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       # taz.de -- Tempo 30 in Berlin: Langsam gegen Schadstoffe
       
       > Mit zwei neuen Tempo-30-Abschnitten wird das Pilotprojekt der grünen
       > Verkehrsverwaltung weiter ausgebaut. Wie viel Nutzen es bringt, ist
       > umstritten.
       
   IMG Bild: Vorbild für zwei neue Tempo-30-Zonen: die Leipziger Straße
       
       Ab heute wird noch ein bisschen langsamer gefahren in Berlin: Mit der
       Schöneberger Hauptstraße zwischen Kleistpark und Innsbrucker Platz sowie
       dem Tempelhofer Damm zwischen Alt-Tempelhof und Ordensmeisterstraße tritt
       auf zwei weiteren Abschnitten von Hauptverkehrsstraßen ein Tempolimit von
       30 km/h in Kraft. Ziel ist, wie schon auf einem Teil der Leipziger und der
       gesamten Potsdamer Straße, die Reduzierung der vom Autoverkehr erzeugten
       Luftschadstoffe, namentlich des Stickdioxids (NO2).
       
       Mit der im April gestarteten und von der Opposition heftig kritisierten
       Maßnahme will die Verwaltung von Verkehrssenatorin Regine Günther
       (parteilos, für die Grünen) testen, ob sich die ständigen Überschreitungen
       der in der europäischen Luftqualitätsrichtlinie festgelegten NO2-Grenzwerte
       auch ohne Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge signifikant senken lassen.
       Wegen der massiven Überschreitungen der Grenzwerte in vielen Städten droht
       der Bundesrepublik eine Klage der EU-Kommission. Aus demselben Grund hat
       die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auch bereits das Land Berlin verklagt.
       
       Die Tempo-30-Strecken sollen zur Luftreinhaltung beitragen, indem sie den
       Verkehr ruhiger fließen lassen – denn gerade beim Anfahren und
       Beschleunigen werden besonders viele Schadstoffe emittiert. Um diese
       sogenannte Verstetigung zu befördern, hat die Verkehrslenkung Berlin (VLB)
       auch die Ampelschaltungen angepasst. Darüber hinaus wurden
       Messvorrichtungen aufgestellt, die die Geschwindigkeit der Fahrzeuge
       kontrollieren und den FahrerInnen über ein Display Rückmeldung („Danke“
       oder „Langsam“) geben.
       
       Und wirkt das? Ein seit Jahresbeginn an der Leipziger Straße aufgestellter
       Luftgüte-Messwagen liefert ständig Daten. Nach einem Monatsmittel von 51
       µg/m³ im April und 50 µg/m³ im Mai fiel der Wert auf 39 µg/m³ im Juni und
       37 µg/m³ im Juli, um im August wieder auf 46 µg/m³ zu steigen. Etwas zu
       viel ist das tendenziell immer noch, denn das Jahresmittel muss laut
       EU-Richtlinie unter 40 µg/m³ liegen.
       
       ## Erst mal die Testphase abwarten
       
       Laut dem Sprecher der Verkehrsverwaltung Matthias Tang lässt sich erst am
       Ende der 12-monatigen Testphase eine valide Aussage über den Effekt des
       Tempolimits treffen. Erst dann könne man beispielsweise Faktoren wie das
       Wetter herausrechnen. Dass Tempo 30 die Luft verbessert, davon ist Tang
       überzeugt: „In stark belasteten Bereichen wie der Steglitzer
       Schildhornstraße oder der Beusselstraße in Moabit ist das längst
       erfolgreiche Praxis.“
       
       Ausschlaggebend für den Erfolg ist natürlich, dass die Autofahrenden auch
       wirklich den Fuß vom Gas nehmen. Nach Angaben der Polizei ist das durchaus
       der Fall: „Die bisher ermittelten Überschreitensraten von rund 4,4 Prozent
       in der Leipziger Straße und rund 7,7 Prozent in der Potsdamer Straße
       zeigen, dass die Geschwindigkeitsgrenzen grundsätzlich eingehalten werden.“
       Befördert wird dieses verhältnismäßig regelkonforme Verhalten wohl auch
       dadurch, dass die Behörde in den Straßenabschnitten regelmäßig
       Radarkontrollen durchführt.
       
       Im Übrigen hat eine 2013 von der Senatsverwaltung in Auftrag gegebene
       Studie zu Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen gezeigt, dass
       Geschwindigkeitsdisplays und Zusatzschilder, die den Grund des Tempolimits
       – wie eben „Luftreinhaltung“ – klar benennen, die Maßnahme positiv
       beeinflussen. Und: „Der Befolgungsgrad nimmt mit zunehmender Dauer seit der
       Anordnung zu. […] Selbst nach drei Jahren ist noch eine leicht abnehmende
       Tendenz erkennbar.“
       
       Ob das am Ende ausreicht, um Fahrverbote für Dieselautos zu vermeiden –
       rechtlich sind sie seit dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im
       Februar eine Möglichkeit –, wird sich noch zeigen.
       
       Update: In der ursprünglichen Fassung des Textes hatten wir leider falsche
       Angaben zu den Mess- bzw. Grenzwerten gemacht: Genannt wurden die Summen
       aller Stickoxide (NOx) – die EU-Grenzwerte beziehen sich jedoch nur auf das
       besonders gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid (NO2). Die NO2-Messwerte
       liegen deutlich unter den NOx-Werten. Wir bitten diesen Fehler zu
       entschuldigen.
       
       3 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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