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       # taz.de -- Kolumne German Angst: Roter Teppich für die Nazis in Köthen
       
       > Am Sonntag sind wieder Rechtsextreme durch Köthen gelaufen. Doch anstatt
       > den Nazis etwas entgegen zusetzen, schließen viele nur die Augen.
       
   IMG Bild: Knapp 1.400 Rechte gingen am Sonntag in Köthen auf die Straße
       
       Ja, ich war vor Sonntag schon mal in Köthen. Dort habe ich eine russische
       Bekannte an der Hochschule Anhalt besucht. An jener Fachhochschule, die
       [1][nun ihre Studierenden warnte], am Sonntag in die Stadt zu gehen. Sogar
       eine Notfallhotline wurde für eingerichtete. Rechte oder Nazis wurden nicht
       erwähnt, nur „potentiell gefährliche Demonstrationen“. Die Studierenden
       werden es verstanden haben.
       
       Am Sonntag war ich dort zum zweiten Mal. Köthen hat nicht mal 26.000
       EinwohnerInnen und ein paar Gäste mehr: [2][Faschisten, Rechte und
       bürgerliche Fanboys]. Aber auch ein paar hundert Gegendemonstranten. Eine
       Frau schreibt in einem Forum, die Köthener wünschten sich, dass am Sonntag
       niemand in das friedliche Köthen reise. Niemand. Sie schreibt: Die Straßen
       seien nicht so groß wie die in Chemnitz. Viele sehen es so, wie diese Frau.
       Lieber die Augen zu machen, Decke über den Kopf. Hitlergrüße, Hassreden und
       Hetzjagden sind ja erst dramatisch, wenn sie zur Strafanzeige kommen. Ein
       paar Tage später. Oder nie.
       
       Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht bittet die Bevölkerung,
       die Augen vor Faschisten und Rechten zu verschließen. Wortwörtlich. Die
       KöthenerInnen sollten ihre Rollläden herunterlassen, „[3][um ein Zeichen zu
       setzen, dass man die nicht sehen will]“.
       
       Verstehe diese Kapitulation wer will. Absolut nachvollziehbar, dass nicht
       wenige, dort wo jedeR jedeN kennt, Angst haben, gegen Nazis auf die Straße
       zu gehen. Absolut unverständlich aber jene, die Stahlknecht vorausgeeilt
       sind und von dem kleinen Rest Engagierter von Außerhalb fordern, Köthen zu
       meiden. Sie rollen den Rechten den roten Teppich aus, räumen die bunt
       gemalten Straßen frei für Hass, Hetze und Übergriffe.
       
       ## Nett sein ist nicht genug
       
       Dabei ist die Stimmung in Sachsen und Sachsen-Anhalt auch so: Nicht wenige
       Nichtrechte auch unter den Regierenden haben Angst, dass ihnen ihre Stadt
       unter dem Amtssessel angezündet wird, dass die Leute lieber ihr Dorf
       brennen lassen, als dieselbe Luft mit Zugezogenen zu atmen. Ende letzter
       Woche trafen sich in Dessau Politiker aus der Region. [4][Sie
       unterschrieben auf dem Köthener Stadtwappen], darauf stand: „Kraft, Mut und
       Unterstützung wünschen wir allen, die angesichts von Trauer und Wut und
       Fassungslosigkeit weiter die Grundwerte eines demokratischen Staates achten
       und leben: Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz“.
       
       Das ist richtig und eine nette Geste. Aber nett reicht nicht mehr bei einer
       Stimmung, die an die 90er erinnert. Das Grußwort ist wie die allerletzte
       Message, abgesetzt von einem Rest intelligenten Leben und ins Weltall
       geschickt. Tschüss, das waren wir. Wir machen keine Politik mehr. Dürfen
       wir noch wen grüßen? Ja, dann jene, die an unserer statt für Demokratie
       einstehen!
       
       Man kann nur hoffen, dass bald wieder Politik gemacht wird. Aus den
       Parlamenten und Stadtregierungen, in denen die Leute hin- und nicht
       wegsehen.
       
       17 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hs-anhalt.de/hochschule-anhalt/aktuelles/update.html
   DIR [2] /!5535963/
   DIR [3] https://www.mz-web.de/koethen/rechte-demo-am-sonntag-stahlknecht-raet-koethenern--zu-hause-zu-bleiben-31269894
   DIR [4] https://www.supersonntag-web.de/wisl_s-cms/_supersonntag/7218/Koethen/57623/Demokratiekonferenz_unterstuetzt_Zivilgesellschaft_in_Koethen.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sonja Vogel
       
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