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       # taz.de -- Die Wahrheit: Stichworte des Sommers
       
       > Weil der Sommer dieses Jahr einfach nicht Schluss macht, wird es wohl
       > immer so weiter gehen mit den sommerlich mäandernden Kneipenthemen.
       
   IMG Bild: Erfand die Fitzoblongshow zusammen mit Michael Quasthoff: Dietrich zur Nedden
       
       Ein Sommer der Dürre? Fucking Luxusprobleme? In meiner Dachkammer war es
       heiß genug, um auf dem Küchentisch Spiegeleier zu braten. Der Toast dazu
       brauchte auch keinen Strom. Pure Sonnenenergie röstete ihn punktgenau.
       Lecker.
       
       Kaum hatte ich gegessen, läutete es dreimal. Das wird Inga sein, sagte mein
       Wunschdenken, ich also abwärts. Treffer! Wir schlurften zu der Kneipe um
       zwei Ecken, in deren Biergarten unter den Sonnenschirm.
       
       Ehe wir Erlebnisse austauschen konnten, erzählte Wirtin Gina ihr Ereignis
       des Sommers. Sie und ihr Mann Angelo hatten wie üblich für zwei Wochen ihr
       Wirtshaus geschlossen und die Familie bei Neapel besucht. Als beim Rückflug
       in unsere kleine Großstadt die Maschine über den Wolken flog, meldete sich
       per Lautsprecher eine ihnen vertraute Stimme. Es war Heiners Stimme,
       Stammgast in ihrer Kneipe, seines Zeichens Pilot, der bei seinem Chef
       beantragt hatte, genau diesen Flug zu übernehmen. Treffer!
       
       Wir beklatschten herzlich diese Freundschaftsgeste, gleichsam als ein
       Beispiel für das seltene Eindringen idyllischer Momente in den mindestens
       medial vermittelten Irrsinn der Gegenwart. Danach aber schien es
       überraschend umständlich zu sein, unseren Austausch einzuleiten. Was hatte
       ich zu berichten?
       
       Ich sagte: „Also, Stichwort ‚Reisen‘: In einem Werbespot der Deutschen Bahn
       spielen jetzt Iggy Pop und sein drahtiger Oberkörper mit. Es läuft ‚The
       Passenger‘, während Nico Rosberg durch die proppevollen Gänge eilt. Die
       beiden treffen dann lachend aufeinander. Der Song sei in der Berliner
       S-Bahn damals entstanden, lässt Iggy verlauten. Ich finde, der darf so was,
       oder?“ – „Ja, sehe ich auch so“, antwortete Inga und wollte nun offenbar
       etwas erzählen.
       
       „Stichwortfeld Drogen. Du weißt, dass ich meistens ein paar Krümel Gras bei
       mir habe. Nichts kann meine Rückenschmerzen besser lindern als der Effekt
       eines Brosamens in der gedrehten Zigarette. Nun stehe ich beim Einlass zum
       Konzert von Calexico, ein junger Typ vom Wachdienst wühlt durch meine
       Tasche und greift zu meinem Tütchen. Lächerliche Menge, kein halbes Gramm,
       schätze ich.“ – „Und er hat es dir abgenommen“, sagte ich. – „Genau“, sagte
       Inga, „das hat mich echt gewundert. Ich meine, harmloser geht’s doch nicht,
       wir leben im Jahre 2018.“
       
       „Na ja“, sagte ich, „stimmt schon. Und hätten sie in der Umhängetasche von
       Iggy Pop ein bisschen Gras gefunden, hätten sie wahrscheinlich gar nicht
       drauf geachtet.“
       
       Nach einem Schluck Rhabarberschorle sagte Inga: „Später ging ich auf eine
       Zigarette nach draußen und traf auf den Chef der Wachbrigade. Tätowiertes
       Muskelpaket, kahlköpfig, einen Kopf kleiner als ich. Ich sage zu ihm, ich
       würde doch bestimmt das Bisschen am Ende zurück kriegen. Nee, sagt er, das
       hätten sie weggeschmissen.“
       
       „Gut“, sagte ich, „Stichwort ‚Märchen‘: …“ Doch jetzt fehlt der Platz für
       die nächste Geschichte. Ein andermal.
       
       5 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dietrich zur Nedden
       
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