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       # taz.de -- Ausnahmezustand in Libyen erklärt: Kampf um die Kassen
       
       > Etliche Milizen kämpfen um die Macht in Tripolis. Migranten flüchten sich
       > an die Küste – in der Hoffnung auf einen Platz auf einem Schlepperboot.
       
   IMG Bild: Gestrandet im Krieg: Diese Männer wurden am Donnerstag aus einem Lager in Tripolis evakuiert
       
       Tunis taz | Nach einer Woche schwerer Kämpfe in Tripolis hat die libysche
       Regierung am Sonntag den Ausnahmezustand für die Hauptstadt ausgerufen.
       Saad al-Hamali, Sprecher der von Süden auf Tripolis vorrückenden Siebten
       Brigade, lehnte einen von den USA, England und Frankreich geforderten
       Waffenstillstand ab. Man werde „die Milizenmafias“ aus der Hauptstadt
       vertreiben.
       
       In der Nacht zu Montag besetzten weitere Brigaden aus westlibyschen Städten
       Stellungen in Tripolis, das bislang weitgehend von vier Milizen
       kontrolliert worden war. Diese hätten „die Einheitsregierung und die
       Zentralbank unter ihre Kontrolle gebracht“, sagte al-Hamali weiter.
       
       Während die Läden und Büros in Tripolis’ Innenstadt weiter geöffnet waren,
       brachten sich in Ain Zara und anderen Vororten Hunderte Familien in
       Sicherheit, weil Panzerbeschuss und Kurzstreckenraketen ganze Straßenzüge
       verwüsteten. Auch Kampfflugzeuge kamen zum Einsatz. Nach Informationen der
       taz wurden mehr als 100 Menschen bei den jüngsten Kämpfen getötet,
       mindestens 150 wurden verletzt.
       
       „Noch ist nicht klar, wer in der losen Allianz das Sagen hat“, sagt
       Menschenrechtsaktivist Hamza al-Nadsch. Die Angreifer vereine die Wut,
       „keinen Zugang zu den Geldtöpfen der Hautpstadt-Institutionen zu haben“.
       
       Die Regierung hatte mithilfe der internationalen Gemeinschaft die
       Milizionäre in der Hauptstadt auf die Lohnlisten der Ministerien gesetzt.
       In der Folge hatten diese die Regierung de facto übernommen. „Dieses
       Milizen-Kartell wollen die Eliten und Milizen aus anderen libyschen Städten
       nicht mehr akzeptieren.“
       
       Die international anerkannte Regierung in Tripolis war 2016 eingesetzt
       worden, konnte ihren Einfluss aber kaum über die Hauptstadt hinaus
       ausdehnen. Sie konkurriert mit einer Regierung im Osten des Landes.
       
       Ob sich Fayiz al-Sarradsch als Premierminister der Einheitsregierung im Amt
       halten kann, ist ungewiss. Die Siebte Brigade veröffentlichte auf ihrer
       Facebook-Seite am Sonntag Dokumente, die zeigen sollen, dass al-Sarradsch
       der Miliz 150.000 Millionen Dinar für die Einstellung der Kämpfe angeboten
       habe. „Damit will man beweisen dass die Regierung käuflich ist“, vermutet
       Aktivist al-Nadsch.
       
       ## Flüchtlinge zwischen den Fronten
       
       Von den Kämpfen betroffen sind auch die vielen an der westlibyschen Küste
       festsitzenden Migranten. Die libysche Küstenwache fängt immer mehr
       Schlepperboote ab und bringt die Menschen zurück ans Festland. Am
       Donnerstag starben mindestens sechs Menschen durch Granatenbeschuss in
       einem Flüchtlingslager im Stadtteil Al-Fallah. Das UN-Flüchtlingshilfswerk
       UNHCR und der libysche Rote Halbmond evakuierten daraufhin mehrere Hundert
       westafrikanische Migranten aus einer Kampfzone.
       
       Hinter geschlossenen Türen verhandeln Vertreter der Vereinten Nationen in
       Tripolis seit Wochen über die Standorte von sogenannten Asylzentren, in
       denen über das weitere Schicksal von Migranten entschieden werden soll.
       Verhandlungen über geplante Hilfen für die nach Libyen zurückgebrachten
       Migranten wurden derweil ausgesetzt.
       
       Ein erstes vom UNHCR und dem libyschen Innenministerium gemeinsam geführtes
       Lager für besonders gefährdete Flüchtlinge sollte bereits Ende Juli
       eröffnen. Doch finanzielle Forderungen der Miliz, die das Lager Tariq
       al-Sikka kontrolliert, haben die Unterzeichnung des Abkommens verhindert.
       In dem Lager haben daher weiterhin ehemalige Revolutionäre das Sagen.
       Helfern des Roten Halbmonds zufolge leiden die Einsitzenden unter Folter
       und Zwangsarbeit.
       
       Der Sprecher des UNHCR in Libyen und Tunesien, Tarik Argaz, hatte gegenüber
       der taz vergangene Woche erklärt, dass bald mit der Evakuierung von
       Flüchtlingen in den Niger und in andere Staaten begonnen werde. „Um die
       stark überfüllten Lager zu leeren, müssten die EU-Länder wie versprochen
       mindestens 4.000 Menschen aufnehmen, die wir ausfliegen wollen.“ Die
       Evakuierung sollte über den Hauptstadtflughafen erfolgen, der am Sonntag
       nach Raketeneinschlägen aber vorerst geschlossen wurde.
       
       Viele Migranten machen sich aus Angst vor den Kämpfen nun auf den Weg an
       die Küste, um möglicherweise doch noch in Europa Zuflucht zu finden.
       
       3 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mirco Keilberth
       
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