niveau anheben. Ziel ist demnach, den
Schmuggel über die Grenzen hinweg einzudämmen. In keinem Land der Welt ist
Benzin so billig wie in Venezuela – eine Erinnerung daran, dass das Land
einst eines der wohlhabendsten in Lateinamerika war, mit den größten
Ölvorkommen der Welt. Der Einbruch des Ölpreises, Korruption und
Misswirtschaft in zwei Jahrzehnten sozialistischer Führung haben die
Wirtschaft aber in ein historisches Tief getrieben – und das Land in eine
politische Krise gestürzt. Die Ölförderung ist auf das Niveau von 1947
gefallen. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die Inflation
dieses Jahr eine Million Prozent übersteigen wird.
Konkret hat Maduro unterdessen eine Übergangsphase angekündigt, in der neue
und alte Banknoten zugleich im Umlauf sein sollen. Für zusätzliche
Verwirrung sorgte seine Ansage, Löhne, Preise und Renten an den Petro
knüpfen zu wollen – eine im Februar angekündigte Kryptowährung, die noch
nicht in Umlauf gebracht worden ist. Ein Petro werde 60 Dollar entsprechen
und das Ziel sei, einen an die digitale Währung gebundenen Wechselkurs zu
erreichen, sagte Maduro.
## Chaos und Verwirrung
„Die kommenden Tage werden sehr verwirrend für die Konsumenten und den
Privatsektor, besonders für Einzelhändler“, sagt Asdrubal Oliveros, der
Chef der in Caracas ansässigen Wirtschaftsanalysefirma Ecoanalítica. „Es
ist ein chaotisches Szenario.“
Um der Bevölkerung Linderung zu verschaffen, hat die sozialistische
Regierung erklärt, den Mindestlohn um mehr als 3000 Prozent steigern zu
wollen. Was die Maßnahme ab dem 1. September bewirken wird, ist unklar.
Schon im vergangenen Jahr hatte Maduro den [2][Mindestlohn um 60 Prozent
angezogen].
Ein Oppositionsbündnis aus Politik und Gewerkschaften glaubt nicht an eine
Besserung der Lage. „Die angekündigten Maßnahmen sind kein wirtschaftlicher
Erholungsplan für unser Land“, sagt Oppositionsführer Andrés Velásquez. „Im
Gegenteil, sie bedeuten mehr Hunger, mehr Ruin, mehr Armut, mehr Leid, mehr
Schmerz, mehr Inflation, eine weitere Verschlechterung der Wirtschaft.“
Auch Ladenbesitzer sind unsicher. Sie fürchten, ein plötzlicher Anstieg des
Mindestlohns werde es ihnen unmöglich machen, ihre Mitarbeiter zu bezahlen,
ohne zugleich die Preise anzuziehen. Jesús Pacheco, der in seiner Metzgerei
in Caracas sechs Leute beschäftigt, geht davon aus, Arbeiter entlassen zu
müssen, wenn er im Geschäft bleiben will. Denn die Preise aus dem
Schlachthaus seien bald sicher zu hoch. „Wir werden Waren kaufen, die
teurer sind. Wir müssen Mitarbeiter feuern. Was soll man sonst machen?“
21 Aug 2018
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## AUTOREN
DIR Scott Smith
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