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       # taz.de -- Hamburgs Klage gegen Zensus abgewiesen: Schrumpfende Städte
       
       > Weniger Bürger, weniger Geld: Das Verfassungsgericht hat Hamburgs Klage
       > gegen den Zensus 2011 abgewiesen – mit Folgen für über 150 Kommunen.
       
   IMG Bild: Kleiner als erhofft: Hamburg hat vor dem Verfassungsgericht verloren und ist jetzt fast so klein wie das Miniatur Wunderland
       
       Hamburg taz | Hamburg bleibt klein. Bremerhaven und Braunschweig
       wahrscheinlich auch, mehr als 150 weitere Städte in Norddeutschland
       vermutlich ebenfalls. Der Zensus von 2011 ist verfassungsgemäß gewesen,
       urteilte am Mittwoch in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht in
       Karlsruhe. Damit sind die dort ermittelten Einwohnerzahlen deutscher
       Bundesländer und Kommunen maßgebend – und die fallen durchweg geringer aus
       als erwartet. Dem Minus an Einwohnern steht ein Minus in der Kasse
       gegenüber: Den geschrumpften Städten stehen weniger Steuereinnahmen und
       Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich zu.
       
       Bei der ersten Volkszählung nach der Wiedervereinigung hatte sich
       herausgestellt, dass in Deutschland gut 1,5 Millionen weniger Menschen
       leben als angenommen (siehe Kasten). Vor allem die Einwohnerzahlen vieler
       großer Städte wurden nach unten korrigiert. Berlin und Hamburg geben dem
       angewandten Verfahren die Schuld. Die Statistiker hatten sich zum ersten
       Mal vorwiegend auf Meldedaten gestützt und nicht mehr alle Bürger
       persönlich nach ihren Lebensverhältnissen befragt.
       
       Die beiden Stadtstaaten sahen sich vor allem dadurch benachteiligt, dass
       die Daten der größeren Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern nach
       anderen Methoden bereinigt wurden als die der kleineren. Beide
       Landesregierungen legten den Verfassungsrichtern die gesetzlichen
       Grundlagen des Zensus zur Prüfung vor – erfolglos.
       
       Dass sich der Gesetzgeber in einem mehr als zehnjährigen Prozess für einen
       sogenannten registergestützten Zensus entschieden habe, sei nicht zu
       beanstanden, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der
       Urteilsverkündung. Auch andere Staaten setzten auf diese Methode. Sie
       verursache weniger Kosten und sei auch „grundrechtsschonender“, weil nur
       noch ein kleiner Teil der Bürger Daten preisgeben müsse und nicht mehr alle
       wie bei der westdeutschen Volkszählung 1987.
       
       ## Hamburg will nächstes Mal besser rechnen
       
       Die zurzeit ruhenden Klagen von etwa 340 Kommunen vor den jeweils
       zuständigen Verwaltungsgerichten werden nun vermutlich eingestellt.
       Darunter fällt die Klage von Bremerhaven gegen das Land Bremen. Der Zensus
       hatte Bremerhaven um etwa 4.000 Einwohner und jährlich rund 500.000 Euro
       ärmer gemacht. Vor dem Bremer Verwaltungsgericht war Bremerhaven Ende 2014
       bereits gescheitert, der jetzige Spruch des höchsten deutschen Gerichts
       beendet nun alle Hoffnungen.
       
       Ähnlich dürfte es den 148 schleswig-holsteinischen und 25 niedersächsischen
       Kommunen gehen, die gegen die Ergebnisse des Zensus Widerspruch eingelegt
       hatten. So war die Kleinstadt Buchholz in der Lüneburger Heide rein
       statistisch von 39.000 auf 36.600 EinwohnerInnen abgesunken – ein Minus von
       satten sechs Prozent, Osnabrück verlor seinen Rang als drittgrößte Stadt
       Niedersachsens nach Hannover und Braunschweig an Oldenburg, die
       vermeintlichen Großstädte Salzgitter und Hildesheim sanken unter die Marke
       von 100.000 Einwohnern und wurden per Federstrich zu Kleinstädten
       degradiert.
       
       Und immer ging ein erheblicher finanzieller Verlust damit einher. So musste
       Hamburg Ende 2013 einmalig 147 Millionen Euro in den Länderfinanzausgleich
       zurückzahlen, insgesamt gingen der Hansestadt seitdem mehr als 600
       Millionen Euro durch die Lappen.
       
       Alles zu Recht, sagt das Bundesverfassungsgericht. Hamburgs Finanzsenator
       Andreas Dressel (SPD) setzt deshalb auf die nächste Volkszählung 2021.
       Vielleicht, so seine Hoffnung, lässt sich dann ein besseres Ergebnis
       errechnen.
       
       19 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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