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       # taz.de -- Dokumentarfilm über die Ostsee: Die Poesie des Meeres
       
       > Volker Koepps Dokumentarfilm „Seestück“ erkundet die Ostsee als
       > Naturgebiet, Kultur- und Wirtschaftsraum. Die Region ist ein Spiegel der
       > Umbrüche.
       
   IMG Bild: Aufgewühlte Wellen in der Ostsee
       
       Brausendes Meer unter wolkenverhangenem Himmel. Brausende See am Morgen,
       der Dunst hängt über dem Wasser und bricht das Licht vor den Bäumen der
       Böschung. Brausendes Schwarz unter dem Mond. Volker Koepps „Seestück“
       beginnt mit Einstellungen, die die Nähe zur Malerei, die der Titel
       suggeriert, zu bestätigen scheinen. Doch dann verlagert sich der Film in
       handfestere Gefilde und Volker Koepp spricht mit Anwohnern der Ostsee über
       ihr Leben. „Seestück“ erkundet die Ostsee als Naturgebiet, als
       grenzüberschreitenden Kultur- und Wirtschaftsraum, wie Volker Koepp das in
       seinen Dokumentarfilmen mit so vielen Landschaftsräumen getan hat.
       
       Poetische Meerbilder, ruhige Gespräche, die eher ein Austausch sind als
       asymmetrische Interviews, in denen es einen Befragten und einen
       Fragesteller gibt, und autobiografische Anmerkungen aus dem Off sind die
       Elemente, aus denen Koepp seinen Film zusammenfügt.
       
       In den autobiografischen Passagen gibt Koepp Auskunft über seine private
       Beziehung zur Ostsee: geboren 1944 in Stettin, wurde die Ostsee dem
       Regisseur wie so vielen anderen 1961 mit der Schließung der DDR-Grenzen zum
       Sehnsuchtsort, die Küste Mecklenburg-Vorpommerns angesichts der zahlreichen
       Fluchtversuche zu „Südschweden“. Als 1989 die Mauer fiel, drehte Koepp
       gerade mit Fischern auf Usedom einen Film über die sagenumwobene Stadt
       Vineta, die im Meer versunken sein soll.
       
       Die Gespräche schwanken zwischen Alltagsbeobachtungen und größeren
       Zusammenhängen: Ein Strandfischer schlägt zu Anfang des Films einen Bogen
       von den Bedingungen der Strandfischerei in der DDR zu heute, beklagt, dass
       man von den kargen Einkünften der Heringsfischerei nach dem Wegfall der
       Subventionen der DDR keine Angestellten mehr bezahlen könne. Doch die
       schwierige wirtschaftliche Lage ist nicht die einzige Veränderung: Die
       Fische schwanken deutlich in der Größe, Umbauten der Landschaft verändern
       die Arten.
       
       Im Gespräch mit einem pensionierten Offizier der schwedischen Armee dringen
       die politischen Veränderungen der Gegenwart ins Gespräch: die sorgenvollen
       Blicke gen Osten in Skandinavien und dem Baltikum und die militärischen
       Verschiebungen, die mit ihnen einhergehen. Koepp streut ein, auf der Fähre
       vom litauischen Kleipeda nach Kiel seien auf einmal wieder US-amerikanische
       Panzer gewesen.
       
       ## Verlagerung der Militärausrüstung
       
       Der Offizier berichtet, dass der Abbau schwedischer Militärausrüstung in
       den 1990er Jahren und deren Verschiffung ins Baltikum eine der zentralen
       Tätigkeiten seiner Berufslaufbahn gewesen sei. Zum Rauschen des Meeres
       erzählt er dann, dass Anfang des 18. Jahrhunderts eine russische Flotte die
       schwedische Küste entlang gesegelt sei und die Bauernhöfe abgebrannt habe.
       Darunter war auch jener, den er heute als Pensionär bestellt. Sorgen mit
       Blick auf Russland habe er persönlich nicht, sagt er noch, bevor die Möwen
       wieder die Tonspur übernehmen.
       
       Klug lässt Koepps Film die Seestücke zwischen den Porträts von Anwohnern
       und Anwohnerinnen atmosphärisch abstrahlen und nutzt sie zugleich, um die
       Landschaft der Ostsee als einendes Element sichtbar zu halten. Die Ruhe und
       Poesie der Bilder des Meeres unterlegen die Gespräche mit dem
       Grundvertrauen in die Beständigkeit des Meeres. „Seestück“ zeichnet das
       Bild einer Region, die sich nach Umbrüchen immer wieder neu geordnet hat –
       politisch, wirtschaftlich, kulturell.
       
       Der Klimawandel stellt die Ostsee vor neue Herausforderungen. Dieses Jahr
       machte die Ostsee infolge der Erwärmung vor allem durch ein Badeverbot
       Schlagzeilen. Mit einem Mal scheint er unerwartet akut bedroht, der, wie
       der Warnemünder Meeresforscher Professor Ulrich Bathmann sagt, „Raum der
       Erkenntnis und Freude“.
       
       13 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Tietke
       
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