URI: 
       # taz.de -- Grüne streiten über Feminismus: Sorge um Sternchen und Kopftuch
       
       > Auf dem Frauenkongress der Grünen geht es um Intersektionalität und
       > Religion. Aktivistinnen der zweiten Welle finden die Jüngeren „infantil“.
       
   IMG Bild: Gesine Agena findet, Frauen müssen in diesen Zeiten noch solidarischer miteinander sein
       
       Unter grünen und Grünen-nahen Feministinnen ist ein Generationenstreit
       entbrannt. Anlässlich des Bundesfrauenkongresses der Partei am Wochenende
       haben sich VertreterInnen der zweiten Welle der Frauenbewegung, darunter 20
       Mitglieder aus grünen Kreisverbänden überwiegend aus Baden-Württemberg,
       gegen [1][den intersektionalen Feminismus] der jüngeren Generation gewandt.
       
       Ausgangspunkt des Streits ist ein offener Brief, den
       Kreisverbandsmitglieder an den Bundesvorstand der Grünen schrieben und den
       [2][die Zeitschrift Emma] am Donnerstag online stellte – einen Tag bevor
       der Feministische Zukunftskongress der Grünen-Frauen in Leipzig begann.
       Schon mit Blick auf die geladenen Gäste sei klar, heißt es in dem Brief,
       dass es auf dem Kongress „nicht mehr um Feminismus“ gehe. „Inklusive,
       kulturelle Konzepte“ von Feminismus „loben traditionelle und religiöse
       Zwänge als weibliche Kultur und solidarisieren sich mit Unterdrückung“.
       
       Die Speakerinnenliste des Kongresses liest sich wie das Who’s who der
       jüngeren feministischen Szene: Die [3][Rapperin Sookee] trat dort auf, die
       Bloggerinnen Anne Wizorek und Kübra Gümüşay waren eingeladen, ebenso die
       Missy-Herausgeberin Steffi Lohaus und die Autorin Mithu Sanyal. Workshops
       gab es etwa zu intersektionalem Feminismus sowie Feminismus und Religion.
       Der Frauenkongress, heißt es auf der Website, solle ein „Meilenstein auf
       dem Weg zum neuen grünen Grundsatzprogramm“ sein.
       
       Langjährige Aktivistinnen der Frauenbewegung legten in ihrer Kritik am
       Freitag noch einmal nach: Halina Bendkowski – zwar nie Mitglied der Grünen,
       aber ehemals über deren Liste im Abgeordnetenhaus von Berlin – und Barbara
       Holland-Cunz, Gießener Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt
       Frauenforschung. Die Grünen würden „feministisch entpolitisiert“, schreibt
       Bendkowski in einer Mail an die frauenpolitischen Sprecherinnen in Partei
       und Fraktion, den Bundesvorstand und Dutzende Frauen mit durchaus
       unterschiedlichen feministischen Positionen, darunter die
       Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer, die Soziologin Sabine Hark oder Elke
       Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
       
       Bendkowski kritisiert die „dritte und vierte Welle der Frauenbewegung“ und
       deren „Sternchenfeminismus“ als „infantil“. Sie fragt, ob es feministisch
       sei, „andere Kulturen und Religionen“ von der Kritik der Frauenbewegung zu
       verschonen. Die Grünen, fordert Bendkowski, müssten sich darüber klar
       werden, welchem Verständnis von Feminismus sie sich verpflichtet wissen
       wollen.
       
       Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Gesine Agena, ist dazu sehr
       klar: „In Zeiten des Erstarkens der AfD, in denen Rechte versuchen,
       Frauenrechte für sich zu vereinnahmen, muss grüne Politik intersektional,
       solidarisch und antirassistisch sein“, sagte Agena der taz. „Wir brauchen
       einen Feminismus, der unterschiedliche Diskriminierungen sieht und der auch
       solidarisch ist, wenn Frauen mit Kopftuch angegriffen werden. Unser
       Feminismus und unsere Frauenpolitik stehen für die Selbstbestimmung von
       Frauen in all ihren vielfältigen Lebensentwürfen.“
       
       ## Der Brief soll noch beantwortet werden
       
       Das habe auch der Kongress gespiegelt, meint Agena, an dem mehr als 250
       Frauen teilgenommen hätten. Dort seien unterschiedliche Generationen grüner
       Frauen zusammengetroffen, die Stimmung sei „kraftvoll und empowernd“
       gewesen. Von den Unterzeichnerinnen des Briefes sei, soweit sie wisse, aber
       nur eine gekommen. Sie finde das schade, sagte Agena, schließlich sei der
       Kongress dazu da, über derlei Grundsatzfragen ins Gespräch zu kommen.
       Beschlüsse, so die frauenpolitische Sprecherin, würden auf dem Kongress qua
       Satzung nicht gefasst. Natürlich werde den UnterzeichnerInnen des Briefes
       noch geantwortet.
       
       Auch die Leiterin des Gunda-Werner-Instituts für Feminismus und
       Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung, Ines Kappert, sagte der
       taz, auf dem Kongress habe es gute Diskussionen, aber keinerlei Streit
       gegeben. Problematisch an der Kritik finde sie, dass von den Autorinnen
       bereits eine offene Debatte über Feminismus als Ausverkauf betrachtet
       werde. Die Haltung sei: „ ‚Wir definieren, was Feminismus ist – und niemand
       sonst.‘ Das grenzt an Denk- und Diskussionsverbote.“
       
       Dass die Mails so wütend formuliert seien, liege womöglich daran, dass
       einige der Frauen „ihre Lebensleistung als Feministinnen“ infrage gestellt
       sähen. „Aber es geht nicht darum, die Leistung der vorangegangenen
       Generation zu leugnen“, sagte Kappert, „sondern darum, gemeinsam Feminismus
       weiterzuentwickeln.“
       
       9 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Szene-vor-dem-Frauenkampftag/!5386462
   DIR [2] /Berichterstattung-ueber-Chemnitz/!5533039
   DIR [3] /Kriminalisierung-der-Seenotrettung/!5520342
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patricia Hecht
       
       ## TAGS
       
   DIR Intersektionalität
   DIR Religion
   DIR Feminismus
   DIR Gender
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Schwerpunkt #metoo
   DIR Gender
   DIR Lesestück Interview
   DIR Parteiprogramm
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Debatte Grüne und Feminismus: Gestrig und ängstlich
       
       Die Grünen versäumen den neuen Feminismus. Dabei könnten sie damit nicht
       nur zur Europawahl, sondern auch für die Partei einiges bewegen.
       
   DIR Intersektionaler Feminismus: Kopftuch und Tabu
       
       Seit Jahren beißen sich feministische Lager am Thema Kopftuch fest.
       Problematisch ist nicht nur die pauschale Kritik der Generation Alice
       Schwarzer.
       
   DIR Soziologin über die urbane Mittelschicht: „Viele Linke machen sich etwas vor“
       
       Cornelia Koppetsch erforscht das Milieu der urbanen Mittelschicht. Die
       Soziologin erläutert, warum Gleichberechtigung bei Paaren oft eine Illusion
       ist.
       
   DIR Diskussion um neues Grundsatzprogramm: Grün ist der Feminismus
       
       Am Freitag starten die Grünen ihren Programmprozess. Eine Gruppe von Frauen
       fordert vorab: Frauenpolitische Fragen müssen im Mittelpunkt stehen.
       
   DIR Vier Frauen, die in den Bundestag wollen: Die Aufsteigerinnen
       
       Jung, weiblich – Abgeordnete? Ein Porträt über vier Frauen, die mit mehr
       oder minder großen Chancen in den Bundestag einziehen könnten.