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       # taz.de -- Öffentliche Bibliotheken in Berlin: „Die mageren Jahre sind vorbei“
       
       > Bibliotheken boomen, weil sie längst keine reine Ansammlung von
       > Bücherregalen mehr sind, sagt Volker Heller, Chef der Zentral- und
       > Landesbibliothek (ZLB).
       
   IMG Bild: Vor der Amerika-Gedenkbibliothek findet die Konferenz „Next Library“ statt
       
       Die taz trifft Volker Heller, den Vorstand der Stiftung Zentral- und
       Landesbibliothek Berlin (ZLB), in einem kleinen Amphitheater aus Sperrholz.
       Es ist Teil eines „mobilen Campus“, den die Gruppe raumlaborberlin in den
       vergangenen Wochen vor der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) am Halleschen Tor
       errichtet hat. Eine wilde Mischung aus Kuben, Spitzdächern und amorphen
       Formen, alles aus Materialien, wie sie beim Gerüstbau zum Einsatz kommen:
       Holz, Eisenrohre, Plastikplanen. In den Räumen, aber auch in der
       benachbarten Heilig-Kreuz-Kirche wuseln Hunderte Menschen meist mittleren
       Alters herum, lauschen Präsentationen oder entwerfen Konzepte an ihren
       Laptops. Die ZLB ist in diesen Tagen Gastgeberin der „Next Library
       Konferenz“ – ein von BibliothekarInnen im dänischen Aarhus ins Leben
       gerufenes Format, das nach Chicago nun zum zweiten Mal außerhalb Dänemarks
       stattfindet. 
       
       taz: Herr Heller, was hat es mit „Next Library“ auf sich? 
       
       Volker Heller: Next Library ist eine Konferenz, die sich mit Zukunftsfragen
       der öffentlichen Bibliotheken beschäftigt, also mit Fragen wie: Was macht
       eine gute Bibliothek aus? Was ist gute bibliothekarische Arbeit? Wie können
       wir angesichts des enormen Wandels der Medientechnologie und der
       Gesellschaft auch in Zukunft eine außergewöhnliche Relevanz für unsere
       Städte und die Stadtgesellschaft erzielen? Um über diese Fragen zu
       sprechen, hat sich von Aarhus ausgehend ein internationales Netzwerk
       gebildet, das derzeit in Berlin zusammenkommt. Es mag vielleicht ein
       bisschen großspurig klingen, aber ich würde sagen: Es ist die Avantgarde
       der Bibliotheksmacher, die sich hier trifft.
       
       Haben Sie selbst in den vergangenen beiden Tagen schon etwas Neues gelernt? 
       
       Als Veranstalter muss ich ja sozusagen überall gleichzeitig sein, aber es
       gab ganz fantastische Keynotes, unter anderem von Nina Simon, der Leiterin
       des Santa Cruz Museum of Art and History, sozusagen die „Queen of
       Partizipationstheorie“. Sie hat erfolgreiche Strategien für eine echte
       Beteiligung vorgestellt, bei denen es nicht nur um Show geht; bei denen die
       Menschen eingeladen werden, selbst Bibliotheksarbeit zu gestalten und ihr
       Know-how mit anderen zu teilen.
       
       Partizipation im Bibliothekswesen – wie soll das denn konkret aussehen? 
       
       Ein Beispiel unserer Arbeit wäre die deutsch-arabische Bibliothek, die in
       Zusammenarbeit mit Geflüchteten entstanden ist. Es gab da die Initiative,
       eine kleine Bücherei aufzubauen, aber es fehlten die Räume. Wir haben dann
       Kontakt zu der Initiative aufgenommen und ihr am Ende einen eigenen Raum in
       der Berliner Stadtbücherei zur Verfügung gestellt, dem zweiten ZLB-Standort
       in der Breiten Straße in Mitte. Eine andere Beteiligungsform sind die
       wechselnden Themenräume in der AGB, zuletzt unter dem Motto „Liebe“. Da
       laden wir die Stadt ein, unterschiedliche Perspektiven zu gesellschaftlich
       oder politisch relevanten Themen aufzuzeigen. In diesem Fall wurden fünf
       Gruppen und Einzelkünstler ausgewählt, die den Raum gestaltet haben, in dem
       auch tolle Veranstaltungen gab.
       
       Noch vor zwanzig Jahren hätten viele den öffentlichen Bibliotheken keine
       große Zukunft vorhergesagt – heute platzen sie aus allen Nähten. Wieso
       eigentlich? 
       
       Menschen wollen auch in der digitalen Welt analoge Räume aufsuchen können.
       Und wir sind ja längst nicht mehr eine reine Ansammlung von Bücherregalen.
       Natürlich haben wir immer noch Bücher und Regale, aber wir bieten auch
       einen lebendigen Treffpunkt zum Reden, Lachen oder Streiten. Es gibt keine
       andere öffentliche Institution, die eine solche Reichweite in der
       Stadtgesellschaft hat: Im vergangenen Jahr haben 9,5 Millionen Menschen die
       Bibliotheken im VÖBB, dem Verbund öffentlicher Bibliotheken Berlins,
       besucht. Da entstehen millionenfache Kontakte mit anderen Menschen in einem
       physischen Raum; es wird gemeinsam Wissen erarbeitet; es werden Diskurse
       geführt, Haltungen entwickelt. Ich denke, Bibliotheken sind der Ort, wo
       Menschen ihr Wissen teilen und überprüfen können. Das hat sehr viel mit dem
       Ideal der Aufklärung zu tun.
       
       In diesem Sommer ist die endgültige Entscheidung für den Standort der
       künftigen Zentral- und Landesbibliothek gefallen: Sie wird hier auf dem
       Blücherplatz neben der AGB errichtet werden und wohl irgendwann in den
       Zwanzigerjahren ihren Betrieb aufnehmen. Was meinen Sie, wird das einmal
       der zivilgesellschaftliche Treffpunkt Berlins? 
       
       Wir werden alles tun, damit er es werden kann. Und die Chancen stehen gut:
       Die mageren Jahre der Nachwendezeit sind vorbei. Es gibt zunehmend ein
       politisches Bewusstsein dafür, wie wichtig eine gute
       Bibliotheksinfrastruktur ist. Das betrifft nicht nur die Räume, sondern
       auch die Ausstattung mit Personal oder die Frage der Öffnungszeiten. Seit
       einem Jahr öffnen wir die AGB in eingeschränkter Form auch an den Sonntagen
       – ein Angebot, das sehr gut angenommen wird. Wir finanzieren das zurzeit
       noch über Rücklagen. Aber demnächst muss der Berliner Senat da auch Farbe
       bekennen.
       
       14 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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