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       # taz.de -- Karoline Linnert ist abgewählt: Das Ende einer grünen Ära
       
       > Die Basis der Bremer Grünen wählt die „knallgrüne“ Umweltpolitikerin
       > Maike Schaefer zur Spitzenkandiatin der Landtagswahl – die grüne
       > Bürgermeisterin tritt ab.
       
   IMG Bild: Strahlende Siegerin, ernste Verliererin: Maike Schaefer und Karoline Linnert, hier vor der Urwahl
       
       Bremen taz | „Basis ist Boss“ war der Slogan – und Boss hat entschieden:
       Von den 722 Bremer Grünen-Mitgliedern haben 223 für die Biologin und
       Umweltpolitikerin Maike Schaefer als Spitzenkandidatin für die
       Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr gestimmt, [1][191 für die amtierende
       Finanzsenatorin und stellvertretende Ministerpräsidentin Karoline Linnert].
       Mit 63,2 Prozent lag die Beteiligung an der Urwahl ein wenig über dem
       Bundesdurchschnitt bei solchen Anlässen.
       
       Die Landesvorsitzende Alexandra Werwath versuchte, die Urwahl als Erfolg
       für die Politik des Landesvorstands zu reklamieren. In Wahrheit hatte der
       Landesvorstand sich aber auf Linnert für den Wahlkampf 2019 festgelegt.
       Nach einem Sturm der Entrüstung hatte ein Votum der Mitgliederversammlung
       diese Urwahl erzwungen. Mit Linnert ist auch die Idee eines Frauen-Trios
       gescheitert; mit Linnert sollten die amtierende Sozialsenatorin Anja
       Stahmann und Schaefer den Wahlkampf „vorn“ bestreiten.
       
       An der Basis war die Idee „Frauentrio“ eher als „Wir wollen weiter machen“
       seitens der beiden Senatorinnen Linnert und Stahmann aufgefasst worden.
       Mitglieder fühlten sich vor vollendete Tatsachen gestellt, da das „Trio“ in
       der Presse angekündigt und vom Landesvorstand gefeiert worden war, bevor
       die Mitglieder darüber reden konnten. Das kam nicht gut an.
       
       Im innergrünen Wahlkampf hatten die beiden Kandidatinnen einander ziemlich
       geschont. So ist auch am Tag danach nicht so einfach zu sagen, was über die
       Personalfrage hinaus da entschieden worden ist.
       
       Sie stehe für „knallgrüne ökologische Themen“, betont Maike Schaefer immer
       wieder. Da sie aber als Fraktionsvorsitzende in die Koalition mit der SPD
       eingebunden ist, ist das eher ein guter Werbeslogan.
       
       Linnert dagegen hatte in ihrer Selbstdarstellung für die
       Kandidatendiskussion geltend gemacht, sie sei „als Mitglied der
       Landesregierung der Senatsdisziplin unterworfen“. Das ist ein Punkt, der
       ihr vielfach vorgehalten wurde: Dass nämlich ihr Profil in der
       Öffentlichkeit eher das der Sparkommissarin ist.
       
       ## Eine Frage des Rollenspiels
       
       Dagegen hat Schaefer hin und wieder der Senatspolitik widersprochen – etwa
       in der Frage, ob Bremen stur an den Plänen festhalten sollte, ein
       Windenergieterminal in Bremerhaven auf Staatskosten zu bauen. Bei der
       Diskussion um die weitere Weser-Vertiefung konnte Schaefer sehr viel
       deutlicher die grüne Position formulieren. Auch das ist aber eher eine
       Frage des Rollenspiels und nicht der inneren Überzeugung.
       
       Die Landesvorsitzende Werwath betonte, nun werde man „geschlossen“ in den
       Wahlkampf ziehen – konnte aber auf die Frage nach dem Beitrag der
       unterlegenen Finanzsenatorin nichts sagen. Da müsse man Linnert fragen,
       meinte sie. Man habe mit Linnert telefoniert, aber sie nicht danach
       gefragt, erläuterte der zweite Landessprecher Hermann Kuhn. Offenbar war
       Linnert von dem Ergebnis vollkommen überrascht und will dazu derzeit nichts
       sagen. Kandidieren jedenfalls wolle sie entweder als Spitzenkandidatin oder
       gar nicht, hatte sie vorher verkündet. Auch sowas kommt an der grünen Basis
       nicht gut an.
       
       Linnert ist seit 2007 ohne Unterbrechung Finanzsenatorin. Im Jahre 2016
       konnte sie den großen Erfolg ihrer Arbeit verkünden: Nach Jahren der
       quälenden Sparpolitik hatte Bremen die Zusage erhalten, dass Bremen nach
       dem Ende der Sanierungsphase 2020 über den Länderfinanzausgleich jedes Jahr
       knapp 500 Millionen Euro erhält – und zwar unbefristet und ohne Auflagen.
       Damit hatte in den Jahren zuvor niemand gerechnet.
       
       ## Lieber über veganes Essen reden
       
       In Süddeutschland war mehr von notwendiger Länderneugliederung geredet
       worden als von einem dauerhaften Nachteilsausgleich für den eigentlich
       wirtschaftlich starken Zwei-Städtestaat. Aber schon damals diskutierte die
       grüne Basis lieber über vegane Verpflegung bei Mitgliederversammlungen als
       über Linnerts großen Erfolg.
       
       Was grüne PolitikerInnen Linnert vorhalten, ist ihre Personalpolitik. 2015
       hatte sie noch einmal auf den glücklosen Umweltsenator Joachim Lohse
       gesetzt, um den nach Ansicht vieler Beobachter deutlich profilierteren
       Robert Bücking zu verhindern. Bücking hatte nicht nur bei der
       Bürgerschaftswahl mehr Personenstimmen als Lohse bekommen, sondern prägt
       seither auch als Bürgerschaftsabgeordneter das Image einer grünen
       Stadtpolitik mehr als Lohse, der sich als Chef der Verwaltung versteht.
       
       Dazu passt die Idee des Spitzentrios, mit dem Linnert sich und Stahmann als
       Senatorinnen gesetzt hatte. Da es nach den bisherigen Umfragen keine
       einfache rot-grüne Mehrheit geben wird, ist ein drittes Mandat für das
       Umweltressort eher unwahrscheinlich. Lohse hat schon seinen Verzicht
       erklärt. Mit der Abwahl von Linnert ist nicht nur die Frage offen, wer die
       Grünen in welchen Ressorts einem künftigen Senat repräsentieren wird. Auch
       die Koalitionsfrage scheint offener als unter der Regie von Linnert.
       
       17 Sep 2018
       
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