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       # taz.de -- Grünen-Fraktionschef zu Chemnitz: „Aufarbeitung ist dringend nötig“
       
       > Anton Hofreiter übt scharfe Kritik an Innenminister Seehofer. Jener habe
       > mit fahrlässigem Gerede den Nährboden für Selbstjustiz geschaffen.
       
   IMG Bild: Grünen-Fraktionschef Hofreiter nennt die Vorfälle in Chemnitz „verstörend“
       
       taz: Herr Hofreiter, in Chemnitz haben in der Nacht tausende Rechte
       randaliert. Wie bewerten Sie die Vorfälle? 
       
       Anton Hofreiter: Was in Chemnitz passiert ist, ist verstörend:
       Rechtsradikale randalieren, zeigen den Hitler-Gruß, jagen Menschen – und
       die Polizei ist nicht in der Lage, das zu unterbinden. Es ist fürchterlich,
       dass dort ein Mensch getötet wurde. Recht spricht in unserem Rechtsstaat
       alleine die Justiz – und niemals eine hetzende Meute. Das muss
       unmissverständlich klar sein.
       
       Welche Verantwortung trägt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer? 
       
       Herr Kretschmer ist als Regierungschef für die sächsischen
       Sicherheitsbehörden verantwortlich, die zum Teil völlig überfordert waren.
       Dass ein Mob die Herrschaft über die Straßen an sich reißt, darf nicht
       passieren. Ich erwarte, dass sich Herr Kretschmer klar positioniert – und
       sicherstellt, dass die Polizei ordentlich ausgestattet ist und
       professionell arbeiten kann. Der Ministerpräsident muss endlich erkennen,
       dass er in Sachsen ein massives Problem mit Rechtsextremismus hat und
       Rechtsextremismus entschieden bekämpfen. Ich zweifle allerdings an seiner
       Fähigkeit, die Lage richtig einzuschätzen. Er hat kürzlich erst die Polizei
       auf Twitter voreilig gelobt, obwohl sie Journalisten während einer
       Pegida-Demo 45 Minuten daran hinderte, ihrer Arbeit nachzugehen.
       
       Was erwarten Sie von der Bundesregierung? 
       
       Ich bin erschüttert, dass der Innenminister sich nicht sofort
       unmissverständlich geäußert hat. Es ist ja nicht das erste Mal, dass
       Sicherheitsbehörden in Sachsen gegenüber Rechtsradikalen versagen. Eine
       Aufarbeitung ist dringend nötig. Stattdessen erleben wir seit Wochen wie
       aus der CSU bewusst Hass gesät wird und Herr Seehofer mit seinem
       fahrlässigen Gerede von der „Herrschaft des Unrechts“ den Nährboden für
       Selbstjustiz geschaffen hat. Herr Seehofer muss seine Verantwortung als
       Innenminister ernst nehmen und unzweifelhaft den Rechtstaat verteidigen,
       rechte Gewalt verurteilen und Initiativen gegen Rechts stärken. Ich habe da
       allerdings kein großes Vertrauen. Mich treibt eher die Sorge um, dass der
       Innenminister auf dem rechten Auge eine Sehstörung hat.
       
       Müsste Merkel nach Chemnitz fahren, um zu zeigen, dass der Rechtsstaat
       solche Übergriffe nicht duldet? 
       
       Ein solcher Besuch wäre ein starkes Zeichen, dass der Rechtsstaat das, was
       dort passiert ist, nicht duldet. Allerdings muss dann sichergestellt
       werden, dass nicht am Ende der rechte Mob keifend die Szenerie beherrscht.
       Denken Sie an die Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden 2016 –
       damals wurde Merkel vor der Frauenkirche aggressiv ausgebuht.
       
       28 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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