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       # taz.de -- Linken-Politikerin über Hass in Chemnitz: „Es gibt einige rechte Hotspots“
       
       > Die Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen nach dem Tod eines 35-Jährigen
       > sorgt für Entsetzen. Die Linken-Politikerin Juliane Nagel wirft der
       > Polizei Versagen vor.
       
   IMG Bild: Polizisten laufen nach Abbruch des Stadtfestes durch Chemnitz
       
       taz: Am Sonntag liefen Rechte durch Chemnitz und griffen mutmaßlich
       Menschen an, von denen sie annahmen, es handle sich um Migranten.
       Überrascht Sie, dass sich so ein Vorfall gerade in Chemnitz ereignet hat? 
       
       Juliane Nagel: Mich überraschen die Geschehnisse überhaupt nicht, das ist
       ja das Schlimme. In Chemnitz gibt es einige rechte Hotspots. Man muss aber
       sagen, dass rechte Ideologie vor keinem Ort in Sachsen Halt macht.
       Spätestens seit 2015 ist bekannt, dass es in diesem Bundesland [1][ein
       Problem mit rechter Gewalt] gibt. Nirgendwo sonst ist die Zahl der
       Übergriffe gegen Geflüchtete so hoch wie hier. Man muss sich eingestehen,
       dass es so etwas wie einen Normalisierungs-Prozess gegeben hat.
       
       Vor etwa zwei Wochen wurde ein Reporterteam [2][am Rande einer
       Pegida-Demonstration] in Dresden von Polizisten mutmaßlich bei der Arbeit
       behindert. Der Demonstrant, der die Beamten auf die Journalisten aufmerksam
       gemacht hatte, stellte sich später ebenfalls als Polizist heraus. Hat
       Sachsen ein generelles Problem mit den Sicherheitsbehörden? 
       
       Wir hatten hier immer schon Probleme mit Sicherheitskräften. Ich frage mich
       heute aber vor allem: Wo ist der Lerneffekt bei den Behörden? Es gab schon
       so viele Angriffe auf Geflüchtete. Warum verfügt die Polizei aber
       anscheinend trotzdem über keine Konzepte dafür, wie man reagiert, wenn es
       zu einem Vorfall kommt, bei dem MigrantInnen eine Rolle spielen?
       
       Hat die Polizei am Sonntag in Chemnitz denn gar nichts richtig gemacht? 
       
       Ich fand die Kommunikationsstrategie der Polizei recht gelungen. Gerüchte
       wurden deutlich dementiert, Spekulation wurde vorgebeugt. Ansonsten aber
       hat die Polizei versagt. Den Beamten hätte früher klar werden müssen, wie
       viel Sprengstoff der Vorfall barg. Eine Fehleinschätzung: Es war absehbar,
       dass daraus eine große Sache wird.
       
       Hatte daran auch die AfD einen Anteil? 
       
       Die Partei hat ganz klar eine negative Rolle gespielt. Sie heizt den
       Konflikt in Chemnitz gerade massiv an. AfD-Politiker waren einige der
       ersten, die den Vorfall, bei dem ein Mann erstochen wurde, aufgegriffen und
       auf die Straße gebracht haben. Vor dem Nazi-Aufmarsch hatte auch schon eine
       Kundgebung der AfD stattgefunden.
       
       Was muss jetzt passieren? 
       
       Die Polizei muss auswerten, was passiert ist. Mich interessieren
       insbesondere die Details. Die Rechten stellten die Ankündigung ihres
       Aufmarsches um etwa 12 Uhr mittags online. Los ging es aber erst um 16.30
       Uhr. Da sind viereinhalb Stunden dazwischen. Warum hat der Polizei diese
       Zeit nicht gereicht, sich auf das vorzubereiten, was da im Anmarsch war?
       Aber gesellschaftlich muss sich natürlich auch etwas tun. Konflikte dürfen
       nicht weiter ethnisch aufgeladen werden, wie es die Rechten so gerne tun.
       Eine große Aufgabe, daran etwas zu ändern, nicht nur in Sachsen, sondern in
       der ganzen Bundesrepublik.
       
       Die CDU gilt in Sachsen als besonders konservativ. Hat die Landesregierung
       Anteil an der rechten Dynamik im Bundesland? 
       
       Ganz klar und deutlich, und das reicht weit zurück. Zum Beispiel wurde die
       Existenz von Neonazis bis hin zu rechten Terrorgruppen in Sachsen von der
       CDU lange verharmlost. Das Thema wurde vom Tisch gewischt. Und als ab 2015
       in Dresden Pegida zu demonstrieren begann, habe ich erlebt, wie die CDU das
       Thema im Landtag ein Jahr lang kleingeredet, sich Pegida anfangs sogar
       angebiedert hat. Es gibt da ein Wechselspiel, ein Andocken der CDU an die
       verbreitete rechte Stimmung. Jetzt, vor der Landtagswahl, verfolgt die CDU
       diese Strategie wohl insbesondere, um der AfD das Wasser abzugraben.
       
       27 Aug 2018
       
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