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       # taz.de -- Mitgliederbeteiligung bei #aufstehen: Ja, nein, vielleicht
       
       > Sahra Wagenknechts Initiative setzt ein Abstimmungstool aus den USA ein.
       > Schon nach einem Tag zeigt sich, was die AnhängerInnen eint und trennt.
       
   IMG Bild: Setzen auf Online-Votings: Sahra Wagenknecht und ihre MitstreiterInnen von Aufstehen
       
       BERLIN taz | Wer Teil der Bewegung werden möchte, braucht eine
       Viertelstunde. So lange dauert es, die über 100 Thesen [1][auf
       aufstehen.de] durchzuklicken und zu beantworten. Internationale Konzerne
       sollen angemessene Steuern zahlen? Ja. Bus und Bahn sollen gratis werden?
       Vielleicht. Zurück zur D-Mark? Lieber nicht.
       
       Am Dienstagvormittag [2][starteten Sahra Wagenknecht und ihre
       MitstreiterInnen ihre neue Initiative „Aufstehen“], gleichzeitig schalteten
       sie auf ihrer Website ein Abstimmungs-Tool frei. „Pol.is“ heißt die
       Software, sie soll das Kernstück der neuen Bewegung werden. „Das Instrument
       bietet die Möglichkeit, eine breit geführte Debatte mit vielen, vielen
       Menschen ins Leben zu rufen“, [3][sagte Mitinitiator und PR-Fachmann Hans
       Albers]. „Wir machen Deutschland zu einem Parlament.“
       
       Wie das [4][konkret aussieht]? Über ein Kommentarfeld können NutzerInnen
       Thesen zur Abstimmung einreichen, einen Tag nach dem Start der Plattform
       sind rund 150 Statements zusammengekommen. Der Großteil dreht sich um
       Arbeit, Sozialpolitik und Verteilungsfragen. Andere beschäftigen sich mit
       Umwelt („Kohlekraftwerke abschalten“), Demokratie („Parlamentarische
       Demokratie ist keine Demokratie“) oder Migration („Die deutsche
       Einwanderungspolitik macht mir Angst“). Zu den Thesen kann jeder mit drei
       Optionen abstimmen: ja, nein und weiß nicht.
       
       Interessant wäre es nun, zu erfahren, wie die Aufstehen-AnhängerInnen zu
       den einzelnen Fragen abgestimmt haben. Eine Liste mit den Ergebnissen zu
       allen Thesen gibt es auf der Internetseite aber nicht. Anzeigt werden nur
       die Zustimmungswerte zu ausgewählten Statements – und eine Karte, auf der
       die NutzerInnen gemäß ihrer Antworten in drei Gruppen eingeteilt werden.
       Die Einteilung übernimmt die Software per Algorithmus, sie kann sich in
       Echtzeit ändern.
       
       ## Linke Wirtschaftspolitik ist Konsens
       
       Was alle drei Gruppen eint: Sie wollen eine linke Wirtschafts- und
       Sozialpolitik. 93 Prozent der TeilnehmerInnen wollen „eine Politik für
       Menschen mit kleinen & mittleren Einkommen“, 96 Prozent fordern höhere
       Löhne in sozialen Berufen, 93 Prozent das „Ende des Lobbyismus“.
       
       Es gibt aber auch Unterschiede. Die kleinste Gruppe mit rund 1000
       NutzerInnen ist gegen offene Grenze. „Die Bevölkerung wird bunter und das
       ist völlig ok“ – diese These lehnen ihre Mitglieder eher ab.
       „Heimatland/Stadt verändert sich zu stark in der Form anderer Kulturen“ –
       dieser These stimmen sie eher zu.
       
       Die zwei anderen Gruppen äußern sich beide weltoffener. Sie unterscheiden
       sich untereinander aber anhand des sozialen Status: Die rund 2000
       Mitglieder der einen Gruppe antworten mehrheitlich, sie hätten
       Existenzängste, Sorgen vor der Rente und profitierten nicht vom
       Wirtschaftsaufschwung. Den rund 4000 Mitglieder der anderen Gruppe geht es
       nach eigenen Angaben besser.
       
       ## Software aus den USA
       
       Aufstehen hat die Software nicht selber entwickelt, sie stammt von einem
       amerikanischen Start-Up. Angewendet wurde sie in den vergangenen Jahren von
       Unternehmen, Medien und Organisationen in mehreren Ländern. Auch die
       Regierung von Taiwan nutzt sie zur Bürgerbeteiligung.
       
       Im Vergleich zu klassischen Diskussionsforen hat das Tool laut den Machern
       den Vorteil, dass sich nicht automatisch die lautesten TeilnehmerInnen
       durchsetzen sondern jede Stimme gleich viel Wert sei. „Pol.is bezieht jeden
       mit ein, hebt den Konsens hervor, zeigt aber auch Minderheitsmeinungen an“,
       schreiben die Entwickler auf ihrer Internetseite.
       
       Nachteile gibt es aber auch: Über die einzelnen Thesen können die
       NutzerInnen nur abstimmen, aber nicht diskutieren. Das unterscheidet Pol.is
       von Systemen wie Liquid Feedback, das die Piratenpartei nutzte und das den
       Austausch von Argumenten zulässt.
       
       Und ein Aufstehen-Nutzer sieht noch einen Nachteil: Das Tool ist ihm nicht
       einheimisch genug. „Statt pol-is sollte ein vergleichbares Angebot eines
       deutschen Dienstleisters in Anspruch genommen werden“, hat er als Forderung
       eingebracht. Wie die übrigen NutzerInnen dazu stehen, ist leider nicht
       ersichtlich. Die These gehört zu denen, deren Zustimmungsrate nicht
       öffentlich angezeigt wird.
       
       5 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.aufstehen.de/
   DIR [2] /!5532962/
   DIR [3] https://youtu.be/RpbKhoAlSAw?t=17m38s
   DIR [4] https://www.aufstehen.de/pol-is/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
       ## TAGS
       
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