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       # taz.de -- Zinserhöhung in der Türkei: Zentralbank trotzt Erdoğan
       
       > Entgegen der Forderung des Präsidenten hebt die türkische Zentralbank die
       > Leitzinsen an. Sie macht klar, dass die Wirtschaft Devisen braucht.
       
   IMG Bild: Saubere Geldpolitik: Die türkische Notenbank stärkt die Lira gegenüber dem US-Dollar
       
       Istanbul taz | Für eine handfeste Überraschung sorgte am Donnerstag die
       türkische Zentralbank. Trotz einer expliziten Aufforderung von
       Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, die Leitzinsen nicht zu erhöhen,
       verkündete die Notenbank am Nachmittag, dass sie diese Zinsen um satte 6,25
       Punkte, von 17,75 auf 24 Basispunkte anhebt.
       
       Die Bank begründete diesen Schritt mit der ständig steigenden Inflation,
       die zuletzt bei rund 18 Prozent lag. Außerdem hofft sie mit dieser massiven
       Zinserhöhung auch ausländische Investoren zu beeindrucken, damit diese
       wieder in die Lira investieren und so den zuletzt dramatischen Verfall der
       türkischen Währung stoppen.
       
       Tatsächlich gewann die Lira bereits unmittelbar nach der Verkündung der
       Zinserhöhung kräftig, sodass für einen US-Dollar nicht mehr 6,5 sondern nur
       noch 6 Lira gezahlt werden mussten.
       
       Ausländische Finanzanalysten äußerten sich in ersten Reaktionen gegenüber
       der Agentur „Reuters“ durchweg positiv über den Schritt der türkischen
       Zentralbank. Die Zentralbank habe endlich ihre Unabhängigkeit von der
       Regierung gezeigt, sagte Ulrich Wortberg von der Helaba. Die Maßnahme
       schaffe „wieder Vertrauen“, bestätigte auch Thomas Gitzel von der VP Bank.
       
       Trotzdem herrscht allgemein die Auffassung, dass die türkische Währung noch
       längst nicht gerettet ist. Die Zinserhöhung in der Türkei nützt auch den
       Währungen in anderen Schwellenländern, die zuletzt ebenfalls unter Druck
       waren. Der südafrikanische Rand und der russische Rubel legten ebenfalls
       zu.
       
       ## Ist die Lira gerettet?
       
       Die Lira hatte zuvor allein in diesem Jahr 40 Prozent gegenüber dem Dollar
       verloren. Analysten befürchten, dass türkische Banken und Großunternehmen,
       die Schulden in Dollar haben, nicht mehr in der Lage sind diese zu
       bedienen, wenn ein Dollar teurer als 7 Lira wird. Insofern war die jetzige
       Zinsentscheidung der Versuch eines Befreiungsschlages im letzten Moment.
       
       Viele Ökonomen bezweifeln allerdings, dass die türkische Wirtschaft noch
       vor einem Abrutschen in die Rezession zu retten ist. „Alle Indikatoren
       sprechen dafür, dass die Türkei im IV. Quartal dieses Jahres ein
       Minuswachstum aufweisen wird“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Mustafa
       Sönmez der taz. Auch mit der Zinserhöhung wird nicht genug ausländisches
       Geld in die Türkei kommen, um die Schulden insbesondere im Privatsektor
       weiter bedienen zu können.
       
       Um die Lira zu stützen, hatte die Regierung am Mittwoch per Dekret
       festgelegt, dass Immobilienkäufe aber auch Mieten nur noch auf Lirabasis
       abgeschlossen werden dürfen. Das nutzt vor allem Mietern von Gewerblichen
       Immobilien wie beispielsweise in Shopping-Malls, die bislang ihre Miete in
       Dollar zahlen mussten. Denn auch bestehende Verträge müssen innerhalb eines
       Monats entsprechend geändert werden.
       
       13 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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