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       # taz.de -- Antisemitismus in den Medien: Immer wieder Israel
       
       > Zum Gespräch lud die Junge Union unter anderem „Bild“-Chef Julian
       > Reichelt nach Hamburg ein. Der gab sich überraschend ausgewogen.
       
   IMG Bild: So wie Antisemitismus sich im ganzen politischen Spektrum finde, finde er sich im Prinzip auch in jedem Medium, sagt „Bild“-Chef Julian Reichelt
       
       Hamburg taz | Worum es gehen würde, war schnell klar: Mit einem Hinweis auf
       den [1][„3-D-Test“ in Sachen Israel] begann am Freitag eine
       Diskussionsrunde in der Hamburger CDU-Zentrale. Mit dem Hinweis also auf
       die drei am häufigsten gegen den Staat Israel gerichteten rhetorischen
       Instrumente: dessen Dämonisierung, die Anwendung doppelter Standards und,
       schließlich, die Delegitimierung seiner Existenz. Den „israelbezogenen“
       Antisemitismus nannte auch Juliane Wetzel von der TU Berlin als heute
       verbreitetste Form des Judenhasses; zumindest die, zu der sich [2][Befragte
       heute am bereitwilligsten bekennen].
       
       Die Junge Union (JU) Hamburg-Eimsbüttel hatte aber nicht nur Wetzel
       eingeladen, um über „Antisemitismus in den Medien“ zu diskutieren.
       Ebenfalls aus Berlin angereist war – neben dem Beauftragten der
       Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland, Felix Klein –
       Bild-Chefredakteur [3][Julian Reichelt]. Und der konnte auf die Tradition
       seines Hauses hinweisen: Eine Karikatur wie jene, die nach dem israelischen
       Sieg beim Eurovision Song Contest [4][in der Süddeutschen Zeitung
       erschienen war] und die nach Protesten zur Trennung von Blatt und Zeichner
       führte, so etwas, sagte Reichelt, würde es bei Bild in keine
       Entscheidungsrunde schaffen, ja nicht einmal „in den Kopf irgendeines
       Redakteurs“. Die Verbundenheit mit Israel, das Bekenntnis zu dessen
       Souveränität, das zähle „zur DNA“ des Springer-Verlags.
       
       Überhaupt Reichelt: Der gefällt sich, nicht zuletzt [5][als
       Twitter-Nutzer], ja im etwas robusterem Auftreten als Gesicht des böse
       zuspitzenden Boulevards. Umso überraschender vielleicht, wie ausgewogen er
       nun in Hamburg auftrat, und das in einem Terrain, wo er sich ja unter
       Freunden wissen konnte. Zwar hatte die JU-Gliederung die Veranstaltung
       ausdrücklich als öffentlich deklariert, aber die meisten der rund 40
       Anwesenden kannten sich dann doch.
       
       Dass sich der Antisemitismus in den Medien nicht trennen lasse von dem in
       der Gesellschaft insgesamt, sagte Reichelt etwa, und dass die tendenziöse,
       auf falsche Weise äquidistante Rede über Israel und den Nahostkonflikt auch
       kein Problem „eher linker“ Medien sei (und auch kein
       öffentlich-rechtliches): So wie Antisemitismus sich im ganzen politischen
       Spektrum finde – von der AfD, die Reichelt „nur einen Schritt entfernt von
       der Holocaustleugnung“ sieht, bis zur Linken, insbesondere „der
       gleichnamigen Partei“ –, finde er sich im Prinzip auch in jedem Medium. Auf
       Nachfragen von Moderator Johannes Weiler nannte er dann aber doch ein paar
       aus seiner Sicht besonders notorische Fälle: neben der SZ noch „Tagesschau“
       und „Tagesthemen“ sowie den Spiegel, insbesondere in seiner Online-Ausgabe.
       
       ## Antworten auf die Hetze
       
       Auch die sozialen Netzwerke mussten Thema sein, und so fiel wiederholt der
       Name von Facebook-Chef Mark Zuckerberg: Nicht nur war der ja auch einst
       Gegenstand einer problematischen SZ-Karikatur, er wäre aus Sicht seiner
       Kritiker auch dringend berufen, [6][konsequenter einzuschreiten gegen das,
       was auf Facebook so alles gesagt wird].
       
       Bloß: Die deutschen Vorstellungen davon, was zu sagen erlaubt ist und was
       nicht – sie gelten halt nicht überall, im Mutterland von Facebook etwa, den
       USA. Und ein Instrument wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz? Greife
       einerseits zu kurz, befand Reichelt, aber andererseits wolle er es nie in
       den falschen Händen sehen, etwa denen von AfD oder auch der Linkspartei.
       Denn dann wäre alles an diesem Abend Gesagte „hate speech“ gewesen, sagte
       Reichelt.
       
       Was also tun? Mehr als auf die Technik – also etwa das automatisierte
       Auffinden und Unsichtbarmachen bestimmter Inhalte in sozialen Netzwerken
       oder juristisches Vorgehen – müsse auf den Diskurs gesetzt werden, da war
       sich das Podium an diesem Abend unter Freunden einig: Auf Hetze sei am
       besten mit Gegenrede zu antworten.
       
       Vor diesem Hintergrund äußerte der Antisemitismus-Beauftragte Klein eine
       interessante Idee: Ihm schwebt eine Agentur vor, die jüdische Nachrichten
       verbreiten könnte, analog zu denen, die sich einst die beiden großen
       deutschen Kirchen zugelegt haben.
       
       9 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.hagalil.com/antisemitismus/europa/sharansky.htm
   DIR [2] /!5404120/
   DIR [3] /!5519296/
   DIR [4] /!5506527
   DIR [5] https://twitter.com/jreichelt
   DIR [6] /!5497132
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Diehl
       
       ## TAGS
       
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