# taz.de -- Migrantenorganisationen über Chemnitz: „Um Jahrzehnte zurückgeworfen“
> Opferberatung und Flüchtlingsrat wünschen ein klares Zeichen gegen
> Rechts. Die Nazi-Szene in Chemnitz sei klein, aber gut vernetzt.
Dresden taz | Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt RAA in Chemnitz
hält die Stadt bislang nicht für einen Schwerpunkt rassistischer
Übergriffe. Deren Zahl bewege sich mit 20 im vorigen Jahr etwa im
sächsischen Durchschnitt, berichtete André Löschner von der Opferberatung
am Mittwoch in Dresden. Diese seien eher spontan erfolgt. Löschner
erinnerte aber daran, dass auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs 2015 in
Chemnitz wie an anderen Orten auch Demonstrationen mit mehreren tausend
Teilnehmern stattfanden.
Auch die organisierte rechte Szene sei nicht besonders groß, wenn auch gut
vernetzt. Das Label PC-Records, das Neonazimusik vertreibt, hat in Chemnitz
seinen Sitz. Die Kameradschaft „Rechtes Plenum“ hat versucht, den Stadtteil
Sonnenberg als Nazi-Kiez zu erobern. Beim Kampfsport und in der Fanszene
des CFC-Fußballklubs gebe es Hooligans und Rassisten, sagte Löschner.
Aus ihren Reihen gingen beispielsweise die „Kaotics“ hervor, [1][die am
Sonntag Jagd auf Ausländer in Chemnitz machten]. Die nationalsozialistische
Partei „Der dritte Weg“ habe jüngst ihre Aktivitäten auffällig verstärkt.
Der Opferberater forderte von der Staatsregierung und der Chemnitzer
Stadtspitze „endlich eine klare Haltung, die über Fassungslosigkeit
hinausgeht“.
Ein klares Zeichen gegen Rechts bei den politisch Verantwortlichen vermisst
auch der Sächsische Flüchtlingsrat. „Man ist eher mit importiertem Terror
beschäftigt als mit dem hiesigen Terror gegen Flüchtlinge“, sagte Thomas
Hoffmann. Überdies hätten Reden wie die von Bundesinnenminister Horst
Seehofer über eine „nationale Kraftanstrenung“ das Klima vergiftet.
Hoffmann sprach von einer „neuen Qualität“, die über die Pogrome in Rostock
oder Hoyerswerda Anfang der 1990er Jahre hinausgehe. „Die Verantwortlichen
tun sich schwer, die Dinge zu benennen“, fügte er hinzu.
„Wir sind dort angekommen, wovor wir immer gewarnt haben“, ergänzte
Emiliano Chaimite als Vorsitzender des Dachverbandes Sächsischer
Migrantenorganisationen. „Es kommt zur Explosion, wenn man nicht konsequent
ahndet!“ Die Migrantenarbeit werde „um Jahrzehnte zurückgeworfen“.
Chaimite berichtete von einer Podiumsdiskussion [2][mit Ministerpräsident
Michael Kretschmer] (CDU). Dort habe der Regierungschef bestritten, dass
der Alltagsrassismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei.
Kretschmer und mehrere Landesminister werden am Donnerstag im Rahmen der
lange geplanten „Sachsengespräche“ Chemnitz besuchen und mit Bürgern
diskutieren.
29 Aug 2018
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DIR Michael Bartsch
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