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       # taz.de -- „Stimmungsmache“ im Hambacher Forst: Vietcong-Ente nistet im Rheinland
       
       > Ein Bericht über „Tunnelsysteme“ im Hambacher Forst sorgt für Spott. Laut
       > Polizei wurde der Tunnel, um den es geht, bereits 2012 geräumt und
       > verfüllt.
       
   IMG Bild: Wo die „Rheinische Post“ den Vietcong sichtete, fand die taz nur gut gelaunte Aktivist*innen für den Klimaschutz
       
       Hambacher Forst taz | Es klang nach der ganz großen Enthüllung. Im
       Hambacher Forst habe die Polizei „ausgeklügelte Tunnelsysteme“ entdeckt,
       [1][meldete die Rheinische Post am Samstag]. Diese dienten vermutlich als
       „Schmuggelroute, um Waffen und Krawallmacher in den Forst zu bringen“,
       schrieb die Zeitung unter Berufung auf eine anonyme Polizeiquelle. „Die
       Tunnel erinnern an die unterirdischen Anlagen während des Vietnamkriegs“,
       soll dieser gesagt haben.
       
       Das wäre ziemlich erstaunlich. Das berühmte Tunnelsystem der Vietcong hatte
       eine Länge von 200 Kilometern auf drei Ebenen und enthielten unterirdische
       Schulen und Krankenhäuser. So etwas haben also die rund 100 Besetzer des
       Hambacher Forstes gebaut, ohne dass davon bisher jemand irgendetwas
       mitbekommen hat?
       
       Nein, das haben sie wohl nicht. Zumindest weiß die Aachener Polizei, die
       für alle Einsätze im Hambacher Forst verantwortlich ist, davon nichts. „Uns
       liegen bislang keine Erkenntnisse über solche Tunnelsysteme vor“, erklärte
       Pressesprecher Paul Kemen der taz. Beim Einsatz in der vergangenen Woche
       seien lediglich „einzelne Erdlöcher und unterirdische Depots“ gefunden und
       mit Beton gefüllt worden. Auch aus dem Innenministerium Nordrhein-Westfalen
       hieß es, es lägen keine Informationen über Tunnelsysteme vor.
       
       Doch wie ist es dann zu der dramatischen Meldung gekommen? Die Rheinische
       Post reagierte nicht auf eine Nachfrage nach Belegen für die von ihr
       zitierten Aussagen. Abgedruckt wurde in der Zeitung lediglich eine
       angebliche Polizeiskizze zu einem einzelnen, etwa sechs Meter langen
       Tunnel, der eine zwei Quadratmeter große Erdhöhle mit einem runden Schacht
       verbindet.
       
       Antje Grothus, die für die Bürgerinitiative Buirer für Buir in der
       Kohlekommission der Bundesregierung sitzt und die Proteste vor Ort schon
       lange beobachtet, vermutet, dass es sich dabei um einen Tunnel handelt, der
       schon vor Jahren entdeckt und verfüllt wurde. Das wurde der taz am Sonntag
       von der Polizei Aachen und dem NRW-Innenministerium bestätigt. Es handele
       sich demnach um einen Tunnel, der bereits im Jahr 2012 geräumt und verfüllt
       wurde.
       
       ## Entspannt im Wald
       
       AktivistInnen reagierten teils mit Wut, teils mit Spott auf die Meldung
       über die angeblichen Tunnelsysteme. Die Behauptungen seien „weit jenseits
       von erstunken und erlogen“ und sollten offenbar dazu dienen, die „völlig
       überzogenen Maßnahmen der letzten Wochen zu rechtfertigen“, schrieb ein
       Baumbesetzer auf Twitter.
       
       Andere veröffentlichten eine Karte mit Tunnels vom Hambacher Forst bis ins
       Hamburger Autonomenzentrum „Rote Flora“ und nach Kurdistan. Antje Grothus
       sprach von „skandalöser Stimmungsmache“ gegen die GegnerInnen der Rodung.
       
       Ansonsten war die Lage im Wald entspannt. Zum „Wochenende des Widerstands“,
       das ausgerufen worden war, [2][nachdem RWE in der letzten Woche die ersten
       Bäume gefällt] sowie Küchen und Lager unterhalb der Baumhäuser geräumt
       hatte, kamen am Freitag und Samstag jeweils rund 100 Menschen in den Wald –
       teils für länger, teils nur über Tag.
       
       Weil sich weder Polizei noch RWE im Wald sehen ließen, fielen die
       angekündigten Blockadeaktionen aus. Stattdessen nahmen sie an
       Klettertrainings teil, errichteten neuen Barrikaden auf Zufahrtsstraßen und
       reparierten die Infrastruktur unterhalb der Baumhäuser.
       
       ## Unterhaltungsprogramm von RWE
       
       Am Samstag kamen zudem zahlreiche Familien mit kleinen Kindern in den Wald.
       Mit einem „Generationenfoto“ unterhalb der Baumhäuser appellierten sie, den
       Wald und das Klima für die Nachkommen zu erhalten. „Die Rodung muss und
       kann gestoppt werden“, meinte Rieke, die mit zwei Kindern und ihrer Mutter
       aus Mönchengladbach gekommen ist. Anschließend legen die Eltern mit ihren
       Kindern aus den geschredderte Überresten der Räumungsaktion ein riesiges
       Mandala auf den Waldboden.
       
       Zur gleichen Zeit bot auch RWE ein Unterhaltungsprogramm für Familien: Im
       nahen Elsdorf wurde das 40-jährige Bestehen des Braunkohletagebaus, dem der
       Hambacher Forst weichen soll, mit einem Fest und einem Konzert gefeiert.
       Die Schaufelradbagger, die im Wald so gehasst und gefürchtet werden, sind
       dort Teil des Unterhaltungsprogramms. Mit ferngesteuerten Modelle aus Lego
       konnten Kinder Schokokugeln baggern, im Original waren sie bei Bustouren in
       den Tagebau zu bewundern. Störungen durch Kohle-GegnerInnen gab es dabei
       nicht.
       
       9 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://rp-online.de/nrw/panorama/hambacher-forst-polizei-entdeckt-tunnel_aid-32786277
   DIR [2] /Reportage-aus-dem-Hambacher-Forst/!5531203/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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