# taz.de -- Ex-Minister zum RWE-Tagebau: „Wir wollten die Siedlungen retten“
> Die Grünen saßen bis 2017 in NRW in der Regierung – auch als der Tagebau
> bestätigt wurde. Johannes Remmel will dafür aber keine Verantwortung
> tragen.
IMG Bild: Nicht zimperlich: Die Polizei räumte auch am Mittwoch die Baumhäuser der Umweltaktivisten im Hambacher Forst
taz: Herr Remmel, werden Sie in den Hambacher Wald fahren?
Johannes Remmel: Ich hatte schon als Minister Begegnungen mit Initiativen
vor Ort, zum Beispiel den „Buirern für Buir“, ich unterstütze die Proteste
ausdrücklich und freue mich auf den Parteitag am 7. Oktober am Hambacher
Wald.
Sind Sie willkommen? Sie waren Teil einer Landesregierung, die 2016 den
Hambacher Tagebau bestätigt hat.
Wer das behauptet, geht der Argumentation der jetzigen schwarz-gelben
Landesregierung auf den Leim. Es gibt keine solche Bestätigung. Wir haben
damals in einem beispiellosen Kraftakt einen bestehenden Tagebau
verkleinert, nämlich Garzweiler. Man kann im Nachgang darüber
philosophieren, ob das ausreicht. Uns ging es damals darum, ganz konkret
Menschen und Siedlungen vor der Umsiedlung zu retten.
Die „Leitentscheidung“ vom Juli 2016, Garzweiler zu verkleinern, hat aber
explizit die Tagebaue in Hambach und Inden in ihren geplanten Ausmaßen
bestätigt. Damit haben Sie akzeptiert, was jetzt stattfindet.
Das ist Quatsch. Es wurde über Hambach überhaupt nicht diskutiert oder
entschieden. Die Leitentscheidung, bezogen auf Garzweiler, war nötig, weil
es um konkrete Umsiedlungen ging. Das war der Anlass, um in einer neuen
Leitentscheidung in NRW die Frage der energiewirtschaftlichen
Notwendigkeit zu reflektieren. Da war klar, dass ein Gebiet bei Holzweiler
mit 300 bis 400 Millionen Tonnen Braunkohle nicht benötigt wurde. Über
Hambach ist weit vorher entschieden worden. Zum Tagebau Hambach gab es 2016
keinen politischen Anknüpfungspunkt, um irgendeine Entscheidung zu treffen.
Warum heißt es dann explizit, dass die Planungen zu Hambach wie geplant
durchgeführt werden?
Für die Leitentscheidung hatte das keine Bedeutung. Wie gesagt, es gab
damals planungsrechtlich keine Anknüpfungspunkte über Garzweiler hinaus.
Immer wenn eine Umsiedlung ansteht, muss geprüft werden, ob sie
energiepolitisch nötig ist. Das galt damals für Garzweiler, nicht aber für
Hambach. In dem Zusammenhang Garzweiler hatten wir keine Chance, Hambach zu
verkleinern oder gar zu verhindern. Es ist also völlig fehlgeleitet, hier
irgendeine politische Formel daraus zu machen. Das lenkt nur von der Frage
ab, ob die jetzige Regierung und RWE mit dem Kopf durch die Wand wollen
oder abwarten, was die Kohle-Kommission entscheidet.
War das der Deal: Garzweiler verkleinern und die anderen Tagebaue nicht
anfassen?
Nein, nein, nein! Ich weiß nicht, ob Sie schon mal mit der SPD, FDP oder
der CDU in NRW in Sachen Kohle zu tun hatten. Es gibt keine politische
Kraft in diesem Bundesland, die zu diesem Zeitpunkt in irgendeiner Weise
die Braunkohle-Verstromung anpacken wollte, außer den Grünen. Wenn die
Basis der SPD entschieden hätte, wäre auch die Verkleinerung von Garzweiler
nicht sicher gewesen. Um es noch mal ganz klar zu sagen: Es gab keinen
Deal, wir bekommen die Verkleinerung von Garzweiler und verzichten auf
etwas anderes. Es war ein großer politischer Erfolg für uns Grüne, an
diesem Braunkohle-Tagebau wenigstens einen Teil herauszunehmen.
Was war der Erfolg?
Das war und ist der Anfang vom Braunkohleausstieg. Die Entscheidung fällt
nicht über die Menge, die noch abgebaggert wird, sondern über Regelungen
zur Laufzeit der Kraftwerke und den CO2-Preis. Das wird aber nicht in
Hambach oder Düsseldorf entschieden, sondern in Berlin und Brüssel.
Kann man in NRW Politik gegen die Kohle machen?
Ja, das geht. Die Probleme mit dem Strukturwandel kann man bei uns nicht
mit der Lausitz vergleichen. Die Region um Aachen, Köln, Jülich und Düren
ist die innovativste Hochschul- und Forschungslandschaft in Europa, was
Solarenergie und Elektromobilität wie den Streetscooter angeht. Da sollten
wir schnell genug Arbeitsplätze kompensieren können. Wir steigen dieses
Jahr aus der Steinkohle aus. Da sind in einem Jahrzehnt circa 35.000
Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut worden. Da kann mir keiner
erzählen, dass das in 10 bis 15 Jahren bei 10.000 Braunkohle-Jobs in einer
prosperierenden Region nicht möglich ist.
Die Grünen meinen heute, Umweltpolitik müsse radikaler werden. War Ihre
Umweltpolitik in NRW radikal genug?
Manche meinen, unsere ehrgeizige Politik bei Wasser, Jagd und Naturschutz
sei ein Grund dafür gewesen, dass wir in NRW abgewählt wurden.
Also ist radikale Umweltpolitik derzeit keine besonders gute Idee?
Im Gegenteil. Ich habe immer dafür geworben, unser Alleinstellungsmerkmal
stärker zu betonen. Bei der Bundestagswahl hat das ja auch besser
funktioniert als bei der Landtagswahl. Wir müssen bei Klimaschutz,
Artensterben und Ressourcenverlust schneller handeln. Deshalb ist eine
Politik, die an die Wurzeln geht und im besten Sinne radikal ist, absolut
richtig.
20 Sep 2018
## AUTOREN
DIR Bernhard Pötter
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