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       # taz.de -- Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs: Abtreibungsgegner darf nicht hetzen
       
       > Abtreibungsgegner Klaus-Günter Annen ist vor Gericht gescheitert.
       > Aussagen wie „Abtreibung ist Mord“ darf er nicht auf bestimmte Ärzte
       > beziehen.
       
   IMG Bild: Ihre Meinung äußern dürfen sogenannte Lebensschützer natürlich, aber nicht hetzten
       
       Der Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen ist beim Europäischen Gerichtshof
       für Menschenrechte (EGMR) mit vier Klagen gescheitert. Seine
       Meinungsfreiheit sei nicht verletzt, wenn ihm verboten wird, in Bezug
       [1][auf bestimmte Ärzte] Abtreibungen als Mord zu bezeichnen und sie mit
       dem Holocaust zu vergleichen.
       
       Der bald 70-jährige Klaus Günter Annen ist einer der bekanntesten
       Abtreibungsgegner Deutschlands. Unter anderem betreibt er die Webseite
       www.babycaust.de. Er [2][zeigt immer wieder Ärzte an], die im Internet
       angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das sei
       [3][strafbare Werbung für Abtreibungen].
       
       Mitte der Nullerjahre protestierte Annen regelmäßig vor den Praxen von
       Ärzten und verteilte Flugblätter an Passanten. Dort hieß es zum Beispiel:
       „In Ihrer Nähe: rechtswidrige ABTREIBUNGEN … und SIE schweigen zum MORD an
       unseren KINDERN?“ oder: „Diese vorgeburtlichen Kindstötungen haben
       mittlerweile Ausmaße angenommen, welche an einen ‚neuen HOLOCAUST‘
       erinnern!“
       
       Vier Ärzte wehrten sich vor Gericht erfolgreich gegen solche Äußerungen im
       Zusammenhang mit ihrem Namen. Die Gerichte erließen einstweilige
       Verfügungen gegen Annen, denn er stelle die Ärzte hier unzulässig „an den
       Pranger“. Deren Persönlichkeitsrecht habe Vorrang vor Annens
       Meinungsfreiheit. Nachdem Annen auch beim Bundesverfassungsgericht
       gescheitert war, ging er mit vier Klagen nach Straßburg. Er habe nicht die
       Ärzte angegriffen, sondern die deutsche Rechtslage. Seine Flugblätter
       trügen zu einer wichtigen politischen Debatte bei.
       
       ## Gerichstentscheidungen waren nicht unverhältnismäßig
       
       Doch auch der EGMR entschied nun gegen Annen. Er habe den Eindruck erweckt,
       die Ärzte hätten schwere Straftaten begangen. Dies sei geeignet, Hass und
       Aggressionen gegen sie zu wecken. Ein Verbot solcher Aussagen in Bezug auf
       konkrete Ärzte sei deshalb in einer demokratischen Gesellschaft
       gerechtfertigt. Die deutschen Gerichte hätten die widerstreitenden
       Grundrechte gut abgewogen. Da Annen nur die Wiederholung der Aussagen
       untersagt und er nicht strafrechtlich verurteilt wurde, seien die deutschen
       Gerichtsentscheidungen nicht unverhältnismäßig.
       
       Der EGMR entschied diesmal anders als 2015. Damals hatte Annen mit einer
       Beschwerde in Straßburg Erfolg. Allerdings ging es damals auch um
       Flugblätter, auf denen er erwähnt hatte, dass die den Ärzten vorgeworfenen
       Abtreibungen in Deutschland straffrei sind.
       
       Auf Annens Webseite finden sich weiterhin Aussagen wie „Abtreibung ist
       Mord“. Der Titel der Seite lautet: „Kindermord im Mutterleib! Der neue
       Holocaust!“ Er verzichtet lediglich darauf, die Aussagen auf bestimmte
       Ärzte zu beziehen.
       
       Die vier neuen EGMR-Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Annen kann noch
       Rechtsmittel einlegen. Die 17-köpfige Große Kammer des EGMR wird den Fall
       aber nur aufgreifen, wenn sie ihn für grundsätzlich hält.
       
       20 Sep 2018
       
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