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       # taz.de -- Unverbremt: Was soll das immer mit der Heimat?
       
       > Einzelhändler werben für den Einkauf vor Ort – und bemühen dafür den
       > überstrapazierten Heimatbegriff
       
       Da freut sich der Hipster und streicht sich vorfreudig über den Bart: Am
       kommenden Wochenende lockt der Bremer Einzelhandel mit dem Format
       „Heimat-Shoppen“ kaufkräftige KundInnen in die Quartiere.
       
       Heimat geht ja immer, in norddeutschen Großstädten vor allem dann, wenn sie
       mit dekorativen Seemannsknoten verbrämt ist. Nach dem schon längst wieder
       abgeebbten Craft-Beer-Boom braut nun jede Stadt, die auf sich hält, ihren
       eigenen Gin aus heimischen Kräutern. Überall schießen die Kaffeeröstereien
       aus dem Boden, kleine Manufakturen, die maritim benannte Mischungen
       verkaufen und an nie dagewesene Hafenromantik anknüpfen. Überhaupt,
       Manufaktur: Sie ist seit jeher die kleine Schwester der Heimat. Schon zu
       ihren Anfängen im merkantilistischen Frankreich: Warum Dinge im Ausland
       kaufen, wenn sie auch vor Ort produziert werden? Einst als
       urkapitalistische, hoch arbeitsteilige Produktionsform gegründet, in der
       ArbeiterInnen bis zur Erschöpfung monotone Tätigkeiten ausführten, erkennt
       man eine heutige Manufaktur daran, dass hübsche Produkte verkauft werden,
       die eigentlich niemand braucht, auf denen aber ein Anker drauf ist und
       dessen Verkäufer eine braune Lederschürze trägt.
       
       Die Alternativen zur Manufaktur sind das Kontor und der Hafen, auch gern
       mal mit V geschrieben, weil das so schön plattdeutsch aussieht. Das spricht
       zwar niemand mehr, der auf sich hält, aber in Redewendungen, im hippen
       Friesennerz oder eben im Haven als Anhängsel eines Markennamens fristet das
       Niederdeutsche eine geduldete Existenz als Verkaufsargument. Denn ob nun
       Manufaktur, Haven oder Kontor, kombiniert werden können diese Begriffe mit
       nahezu jeder Produktgruppe, was ein großer Vorteil ist.
       
       Seit der merkwürdigen Renaissance des Heimatbegriffs ist er zum
       Verkaufsschlager geworden. Der Einzelhandel will mit dem „Heimat-Shoppen“,
       so heißt es auf der Website, „die Bedeutung lokaler Einzelhändler,
       Dienstleister und Gastronomen für die Lebensqualität in unseren Städten,
       Gemeinden und Regionen mehr ins Bewusstsein“ rücken. Das ist verständlich,
       denn lokalen HändlerInnen macht vor allem der Online-Versandhandel schwer
       zu schaffen. Einzelhandel schafft Arbeitsplätze, zahlt Steuern, sichert die
       Grundversorgung der Bevölkerung und sorgt für belebte Straßen und Plätze.
       Grund genug, ihn auch zu nutzen. Den exkludierenden Hochglanzbegriff
       „Heimat“ braucht es dazu aber nicht.
       
       Karolina Mayer-Schilf
       
       7 Sep 2018
       
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   DIR Karolina Meyer-Schilf
       
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