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       # taz.de -- Pressefreiheit in Sachsen: Der Mann vom LKA
       
       > Bei einer Anti-Merkel-Demo lässt ein Demonstrant einen ZDF-Kameramann von
       > der Polizei aufhalten. Nun stellt sich heraus: Er arbeitet fürs LKA
       > Sachsen.
       
   IMG Bild: Pegida-Demo vor Merkels Besuch auf dem Mediensommerfest der sächsischen CDU-Landtagsfraktion
       
       Die Nachricht, die der Medienservice Sachsen am Mittwoch um 19:54 Uhr auf
       einer Internetseite der Landesregierung veröffentlicht, trägt eine
       schlichte Überschrift: [1][„Information des Innenministeriums“]. Darunter
       steht ein langer Satz, der es in sich hat: „Das Sächsische
       Landeskriminalamt (LKA) hat heute das Innenministerium darüber informiert,
       dass es sich bei dem Bürger, der sich am vergangenen Donnerstag in Dresden
       verbal heftig gegen Filmaufnahmen eines TV-Kamerateams des
       ZDF-Politikmagazins ‚Frontal 21‘ gewehrt hat, um einen Tarifbeschäftigten
       des LKA handelt.“
       
       Der Bürger ist inzwischen deutschlandweit bekannt. Es ist der Mann, der auf
       den Filmaufnahmen eine Sonnenbrille und einen schwarz-rot-goldenen
       Deutschlandhut trägt. Am Nachmittag des 16. August ist er bei einer
       Demonstration gegen den Besuch von Angela Merkel in Dresden auf einen
       Kameramann des ZDF losgegangen. Er wollte nicht gefilmt werden. Er ging auf
       den Kameramann zu und rief: „Sie haben mich ins Gesicht gefilmt. Das dürfen
       Sie nicht. Frontalaufnahme. Sie haben eine Straftat begangen. Wir klären
       das jetzt polizeilich.“ [2][Dem Kameramann drohte er sogar an, ihn
       vorläufig festzusetzen].
       
       Was wie eine leichte Überreaktion beginnt, endet in einem Politikum: Die
       Polizei hält den Kameramann und dessen in der Zwischenzeit am Ort
       eingetroffenen Reporterkollegen Arndt Ginzel etwa eine Dreiviertelstunde
       lang fest. Die Polizeibeamten kontrollieren ihre Ausweise. Sie teilen ihnen
       zunächst nicht mit, warum – und hindern sie so an ihrer Arbeit. [3][Arndt
       Ginzel], der Reporter, fragt während der Polizeimaßnahme einen Beamten
       noch: „Was ist der Grund, was ist denn der Verdacht?“ In dem Video hat der
       Polizist keine Antwort.
       
       Später beschuldigt ein weiterer Mann einen der beiden ZDF-Mitarbeiter, ihn
       beleidigt zu haben. Er stellt Strafanzeige. Ginzel sagt später der taz, er
       sei mit einem anderen verwechselt worden, Filmaufnahmen belegten dies. Die
       Polizei nimmt die Anzeige auf, auch in dieser Zeit werden die beiden
       ZDF-Mitarbeiter daran gehindert, ihre Arbeit zu machen. Die Polizei wird
       später erklären, der Journalist habe zwischendurch telefoniert, was Zeit
       gekostet habe.
       
       ## Mann soll rassistischer Gruppe aus Freital angehören
       
       Aber wer ist eigentlich der Mann, der die Anzeige wegen Beleidigung
       erstattete? An jenem Donnerstag ist das noch unklar. Der Berliner
       ZDF-Reporter Ulrich Stoll twittert jedoch später, es handle sich um René
       S., der einer rassistischen Gruppe aus der sächsischen Stadt Freital
       angehöre.
       
       All das ist noch nicht bekannt, als der Journalist Arndt Ginzel am frühen
       Sonnabendmorgen ein kurzes Video der Ereignisse auf Twitter und Facebook
       stellt.
       
       [4][Der Aufschrei ist groß]: ZDF-Chefredakteur Peter Frey hält das Vorgehen
       für eine [5][„klare Einschränkung der freien Berichterstattung“],
       Journalistenverbände reagieren empört und [6][fordern eine „lückenlose
       Aufklärung“ der Vorkommnisse].
       
       Es wird diskutiert, warum die Polizei überhaupt so lange auf die
       Beschwerden des Mannes mit dem Deutschlandhut einging. Wer in Deutschland
       die Öffentlichkeit sucht, muss sich auch damit abfinden, in der
       Öffentlichkeit zu stehen und von den Medien gefilmt zu werden. In Paragraph
       23 des Kunsturhebergesetzes heißt es: „Bilder von Versammlungen, Aufzügen
       und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen
       haben“, dürften ohne Einwilligung verbreitet werden. Gegen das Argument,
       der Demonstrant habe sich gar nicht mehr auf einer Demonstration befunden,
       spricht, dass munter weiter skandiert wurde. In den Filmaufnahmen ist das
       dokumentiert.
       
       ## Kretschmer kritisiert die Journalisten
       
       Einer allerdings fällt ein schnelles Urteil: Sachsens Ministerpräsident
       Michael Kretschmer, CDU, antwortet auf Ginzels Video-Tweet – noch ehe er
       alle Umstände kennt. Kretschmer schreibt am 18. August um 17:18 Uhr, der
       Vorfall werde aufgeklärt, aber: „Die einzigen Personen, die in diesem Video
       seriös auftreten, sind Polizisten.“ Heißt: Die Journalisten sind nach
       Ansicht des Regierungschefs nicht seriös aufgetreten.
       
       Dabei steht im Raum, dass die Polizei sich von den fadenscheinigen
       Behauptungen eines Pegida-Anhängers hat leiten lassen – auf Kosten der
       freien Berichterstattung des Fernsehens. Und damit zu Lasten der
       Pressefreiheit.
       
       Am Mittwoch, den 22. August, um 16:39 Uhr, wiederholt Kretschmer seinen
       Standpunkt auf Twitter. Er schreibt: „Meine Meinung habe ich deutlich
       gesagt. Sie hat sich nicht geändert. (…) Den hashtag ‚Pegizei‘ halte ich
       für unverantwortlich!“ Wenige Stunden später veröffentlicht seine
       Landesregierung eine interessante Information.
       
       Die „Information des Innenministeriums“ stammt von Mittwochabend, 19:54
       Uhr. Darin heißt es, bezogen auf den Demonstranten mit dem Deutschlandhut,
       der alles ausgelöst hat: „Der Mitarbeiter war nach Informationen des LKA
       bei diesem Aufeinandertreffen nicht im Dienst gewesen, sondern habe als
       Privatperson an der vorangegangenen Versammlung teilgenommen.“ Der Mann mit
       dem Deutschlandhut, der die Polizei einspannte: Er arbeitet selbst bei der
       Polizei. In welcher Funktion ist noch unklar. Derzeit, erklärt das
       Innenministerium, befinde er sich im Urlaub.
       
       23 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/219998
   DIR [2] /Pressefreiheit-in-Sachsen/!5525681
   DIR [3] https://twitter.com/GKDJournalisten
   DIR [4] /Pressefreiheit-in-Sachsen/!5525681
   DIR [5] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/pegida-demonstrant-der-frontal-21-team-verbal-anging-ist-lka-mann-100.html
   DIR [6] https://www.horizont.net/medien/nachrichten/pressefreiheit-journalistenverbaende-kritisieren-vorgehen-der-dresdner-polizei-169083
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malene Gürgen
   DIR Martin Kaul
       
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